Diversity Management:"Ich will mich selbst überflüssig machen"

Veronica Schilling, Global Diversity Managerin der Allianz, erklärt, warum Frauenförderung in Deutschland nötig ist - und sie ihren Job nicht ewig machen will.

M. Holzmüller

Viele Bevölkerungsgruppen - ein Problem: Immer wieder wird beklagt, dass es zu wenige Frauen in Führungspositionen gibt, zu wenige Migranten in Deutschland Karriere machen und ältere Arbeitnehmer benachteiligt werden. Um diese Missstände zu beheben stellen Unternehmen Diversity Manager ein. Veronica Schilling kommt ursprünglich aus Malaysia und ist Global Diversity Manager der Allianz. Im Interview spricht sie über ihren Arbeitsalltag, überflüssige Anfragen und ihre wahren Ziele.

Veronica Schilling

Veronica Schilling stammt aus Malaysia und ist

Global Diversity Manager

der Allianz. Sie sorgt dafür, dass alle Bevölkerungsgruppen im Unternehmen repräsentiert sind und sich dort auch wohl fühlen. Sie vermittelt zwischen dem Management und den Angestellten und weist darauf hin, welche Gruppen - seien es Frauen, Behinderte oder Angehörige einer bestimmten Ethnie - speziell gefördert werden sollten. Zu den Maßnahmen gehört auch, herauszufinden, welche Bedürfnisse beispielsweise Mütter oder Väter haben und unternehmensintern darauf zu reagieren.

(Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Welche Frage beschäftigt Sie in Ihrem Beruf am meisten?

Veronica Schilling: Die grundlegende Frage ist immer: Wie integrieren wir jemanden - sei es ein Weißer, ein Schwarzer, eine Frau, ein Mann oder ein Behinderter - in den Kreis des Unternehmens. Niemand soll sich ausgeschlossen fühlen. Alle Bevölkerungsgruppen sollen in ihrer Vielfalt innerhalb des Unternehmens zu finden sein - und sie sollen sich wohlfühlen.

sueddeutsche.de: In welchen Unternehmensbereichen ist Diversity Management wichtig?

Schilling: Das geht vom Recruiting bis hin zum Speiseplan der Kantine. Um wirklich allen gerecht zu werden, reicht es nicht aus, nur ein vegetarisches Gericht anzubieten. Wir brauchen auch Speisen ohne Schweinefleisch, ohne Ei oder vegan.

sueddeutsche.de: Kommen die Angestellten auch mit konkreten Vorschlägen auf Sie zu?

Schilling: Ständig. Ich muss mich dann immer wieder fragen, was wirklich sinnvoll für das Unternehmen ist. Ein Bild an der Wand auszutauschen, nur weil darauf nur Männer und keine Frauen zu sehen sind, geht doch zu weit.

sueddeutsche.de: Welche Bevölkerungsgruppen müssen derzeit am meisten gefördert werden?

Schilling: Wir haben vor einiger Zeit angefangen, Behinderte zu fördern. Bestimmte Jobs können von Leuten mit bestimmten Behinderungen sehr gut ausgeübt werden. Blinde sind beispielsweise in unseren Callcentern sehr erfolgreich, weil sie gut zuhören können. Diese Stellen versuchen wir weltweit auch an Behinderte zu vermitteln. Aber hier in Deutschland ist im Moment die Frauenförderung noch immer das heißeste Thema. Wir wollen auch Väter fördern. Wenn in der Führungsetage immer nur Männer sitzen, deren Frauen sich zu Hause um die Kinder kümmern, dann werden sie nie einen Aufsteiger akzeptieren, der auch mal eher geht, weil er seine Kinder vom Kindergarten abholt.

sueddeutsche.de: Was halten Sie von der Frauenquote, wie sie die Telekom vor kurzem eingeführt hat?

Schilling: Quoten haben ihre Vorteile, weil sich vordergründig schnell ein Erfolg abzeichnet, aber sie mindern auch die Qualität. Es ist nicht überzeugend, eine Frau einzustellen, nur weil sie eine Frau ist. Es muss immer darum gehen, den besten Bewerber für eine Stelle auszuwählen. Deshalb nähern wir uns dem Problem von unternehmerischer Seite und bauen unseren Talentepool aus. Unser Ziel sind ebenfalls 30 Prozent Frauenanteil auf Führungsebene - um das zu erreichen, geben wir uns Zeit bis 2015. So wird nichts erzwungen, sondern das System kann sich anpassen und ändert sich von Grund auf.

sueddeutsche.de: Wie wollen sie die 30 Prozent Frauenanteil erreichen?

Schilling: Wir müssen Frauen ermutigen, und wir müssen auf weibliche High-Performer aufmerksam werden. Frauen arbeiten oft unter dem Radar. Obwohl sie fähig, qualifiziert und fleißig sind, bleiben sie oft unsichtbar und werden deshalb bei Beförderungen nicht berücksichtigt. Das wollen wir ändern. Wir bieten deshalb spezielle Mentoring-Programme oder Diskussions-Veranstaltungen mit unseren Top-Managerinnen an, in denen Frauen auch lernen, wie man ein funktionierendes Netzwerk entwickelt.

"Ich weiß, wie es ist, wenn man sich ausgeschlossen fühlt""

sueddeutsche.de: Für Frauen haben Sie den Zielwert 30 Prozent. Gibt es auch für andere Bevölkerungsgruppen Zielwerte?

Schilling: Nein, es reicht nicht aus, irgendwelche Zahlen festzulegen. Auf lange Sicht müssen wir die Denkweisen der Verantwortlichen ändern. Diversity Management sollte so selbstverständlich werden, dass es dafür keine extra Stelle mehr geben muss. Jeder Manager sollte selbst erkennen, welche Bedürfnisse in seinem Team bestehen und welche Leute er benötigt. Ich arbeite daran, mich überflüssig zu machen.

sueddeutsche.de: Stoßen Sie mit Ihren Vorschlägen auch auf Widerstände innerhalb des Unternehmens?

Schilling: Natürlich. Mit meinen Vorschlägen, beispielsweise zur Einführung eines Gebetsraums für Muslime oder zur Förderung älterer Arbeitnehmer, fordere ich die gewohnten Denkweisen der Leute heraus, manche fühlen sich dadurch angegriffen. Es braucht Zeit, sie zu überzeugen. Ich versuche einfach, die Diskussion wach zu halten.

sueddeutsche.de: Wie sind Sie selbst zum Diversity Management gekommen?

Schilling: Ich habe eine persönliche Leidenschaft für dieses Thema. Ich komme ursprünglich aus Malaysia und weiß, wie es ist, wenn man sich ausgeschlossen fühlt. Ich ging auf eine Schule, auf der neunzig Prozent der Schüler Chinesen waren. Manche von ihnen haben mich akzeptiert und wurden meine Freunde, aber andere haben mich immer ignoriert. Mich hat das eher motiviert, noch besser zu werden in allem was ich tat. Und jetzt arbeite ich dafür, dass in unserem Unternehmen niemand das Gefühl hat, ausgeschlossen zu werden.

sueddeutsche.de: Aus Malaysia kommend: Wie schätzen Sie den Stand der beruflichen Gleichberechtigung in Deutschland ein?

Schilling: In Malaysia ist es völlig normal, dass Frauen arbeiten und trotzdem Karriere machen, die Situation dort ist ähnlich wie in Skandinavien. Deshalb fand ich es am Anfang in Deutschland befremdlich, dass so viel über dieses Thema diskutiert wurde und Frauen noch immer drei Jahre Elternzeit nehmen. In Malaysia sind drei Monate üblich. Ich glaube aber, dass Deutschland in ein paar Jahren große Fortschritte gemacht haben wird. Dafür muss die Diskussion allerdings weg von der alleinigen Frage nach der Kinderbetreuung. Damit gibt man den Frauen das Gefühl, Kind und Karriere nicht vereinbaren zu können. Dabei sollte es eigentlich für alle normal sein, Mutter zu sein und trotzdem zu arbeiten.

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