Einstellungstest:Muss man als Feuerwehrmann Rechtschreibung beherrschen?

Justizzentrum Magdeburg wegen verdächtiger Substanz geräumt

Wie es wohl um die Orthografiekenntnisse der beiden Männer steht?

(Foto: dpa)
  • In der nordspanischen Stadt Burgos haben gerade 38 von 62 Bewerbern beim Aufnahmetest der örtlichen Feuerwehr versagt.
  • Die Kandidaten hatten große Probleme mit der korrekten Rechtschreibung.
  • Bei ähnlichen Tests in Deutschland weisen immer wieder angehende Feuerwehrleute oder auch Polizisten Wissenslücken auf.

Von Thomas Urban und Martin Zips

"Workforce" nennt sich die Fotoserie des italienischen Fotografen Michele Borzoni. Eigentlich ist immer das Gleiche zu sehen: Hunderte junger Menschen stellen sich in Multifunktionshallen, Flugzeughangars oder Konferenzsälen gleichzeitig einem Auswahlverfahren. Mal sitzen da 3387 Interessenten der italienischen Luftwaffe, die sich in Guidonia auf 84 Offiziersposten bewerben, mal versuchen 2813 junge Leute in Florenz, einen von zwölf Erzieherjobs zu ergattern, mal interessieren sich 1099 Bewerber für eine einzige Stelle als Krankenschwester in Cremona. Und klar: Die meisten von ihnen scheitern leider. Zum Beispiel, weil sie die Rechtschreibung nicht gut genug beherrschen.

In der nordspanischen Stadt Burgos haben gerade 38 von 62 Bewerbern beim Aufnahmetest der örtlichen Feuerwehr versagt, wegen mangelhafter Orthografie. 60 Prozent. Das ist so gar nicht im Sinne der mächtigen gotischen Kathedrale dort, in der einst die kastilischen Könige gekrönt wurden. Muss man sich nun womöglich auch um die prächtige Altstadt Sorgen machen, mit all ihren Herbergen für die Pilger auf dem Jakobsweg?

Spanien diskutiert leidenschaftlich über die Angelegenheit. Bombero, Feuerwehrmann, das ist auch dort für viele Kinder ein Traumberuf. Das Wort kommt von bomba, also etwas, was kracht und blitzt und Feuer macht, somit Abenteuer und Action verspricht. Dabei ist die ursprüngliche Bedeutung des Wortes eher banal: bomba meint den Wassertank, den die Feuerwehren einst zur Brandstelle karrten.

Die Frage ist: Muss ein Bombero wirklich gut in Rechtschreibung sein? Und sind nicht viele dieser Eignungstests eigentlich willkürlich und weltfremd? Oder ist das spanische Bildungssystem am Ende so schlecht, dass es mehr als der Hälfte der hoch motivierten Bewerber keine Chance gibt, sich endlich ihren Kindheitstraum zu erfüllen? Bei der Feuerwehrdirektion wehrt man sich: "Im Ausland sind die Auswahlverfahren noch viel strenger."

Tatsächlich herrscht auch in Deutschland großes Wehklagen über die schreiberischen Defizite des Nachwuchses. So hat es das Bundeskriminalamt derzeit mit der Besetzung von 820 Stellen ausgesprochen schwer. Hauptgrund, nicht nur nach Meinung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter: der Rechtschreibtest im Auswahlverfahren.

Ein ähnliches Bild bietet sich bei der hessischen Polizei, wo gut jeder sechste Kandidat wegen sprachlicher Mängel durch den Einstellungstest fällt, zum Beispiel, weil er den Unterschied von "dass" und "das" nicht kapiert oder unsicher ist, welche Konsonanten im Wort "Karussell" zu doppeln sind. Auch die Feuerwehren in Gelsenkirchen und München klagen darüber, dass gar 80 bis 90 Prozent ihrer Bewerber - nicht zuletzt wegen mangelhafter orthografischer Kenntnisse - für den Dienst schlicht ungeeignet seien.

Wie schreibt man noch mal "Tabelliermaschine"?

Fast schon resigniert klang da jüngst die Antwort aus dem Innenministerium in Mainz auf die Frage eines Landtagsabgeordneten, wie es denn um das Niveau der Rechtschreibung beim Polizei-Einstellungstest bestellt sei: Nicht schlecht, hieß es. Allerdings dürfe sich der Nachwuchs in einem 150 Wörter umfassenden Test-Diktat auch bis zu 20 Fehler erlauben. Darf der rheinland-pfälzische Polizist also mehr als jedes achte Wort falsch schreiben?

Bei der Feuerwehr im nordspanischen Burgos wurde nur ein einziges Mal auf einen Rechtschreibtest verzichtet. Das war im Jahr 2007, auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms, als die Feuerwehr über Nachwuchsmangel klagte, weil viele junge Männer am Bau den schnellen Euro machen wollten. Doch dann platzte die Immobilienblase, die Arbeitslosigkeit schnellte in die Höhe. Und mit der Krise kam das Diktat wieder.

Heute führt man in Spanien praktische Beispiele für den Sinn solcher Rechtschreibprüfungen an: Wäre es nicht fatal, wenn ein Feuerwehrmann einen Straßennamen falsch schriebe oder in einer brennenden Bibliothek nicht herausfinden könnte, wo wertvolle Bestände lagern? Zur besseren Meinungsbildung druckte die örtliche Presse einige Aufgaben ab. Beispielsatz eines Diktates, welcher, ins Deutsche übertragen, ungefähr so klänge: "Mehrere Bewohner des Hauses haben größere Mengen Qualms eingeatmet und Rauchvergiftungen erlitten, so dass sie stationär behandelt werden mussten." Heißt es, könnte sich der ein oder andere Bewerber nun fragen, nicht doch "stazionär"? Hinzu kamen allerlei Multiple-Choice-Aufgaben mit Begriffen aus dem Alltag der Brandschützer: "Tabelliermaschiene"? "Tabeliermaschiene"? "Tabeliermaschine"? Oder "Tabelliermaschine"?

Peinlich für die Bewerber: Die Direktion der Feuerwehr von Burgos gab einige besonders süffige Kostproben aus den Tests zum Besten. Ein Großteil der Fehler beruhte auf der Verwechslung von B und V, die vielen Spaniern immer wieder unterläuft. Das spanische B - wer weiß das nicht? - ist kein Explosivlaut wie im Deutschen, sondern ganz weich und lang, ausgesprochen fast wie ein deutsches W. Also folgten im Internet bald sehr lustige Kommentare über "Vurgos" und seine "Vomveros".

Doch irgendwann regten sich die Kommentatoren vor allem über ihre Bildungspolitiker auf: Schließlich wüsste man seit den Zeiten Don Quijotes vom B-V-Problem! Wenigstens geht es in anderen spanischen Städten deutlich entspannter zu. So fließt in Madrid die Rechtschreibung zwar in die Gesamtwertung mit ein, doch ein missratenes Diktat muss nicht unbedingt die Karriere auf der Feuerwehrleiter zerstören. Am Ende sollen hier die Prüfer analysieren, ob Fehler so gravierend sind, dass sie Verständnis oder Orientierung unmöglich machen - oder nicht.

Wie gesagt: Spanien ist mit dem Problem nicht allein. Wir leben ja in Zeiten der weltweiten Autokorrektur auf dem Smartphone. Offensiven wie die der Baden-Württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) scheinen da umso wichtiger zu sein. In einem Brandbrief forderte sie dieser Tage, Grundschulen sollten wieder mehr Wert auf die Orthografie ihrer Schüler legen.

In einer Agentur-Meldung zu dem Thema heißt es, Frau Eisenmann habe hier eine sofortige "Kurkorrektur" gefordert. Wahrscheinlich war damit "Kurskorrektur" gemeint.

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