Elite-Kandidaten:High-Tech und Hegel

Tübingens Traditions-Universität will die Geistes- und Naturwissenschaften enger verknüpfen.

Bernd Dörries

Vor einigen Wochen lief in den deutschen Kinos der Film "Requiem". In ihm geht es um ein Mädchen aus der Provinz, das zum Studium nach Tübingen kommt und dort - sehr vereinfacht gesagt - wahnsinnig wird. Sie wohnt in einem Studentenwohnheim mit dem Charme eines Plattenbaus, studiert fleißig und genießt manchmal den schönen Blick von den Hügeln. Der Film spielt in den siebziger Jahren, an dem dort gezeigten Bild aber hat sich wenig geändert. Nach Tübingen kommt man, um ernsthaft zu studieren, nicht um das wilde Großstadtleben kennen zu lernen.

Uni Tübingen

Elite-Kandidat: die Uni Tübingen

(Foto: Foto: dpa)

Tübingen mag eine schwäbische Provinzstadt sein, die viele Studenten am Donnerstagabend fluchtartig verlassen. Die Universität hingegen gehört zu den besten in Deutschland und genießt international ein hohes Ansehen. Jährlich kommen Tausende Austauschstudenten aus aller Welt.

Walter Jens nannte die Stadt, die auf ein Verhältnis von 83.000 Einwohnern und 24.000 Studenten kommt, einst die Gelehrtenrepublik am Neckar. Die Namen, die an der 1477 gegründeten Universität lehrten oder in Tübingen weilten, sind beeindruckend: Hegel, Hölderlin, Kepler. Und in den jüngeren Jahren: Ralf Dahrendorf, Hans Küng, Walter Jens, Theodor Eschenburg, Ernst Bloch und viele andere. Trotz dieser großen Namen verströmt Tübingen wenig Elitäres. Die Bauten der Fakultäten kann man größtenteils als zweckmäßig bezeichnen. In der Stadt herrscht eine ernsthafte Gemütlichkeit. Mit manchem Taxifahrer lässt sich durchaus über Schopenhauer diskutieren.

Es sind aber nicht allein die Geisteswissenschaften, die den guten Ruf der Universität begründen. Es ist schwer, unter den 14 Fakultäten einige besonders herauszuheben. Das Spektrum der Universität liegt von den Sprachen über die Naturwissenschaften bis zur Volkswirtschaft auf einem hohen Niveau.

In ihrer Bewerbung für das Exzellenzprogramm schreibt die Universität, man wolle nicht den Weg anderer Hochschulen gehen, die ihre Fächerpalette einschränken, um ihr Profil zu stärken. Das Profil von Tübingen soll die Vielfalt bleiben, es soll eine "horizontale Forschungsstruktur die bestehende vertikale Fakultätsstruktur ergänzen". Was man sich darunter vorstellen kann, zeigt das bereits länger bestehende Zentrum der Ethik in den Wissenschaften. Die Universität will mit solchen Projekten nach dem Motto "High-Tech und Hegel" Geistes- und Naturwissenschaften enger verknüpfen.

Damit dies nicht zu Lasten bestimmter Bereiche geht, könnte die Universität das Geld der Exzellenz-Initiative gut gebrauchen. Die Uni musste in den vergangenen Jahren, wie andere auch, Mittel und Stellen einsparen. Ein Teil konnte aber durch Drittmittel ersetzt werden, auch hier ist Tübingen deutschlandweit in der Spitzengruppe. Vom derzeitigen Gesamtetat der Universität von 327 Millionen Euro stammen 81 Millionen aus Drittmitteln.

Die größten Veränderungen gab es in den vergangenen Jahren bei den Naturwissenschaften und insbesondere der Medizin: Mehrere hundert Millionen Euro wurden in die Klinikgebäude investiert, zudem entstand ein neues Forschungszentrum für innovative Krebstherapie. Einigen Erfolg haben auch Start-up-Unternehmen der Biotechnologie gebracht.

Freilich gibt es weiterhin eine Menge zu bauen und zu renovieren in Tübingen. Viele Gebäude zeugen nicht von einer altehrwürdigen Universität, sondern sind schlichtweg nur alt.

Noch sehr jung sind dagegen die Teilnehmer der Vorlesungen für Schüler, die die Universität seit einigen Jahren mit großem Erfolg durchführt. Für die acht bis vierzehn Jahre alten Zuhörer stand in diesem Jahr die biologische Kybernetik mit der Frage "Warum sind Computer dumm?" auf dem Programm. Wenn man in Tübingen wohnt, ist es wirklich schwer, nicht zu studieren.

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