Datenschutz am Arbeitsplatz:Mein Chef, der Spion

Spitzel, Wanzen, Software, Computerüberwachung: An deutschen Arbeitsplätzen wird mehr spioniert, als viele Angestellte vermuten. Was der Chef darf und womit er sich strafbar macht.

Verena Wolff

Big Brother im Büro: Die Videokamera im Pausenraum, die mitgeschnittenen Telefongespräche - Angestellte werden häufiger überwacht, als viele sich vorstellen können. Zahlreiche Skandale in den vergangenen Monaten und Jahren haben das ans Licht gebracht. Die Begründung der Unternehmen: Korruptionsbekämpfung und auch das Sammeln von Daten zu diversen anderen Zwecken. Dabei gilt in Deutschland ein vergleichsweise strenges Datenschutzgesetz. Doch bislang ist nicht klar geregelt, welche Daten Firmen über ihre Mitarbeiter und Bewerber erheben dürfen - selbst in der Rechtsprechung ist keine eindeutige Linie zu erkennen. Klar ist allerdings, was Unternehmen nicht dürfen. Ein Überblick:

Datenschutz am Arbeitsplatz: An öffentlichen Plätzen ist Videoüberwachung inzwischen gang und gäbe - mit dem entsprechenden Hinweis an die Überwachten.

An öffentlichen Plätzen ist Videoüberwachung inzwischen gang und gäbe - mit dem entsprechenden Hinweis an die Überwachten.

(Foto: ag.dpa)

Darf ein Unternehmen von einem Bewerber eine ärztliche Untersuchung bei oder nach der Bewerbung fordern?

Der Arbeitgeber darf Einstellungen von dem Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung abhängig machen. Allerdings gelten enge Grenzen, "weil Gesundheitsdaten hochsensible Daten sind", sagt Arbeitsrechtler Bert Howald aus Stuttgart. Einstellungsuntersuchungen sind deshalb nur bei bestimmten Berufen zulässig. "Selbst innerhalb eines Unternehmens kann es daher sein, dass für einzelne Berufsbilder Tests zulässig sind, für andere aber nicht", sagt Rechtsanwalt Stephan Schmidt aus Mainz.

Arbeitgeber dürfen etwa Piloten, Busfahrer oder schwer arbeitende Möbelpacker zu einer Einstellungsuntersuchung schicken um herauszufinden, ob ein Bewerber den Anforderungen gewachsen ist. "In der Lebensmittelbranche sind Gesundheitstest sogar gesetzlich vorgeschrieben", so Schmidt. In bestimmten Berufen in der Chemie- oder Medizinbranche seien auch Untersuchungen auf Allergien möglich. "Dies gilt aber schon nicht mehr für Verwaltungsangestellte im gleichen Unternehmen."

Der Arbeitgeber dürfe keine "Rundum-Untersuchung" verlangen, wenn es etwa nur darum gehe herauszufinden, ob der Bewerber in der Lage ist, längere Zeit zu stehen. Howald betont indes, dass das Interesse des Arbeitgebers an den Daten gegen das Interesse des Arbeitnehmers abgewogen werden muss. "Arbeitgeber dürfen Bewerber medizinisch nicht 'ausforschen', sie müssen sich eng am Zweck der Untersuchung entlang bewegen."

Bluttests seien grundsätzlich problematisch, da über sie auch Genuntersuchungen möglich sind, sagt Anwalt Schmidt. "Solche Tests dürfen daher nur in Ausnahmefällen und nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen gemacht werden." Wenn ein Bewerber die Einwilligung zu einem solchen Test verweigert und darum den Job nicht bekommt, kann er dagegen klagen. Howald weist darauf hin, dass der Arbeitgeber im Regelfall nur die Mitteilung des untersuchenden Arztes bekommt, ob der Bewerber geeignet ist oder nicht. "Welche medizinischen Befunde im Einzelnen erhoben wurden, erfährt der Arbeitgeber nicht."

E-Mail- und Telefonüberwachung

Darf der Chef E-Mails lesen?

Ob eine Firma die E-Mails ihrer Angestellten einsehen darf, hängt davon ab, wie die E-Mail-Nutzung in der Firma geregelt ist. Wenn die private Nutzung grundsätzlich untersagt ist, sind alle E-Mails wie normale Geschäftsbriefe zu behandeln, "dann darf der Arbeitgeber sie einsehen", sagt Schmidt. Denn: ein Angestellter darf im Fall einer solchen Regelung keine privaten E-Mails schreiben - daher sollten sich in seinem im Postfach keine privaten Inhalte finden.

Ist die private Nutzung der dienstlichen E-Mail-Adressen jedoch gestattet oder wird sie über einen längeren Zeitraum geduldet, darf der Arbeitgeber keinen Zugriff auf diese E-Mails nehmen. Die Regelung zur Nutzung von E-Mails ist allerdings oft nicht klar gestaltet, sagt Arbeitsrechtlerin Valentine Reckow aus Berlin: Die Bestimmung kann sich aus einer Dienstanweisung, aus einer Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber oder - eher selten - direkt aus dem Arbeitsvertrag ergeben. "Leider gibt es gerade in kleineren und mittleren Unternehmen selten klare Regelungen."

Umstritten ist, inwieweit Unternehmen systematisch untersuchen dürfen, ob Mitarbeiter private Mails verschicken - also das Auslesen von Mailadressen und Betreffzeilen rechtens ist. Rechtsanwalt Howald betont, dass private E-Mails dem sogenannten Telekommunikationsgeheimnis unterliegen. Allerdings gibt es Ausnahmen: "Nach Auffassung vieler Juristen dürfen Arbeitgeber bei begründetem Verdacht des Verrats von Geschäftsgeheimnissen oder beim Verdacht von Straftaten private E-Mails lesen", so Howald. Gerichte tendierten dazu, die Verwertung des Inhalts privater E-Mails in Prozessen zuzulassen. "Der Arbeitnehmer kann sich also beispielsweise in Kündigungsprozessen nicht darauf verlassen, dass seine Äußerungen in privaten E-Mails im Prozess tabu sind."

Dürfen die Telefone in Unternehmen abgehört werden?

Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber weder private noch dienstliche Telefonate mithören darf. "Es gilt das Recht am eigenen Wort", sagt Rechtanwältin Reckow. Selbst, wenn sich der Arbeitnehmer über eine klare Dienstanweisung hinwegsetze und verbotenerweise telefoniere, dürfe ihn sein Arbeitgeber nicht abhören. "Aber: Der Arbeitnehmer riskiert mindestens eine Abmahnung, wenn nicht sogar eine Kündigung."

Auch bei dieser Bestimmung gibt es allerdings Ausnahmen: "Manche Arbeitgeber holen von ihren Mitarbeitern das Einverständnis dazu ein, Telefonate zur Qualitätssicherung mithören zu dürfen, beispielsweise in Call-Centern", sagt Howald. "Diese Art der Telefonüberwachung ist grundsätzlich möglich, sofern die Regeln eingehalten werden." Daneben ist das Mitschneiden oder Mithören eines Telefonats nur in besonders eng definierten Fällen erlaubt, wie Jurist Schmidt sagt: "Dazu gehört zum Beispiel der Verdacht einer schweren Straftat, wenn die sich nicht anders beweisen lässt."

Außerdem ist es möglich, im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu regeln, dass die reinen Nutzungsdaten, also Datum, Uhrzeit und Dauer des Gespräches, erfasst werden.

Kameras und Bespitzelung

Darf der Chef am Arbeitsplatz Kameras installieren?

Anwältin Reckow beschreibt das Problem, das bei vielen der Überwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz herrscht: "Weder kann man sagen, dass sie am Arbeitsplatz generell verboten ist, noch, dass sie grundsätzlich erlaubt ist."

Das gilt auch für die Videoüberwachung. Es kommt, wie meist in der Rechtsprechung, auf den konkreten Fall an. "In Kaufhäusern oder Läden installierte Videokameras zur Verhinderung von Diebstählen dürfen nicht zur allgemeinen Überwachung von Mitarbeitern eingesetzt werden", erläutert Howald. Aber: Ein Arbeitgeber darf bei dringendem Verdacht einer Straftat verdächtige Mitarbeiter heimlich überwachen. Wichtig allerdings: Ist die Tat aufgeklärt und der Täter gefasst, muss die Kamera wieder abgebaut werden.

Zulässig ist die Installation von Kameras auch dann, wenn das Unternehmen "ein berechtigtes Interesse an den Überwachungsmaßnahmen hat", sagt Anwalt Schmidt. Das gelte etwa für sicherheitsrelevante Bereiche eines Firmengeländes. Wenn der Arbeitgeber eine Videoüberwachung einführen will, dann hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, sagt Anwältin Reckow. In vielen Betrieben gibt es daher als Grundlage für den Kameraeinsatz eine mit dem Betriebsrat ausgehandelte Betriebsvereinbarung.

Absolut tabu sind Videokameras in privaten Bereichen wie Teeküchen, Umkleidekabinen oder Toiletten, betonen die Juristen. Auch das durch eine Überwachung eventuell resultierende Anlegen von Mitarbeiterprofilen mit persönlichen Äußerungen, Neigungen, Freizeitaktivitäten, Krankheiten und ähnlichem ist nicht zulässig, wie Anwalt Howald sagt.

Darf der Arbeitgeber außerhalb der Firma Mitarbeiter oder deren Familien bespitzeln?

Kein Arbeitgeber hat das Recht, die Familien seiner Mitarbeiter zu bespitzeln. Allerdings: Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten bringt es mit sich, dass darunter auch sehr sensible Daten sind, sagt Anwältin Reckow. Sie betreffen den Privatbereich der Arbeitnehmer und lassen Rückschlüsse auf persönliche Lebensumstände zu. "Daten etwa über ethnische Herkunft, politische Ansichten, Religion, Gewerkschaftszugehörigkeit, sexuelle Orientierung oder Gesundheit stehen unter dem besonderen gesetzlichen Schutz", betont die Juristin.

Es gibt nur ganz enge Grenzen, in denen die Daten ohne Einwilligung des Betroffenen erhoben werden dürfen - etwa, wenn dies zum Schutz lebenswichtiger Interessen des Betroffenen erforderlich ist.

Manche Arbeitgeber setzen beispielsweise Detektive außerhalb des Unternehmens ein, wenn Straftaten oder schwerwiegende Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers aufgeklärt werden sollen, berichtet Howald. "Zuweilen wird heimlich beobachtet, ob Mitarbeiter krankfeiern oder Konkurrenztätigkeit betreiben." Aber: Das private Umfeld von Mitarbeitern darf der Arbeitgeber auf keinen Fall heimlich ausforschen. "Den Arbeitgeber geht es nichts an, was Mitarbeiter in ihrer Freizeit tun."

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