Der erste Job:Am Rand des Haifischbeckens

Jossi Smuskovics ist sein eigener Chef als Ladenbesitzer und Makler - doch das BWL-Studium hält er heute für reine Zeitverschwendung.

Katrin Jurkuhn

(SZ vom 24.10.2001) Wenn es nach Jossi gegangen wäre, hätten es die Backstreet Boys wahrscheinlich nicht so weit gebracht. "Ich wollte mein Gesicht auf MTV sehen", sagt er, "als Mitglied einer Boygroup." Und mit verschwörerischem Blick verrät er: "Ich konnte immer schon gut tanzen. Und man sagt mir nach, ich hätte das perfekte Gehör." Aber weil Jossi Smuskovics als Sohn russisch-jüdischer Immigranten in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, wurde nichts aus dem Traum von der Pop-Karriere. "Für solche Spinnereien war wenig Platz", sagt er.

Ladenbesitzer

Geschäftsführer Jossi bei der Arbeit: "Ich packe genauso mitan wie meine Angestellten."

(Foto: Foto: David Ausserhofer)

Stattdessen ist der 31-Jährige heute Geschäftsführer der "Jeans Factory" in Berlin und sein eigener Chef im Unternehmen, das die Eltern aufgebaut haben. Mit 14 Jahren verkaufte Jossi die ersten Jeans - "das war ganz selbstverständlich". Neben der Schule und dem Studium verbrachte er jede freie Minute zwischen Lederjacken, Sommerhemden und T-Shirts im Geschäft der Eltern. "Der Zusammenhalt war und ist sehr stark", sagt er. Trotz der materiellen Enge in Jossis Jugend war es der Wunsch seiner Mutter, dass er studierte. "Mein Vater hat sich aus der Sache herausgehalten", sagt Jossi, "aber ich glaube, er wusste damals schon, dass es nicht die beste Lösung für mich war."

Ernüchterung

Weil sich die Chance auf eine Karriere als Popstar inzwischen erledigt hatte und Jossi viel lieber Devisenspekulant werden wollte, studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin. "Geld war immer ein Riesenthema für mich", sagt Jossi. Das Studium war für ihn allerdings "eine absolute Ernüchterung". Eine Betreuung durch die Dozenten fand nahezu nicht statt, überfüllte Hörsäle und eine schlecht ausgestattete Bibliothek erschwerten das Arbeiten. "Die Systeme und Theorien waren zum Teil völlig veraltet", sagt Jossi. "Papierberge voller Zahlen und Kurven - aber keinen Praxisbezug."

Jossi schloss sein Studium 1997 als Diplom-Kaufmann ab und stieg danach ganz ins elterliche Textilgeschäft ein. "Aber der Job macht mir bis heute nicht wirklich Spaß", sagt er, "der einzige Antrieb ist der Verdienst." Deshalb würde er heute auch nicht wieder studieren - zumindest nicht an einer deutschen Hochschule. "Ich hätte mich gleich aufs Geldverdienen konzentrieren sollen", sagt er. "Das Studium war reine Zeitverschwendung. "

Umorientierung

Aber es gibt da doch etwas, das Jossi Smuskovics großen Spaß macht: Seit einiger Zeit versucht er sich im Immobiliengeschäft. "Das ist eine ganz andere Ebene", schwärmt er. "Du bist nicht mehr Verkäufer, sondern Käufer, Auftraggeber. Du verteilst das Geld." Mit seinem Partner, einem "Freund aus Kindertagen", wie Jossi sagt, sucht er seinen Weg aus der Textilbranche. "Wir müssen uns umorientieren. Als kleiner Betrieb im Einzelhandel kann man sich heute kaum noch halten. Die großen Unternehmen machen alles platt."

Seit sein Partner mit dem ersten Immobilienangebot an ihn herantrat, ist Jossis Tag zweigeteilt: Morgens pendelt er zwischen Banken, Architekten und Baustellen hin und her, nachmittags kümmert er sich um seinen Jeansladen. Bei den Immobilien handelt es sich um zwei Villen und zwei Mietshäuser. "Wir kaufen, entwickeln und halten den Bestand", erklärt Jossi. "Das nennt man Vermögensaufbau, glaube ich." Und den betreibt er mit viel Leidenschaft: "Es bewegt sich was in meinem Leben. Die Immobilien sind für mich eine massive Bereicherung."

Beim neuen Standbein, dem Immobiliengeschäft, gibt es auch endlich Verbindungen zu dem, was Jossi an der Uni gelernt hat. Und deshalb ist er in Bezug auf seine Kompetenzen auch ganz zuversichtlich: "Das ist ein ganz großes Haifischbecken. Aber damit komme ich klar." Na dann: Petri Heil.

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