Deutsche Universitäten:Rüsten für den Ansturm

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Der doppelte Abiturjahrgang und das Aussetzen der Wehrpflicht im kommenden Jahr stellen die Unis in Deutschland vor eine Herausforderung. Es werden bis zu 60.000 zusätzliche Studenten erwartet.

Tanjev Schultz

Die Rektoren der Hochschulen sorgen sich um die Weltoffenheit Deutschlands. "Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem sich Studierende und Wissenschaftler aus dem Ausland willkommen fühlen", sagte Margret Wintermantel, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), am Dienstag im Anschluss an eine HRK-Tagung. Die Türen der Universitäten seien offen für alle Talente; Religion oder ethnische Herkunft dürften dabei keine Rolle spielen.

Den Universitäten in Deutschland droht im kommenden Jahr ein zusätzlicher Ansturm von Studenten. (Foto: dpa)

Die Rektoren schalteten sich auch mit konkreten Forderungen in die Debatte über Integration und Einwanderung ein: Doktoranden und Studenten aus dem Ausland sollten nach ihrem Abschluss in Ruhe eine Stelle suchen können, die Regeln für ein nachzuweisendes Mindesteinkommen müssten gelockert werden, verlangte die HRK, in der die deutschen Hochschulen zusammengeschlossen sind.

Derzeit müssen Ausländer aus Staaten außerhalb der EU mindestens 66.000 Euro im Jahr verdienen, um sich in Deutschland niederlassen zu können. Die Mobilität von Wissenschaftlern werde zudem durch Regelungen des Beamten- und Sozialversicherungsrechts erschwert, beklagten die Hochschulchefs. So gäbe es Probleme, wenn Professoren ihre Versorgungsleistungen von einem Land in ein anderes mitnehmen wollten. "Ohne intensiven internationalen Austausch würde die akademische Welt verarmen", warnte Wintermantel.

Bildungspolitiker und Uni-Vertreter mahnten am Dienstag auch einen stärkeren Ausbau der deutschen Hochschulen an. Durch die geplante Aussetzung der Wehrpflicht könnten im kommenden Jahr Zehntausende junge Menschen zusätzlich an die Hochschulen strömen. Der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU), nannte die Zahl von bis zu 50.000 zusätzlichen Bewerbern. Eine Prognose des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin rechnet mit bis zu 60.000 zusätzlichen Bewerbern.

Die Hochschulrektoren verwiesen darauf, dass außerdem durch die Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre im kommenden Jahr etwa in Bayern zwei Abitur-Jahrgänge gleichzeitig aus den Schulen an die Universitäten drängen werden. Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen, Kai Gehring, appellierte an Bund und Länder, den "Hochschulpakt", durch den neue Studienplätze geschaffen werden, entsprechend zu überarbeiten.

Die Rektoren warben unterdessen auch für den Aufbau einer nationalen "Akademie für Lehre und Lernen". Diese solle "gute Lehre in der Breite fördern" und dazu beitragen, die Studienbedingungen zu verbessern. Die Akademie soll Dozenten für gute Lehre auszeichnen und Forschungsprojekte zur Didaktik der Hochschullehre finanzieren.

Nach Vorstellungen der Rektoren könnte die Akademie aus den Mitteln des "Qualitätspakts" finanziert werden, auf den sich Bund und Länder im Grundsatz bereits verständigt haben. Die Bundesregierung will den Hochschulen dafür bis 2020 insgesamt zwei Milliarden Euro bereitstellen.

© SZ vom 20.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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