Engagement an der Uni:Wer in der Fachschaft ist, profitiert

Viele Studenten interessieren sich nicht für die Arbeit der Fachschaften an den Hochschulen, die sie vertreten. Schade eigentlich. Denn wer sich in einer Fachschaft engagiert, kann nicht nur das Uni-Leben mitgestalten - es bringt ihm auch persönlich etwas.

Auf den ersten Blick ist Zura Karaulashvili ein Student wie andere auch. Er ist 25 Jahre alt und studiert im vierten Semester Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Was ihn so besonders macht, ist die Wahl im vergangenen Februar. Damals wurde er zusammen mit sieben weiteren Kommilitonen in den Fachschaftsrat gewählt.

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Nicht nur zuhören, sondern das Uni-Leben mitgestalten: Wer sich in einer Fachschaft engagiert, profitiert aus mehreren Gründen.

(Foto: dpa)

Seitdem sitzt er jeden Freitag im Büro der Fachschaft, gibt alte Klausuren aus und beantwortet seinen Kommilitonen Fragen rund ums Studium. "Ich mach' alles was anfällt. Von der Erstsemesterfahrt bis zu Visafragen mit den ausländischen Studenten", sagt Karaulashvili.

Laut Statistik ist Karaulashvili in der deutschen Studentenschaft die absolute Ausnahme. Denn von allen Hochschülern in Deutschland hatten im Jahr 2010 nur rund drei Prozent in den Fachschaften ein Amt inne. Das geht aus dem Studierendensurvey der AG Hochschulforschung der Universität Konstanz hervor. Immerhin fast ein Drittel (31 Prozent) der Studenten an den Universitäten sagte sogar, die Arbeit der Fachschaft interessiere sie nicht. Noch deutlicher fiel das Ergebnis bei der Befragung an den Fachhochschulen aus. Dort sagten im Jahr 2010 40 Prozent, die Arbeit der Fachschaften sei ihnen egal. Zum Vergleich: 1993 sagten das nur 25 Prozent der Fachhochschüler.

Eigentlich ist es verwunderlich, dass das Interesse der Studenten an den Fachschaften abnimmt. Schließlich können sie vor allem darüber Druck auf die Professorenschaft ausüben und das Leben an der Universität mitgestalten. Als Fachschaft bezeichnete man ursprünglich alle Studenten eines Fachs. Heute wird der Begriff meist auch für den Fachschaftsrat verwendet, also für das Gremium, dass die Studenten nach außen vertritt. Der Fachschaftsrat wird meistens einmal im Jahr von den Studenten des Fachs gewählt. Er ist Ansprechpartner Nummer eins für alle studentischen Belange. Was er daraus macht, hängt von der jeweiligen Fachschaft ab.

Zura Karaulashvilis Fachschaft organisiert zum Beispiel jedes Jahr im Oktober ein Wochenende zum Kennenlernen für die Erstsemester. Sie stellen pro Jahr zwei Jura-Partys auf die Beine und ein Fußballturnier. Sie verwalten und pflegen die Sammlung alter Klausuren, welche die Studenten dort ausleihen und kopieren können. Und sie unterstützen die ausländischen Studenten bei ihrem Studium, indem sie eine spezielle Sprechstunde für sie anbieten. Karaulashvilis sagt: "Ich mag das einfach, anderen zu helfen." Und ganz nebenbei hat er eine Menge neuer Leute kennengelernt.

Raus aus der Anonymität

Prof. Ulf Müller von der Fachhochschule Schmalkalden hat das selbst auch so erlebt. Als Jura-Student war er lange Jahre in der Fachschaft in Münster aktiv. Später hat er seine Promotion zum Thema: "Die rechtliche Stellung der Fachschaften" verfasst. Er sagt: "Durch die Fachschaften findet man schnell eine nette Truppe. Außerdem kommt man aus der Anonymität der Massen-Uni heraus."

Das wohl schlagendste Argument für ein Engagement in der Fachschaft ist für ihn jedoch, dass es eine Möglichkeit ist, das Leben an der Universität mitzugestalten. "Wenn man nicht möchte, dass alles über den eigenen Kopf hinweg entschieden wird, muss man sich in der Fachschaft engagieren."

Er nennt auch ein praktisches Beispiel: An seiner Fachhochschule hat er als Professor zuletzt mit seinen Studenten diskutiert, ob im letzten Semester die Vorlesungen das ganze Semester über an zwei Tagen laufen sollen oder zu Beginn des Semesters geblockt. "Wenn die Fachschaft gut organisiert ist, dann können die in solchen Situationen mitentscheiden."

Nicht zur Fachschaft gehen sollte allerdings, wer in erster Linie in Kontakt mit den Professoren kommen will. "Das ist ein zweischneidiges Schwert", erklärt Prof. Müller. "Man lernt zwar die Professoren kennen. Da man als Vertreter der Studenten aber oft gegen sie agiert, können sie einen auch richtig auf dem Kieker haben."

Maria-Christina Scherzberg ist noch einen Schritt weiter gegangen als Karaulashvili und Müller. Seit Mai vergangenen Jahres sitzt die 23 Jahre alte Pharmaziestudentin im Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland. Das ist die Fachschaft der Pharmaziestudenten auf Bundesebene. Pro Tag wendet sie nun im Schnitt eine halbe Stunde für ihren ehrenamtlichen Job auf. Dazu kommen die Wochenenden, an denen sie oft zu Apothekerkongressen reist. Wenn es notwendig ist, hält sie schon einmal eine Rede auf dem Bundesapothekertag.

Scherzberg kann ihre Motivation in einem Satz zusammenfassen: "Die Sachen, die nicht gut funktionieren, will ich zumindest für die nächste Generation besser machen." Aber sie sieht auch, dass ihr Engagement ihr persönlich viel gebracht hat. "Ich habe nicht nur unglaublich viele nette Leute kennengelernt, sondern auch die eigenen Grenzen ausgetestet. Etwa wie belastbar ich neben dem Studium bin." Von dem Selbstbewusstsein, das eine gewonnene Wahl gibt, ganz zu schweigen.

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