Debatte um W-Besoldung:Professoren mit Niedriglohn

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Abgesenktes Grundgehalt, üppige Zulagen: Stellt die seit einigen Jahren gültige W-Besoldung der Professoren eine Art Umverteilung zwischen Spitzenkräften und Fußvolk dar? Die Mehrheit der Verfassungsrichter in Karlsruhe scheint die Reform kippen zu wollen - vor allem wegen des stark gekürzten Grundgehalts, das in manchen Fällen unter 4000 Euro liegt.

Wolfgang Janisch

Gut drei Stunden lang hat das Bundesverfassungsgericht vor kurzem über die Verfassungsmäßigkeit der neuen Professorenbesoldung verhandelt - am Ende schien der Ausgang des Verfahrens klar zu sein: Karlsruhe wird die Reform wohl kassieren. Zu bohrend waren die Nachfragen der Richter, zu unverblümt ihre Kritik an der seit 2005 geltenden W-Besoldung.

Juniorprofessoren ohne Habilitation finden sich in der Besoldungsstufe W1, W3-Professoren haben meist einen Lehrstuhl, W2-Professoren nicht. (Foto: N/A)

Nicht weil sie Leistungskomponenten enthält, auch nicht weil damit der automatische Geldzuwachs mit zunehmendem Dienstalter abgeschafft wurde. Sondern weil mit dem Modell das Grundgehalt - also der einzig sichere Bestandteil der Besoldung - um 25 Prozent im Vergleich zur früheren, jetzt auslaufenden C-Besoldung abgesenkt wurde.

Hessens Innenminister, Boris Rhein (CDU), der Innenstaatssekretär des Bundesinnenministeriums, Christoph Bergner, sein juristischer Beistand, Ralf Brinktrine: Sie alle gerieten regelrecht ins Kreuzverhör. Es war die Stunde der rhetorischen Fragen von der Richterbank.

Udo Di Fabio wollte wissen, ob der Hinweis der Regierung, Hochschullehrer arbeiteten "selbstbestimmt", womöglich eine Rechtfertigung für den geringeren Lohn sein solle - weil er ja die Freiheit habe? Ob vielleicht auch die umfangreichere Vorbildung der Professoren als Argument für niedrige Bezahlung dienen könne, fragte, nicht weniger ironisch, Peter Michael Huber.

Auch Rudolf Mellinghoff setzte nur der Form halber ein Fragezeichen, wo er wohl ein Ausrufezeichen meinte: Ob es den Reformern nicht schlichtweg darum gegangen sei, den früheren Deckel auf der C-Besoldung zur Anwerbung der Spitzenkräfte wegzunehmen - und das Geld dafür bei den übrigen Professoren abzuzweigen? Denn Leistungszulagen können nun im W-System von wenigen Euro bis zu mehreren Tausend Euro reichen, wenn etwa ein Top-Forscher angelockt oder gehalten werden soll.

"Jeder kann sich qualifizieren"

Zwar war das Meinungsbild auf der Richterbank keineswegs einhellig. Gertrude Lübbe-Wolff, selbst Professorin in Bielefeld, wollte sich der Aufregung über das so geringe Grundgehalt nicht recht anschließen, da die Zulagen leicht erreichbar seien: "Jeder, der will, kann sich überdurchschnittlich qualifizieren." Dennoch schien die Mehrheit im Senat die Reform kippen zu wollen.

Wie das Urteil im Detail aussehen wird und welche Wirkungen es entfalten kann, ist noch nicht ausgemacht. Das liegt vor allem daran, dass das Gericht bei der Beamtenbesoldung stets den "weiten Einschätzungsspielraum" des Gesetzgebers betont und fast nie auf eine Verletzung des beamtenrechtlichen "Alimentationsprinzips" erkannt hat - einmal abgesehen von den 1998 zuerkannten Zuschlägen für kinderreiche Beamte. Alimentationsprinzip bedeutet, dass der Staat als Dienstherr seine Beamten angemessen versorgt.

Universitäts-Ranking
:Harvard stürzt vom Thron

Ausgerechnet eine kleine, stark spezialisierte Universität verdrängt das altehrwürdige Harvard in einem weltweiten Vergleich der Hochschulen vom Spitzenplatz: das California Institute of Technology. Deutsche Universitäten kommen in dem "Times-Higher-Education"-Ranking nur selten vor. Immerhin schaffte es eine unter die Top 50.

Der Senat wird einen Spagat vollführen müssen: Einerseits muss die Rechtsprechung zur Beamtenbesoldung wieder Biss bekommen - andererseits kann man den oft betonten Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers nicht einfach übergehen. Der Gesetzgeber wollte die altbackene Dienstalterbesoldung durch ein international wettbewerbsfähiges System ersetzen.

Drei Stunden Verhandlung: Die Richter des Bundesverfassungsgerichts hatten viele Fragen zur W-Besoldung für Professoren - es scheint, als würden sie die Reform wohl kassieren. (Foto: dapd)

Richter Michael Gerhardt möchte ihm durchaus Raum zum Experimentieren einräumen - ihm dabei jedoch Pflichten auferlegen. Die neuen Besoldungsregeln müssten auf ihre Wirkung überprüft und bei möglichen Verzerrungen nachjustiert werden. Auch Voßkuhle sprach von einer "Inpflichtnahme" des Gesetzgebers - weil sich das Gericht nun mal schwertue, einen fixen Maßstab zur Gehaltshöhe zu nennen, von konkreten Zahlen ganz zu schweigen.

Was er damit meinte, deutete er mit dem Hinweis auf das Hartz-IV-Urteil vom Frühjahr 2010 an, was freilich keine billige Anspielung auf das geringe Professorengehalt sein sollte. Auch bei Hartz IV, so das Gericht damals, lasse sich die Höhe des Anspruchs nicht konkret aus dem Grundgesetz ableiten, der Gesetzgeber habe vielmehr einen breiten Spielraum, das Gericht beschränke sich auf die Kontrolle "evidenter" Überschreitungen. Allerdings müsse der Hartz-IV-Satz in einem rationalen Verfahren ermittelt werden - auf der Grundlage "verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsgrundlagen".

Erste Zahlen waren bereits in der Verhandlung auf den Tisch gelegt worden. Martin Beck vom Statistischen Bundesamt erläuterte, dass W-2-Professoren, was ihr Einkommen betreffe, in nennenswertem Ausmaß von den Akademikern in der freien Wirtschaft überholt werden.

Und sein Kollege Sebastian Koufen zeigte, wie die neuen Hochschullehrer im Quervergleich der Beamten liegen: Das Durchschnittsgehalt eines W-2-Professors betrage (inklusive Zulagen) gut 5300 Euro. Damit liege er etwas über dem Realschulrektor oder dem Amtsrichter.

Reformanstöße aus Karlsruhe?

Stellt man freilich allein auf das Grundgehalt ab - etwa 15 Prozent der W-2-Professoren liegen gar nicht oder nur um wenige hundert Euro darüber -, dann ist die Vergleichsgruppe eher bei den Studienräten und Regierungsräten zu suchen. Dass weder Voßkuhle noch Di Fabio, der eine Professor in Freiburg, der andere in Bonn, weisungsabhängige Beamte als Vergleichsgruppe für das verantwortungsbeladene Amt des Hochschullehrers gelten lassen wollen, wurde in der Verhandlung überdeutlich.

So könnte am Ende des Verfahrens ein Auftrag an den Gesetzgeber stehen: nämlich das System der Professorenbesoldung zu überarbeiten und vor allem in Einklang mit der übrigen Beamtenbesoldung zu bringen. Dabei mag auch das Streikverbot für Beamte eine Rolle spielen, das letztlich durch eine angemessene Besoldung legitimiert ist. Ein Verbot, das übrigens 2008 durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Frage gestellt worden ist.

Jedenfalls könnte der Auftrag aus Karlsruhe zugleich der Auftakt weiterer Reformanstöße sein: Auch die allgemeine Beamtenbesoldung sowie die Richterbesoldung stehen bereits auf der Karlsruher Agenda. Potentiell betroffen sind fast 1,7 Millionen Beamte und Richter sowie 185.000 Soldaten. Deshalb wird die entscheidende Frage sein: Wie konkret fallen die Karlsruher Vorgaben aus - und wie teuer werden sie?

Udo Di Fabio jedenfalls fragte die vorgeblich um die Stärkung der Wissenschaft bemühten Reformer, warum sie eigentlich keine richtige Reform angepackt hätten: "Wäre es nicht naheliegender gewesen, mehr Geld ins System zu stecken?"

© SZ vom 24.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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