Comedy-Autor:Witzbold auf Honorarbasis

Mike Hager, Scherzverfasser beim Radio: "Boris Becker in der Besenkammer - das war eine großartige Vorlage".

Wolfgang Haserer

(SZ vom 28.9.2001) Der Feind steht direkt vor ihm. Mitten auf dem Schreibtisch. Stumm und doch herausfordernd starrt die leere Seite des Word-Dokuments ihn an. Der Blick auf den weißen Bildschirm treibt Mike Hager jeden Morgen ein paar Schweißperlen auf die Stirn. Doch der 26-Jährige lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, denn für ausreichend kreativen Gesprächsstoff sorgen schon die Macken der Promis. Boris Becker und dessen flüchtige Bekanntschaft mit Angela Ermakowa zum Beispiel. Hin und wieder auch noch Harald Juhnke. Und Dieter Bohlen ist sowieso ein willkommenes Opfer für Mike Hager, einen Comedy-Autor bei Antenne Bayern.

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Was zum Lachen

Hager ist Niederbayer, ein ziemlich mächtiger Typ. Der unüberhörbare Dialekt kommt aus tiefster Überzeugung, und das breite Grinsen gehört zu seinem Gesicht wie die kleine Narbe auf der Stirn. Das Talent zum Beruf gemacht, diesen Traum hat sich der gebürtige Passauer bereits erfüllt. "Schon als kleiner Bub habe ich meine Mama an den Rand der Verzweiflung getrieben. Wenn sie mit mir schimpfen wollte, habe ich sie einfach zum Lachen gebracht, und die Sache war erledigt", erinnert er sich.

Die Art, zu allem einen lockeren Spruch auf den Lippen zu haben, kam aber nicht immer gut an: "Meine Ex- Freundinnen haben sich oft beschwert, dass man mit mir angeblich kein vernünftiges Wort reden kann."

Zum Frühstück die Bild-Zeitung

Jeden Morgen klingelt bei Mike Hager um halb vier Uhr der Wecker. "Ich stehe auf, verfluche erst einmal mein Leben und meinen Job und hasse mich. Dann schalte ich das Radio ein." Auf dem Weg in die Redaktion besorgt sich Hager seine wichtigsten Arbeitsunterlagen aus dem Zeitungskasten um die Ecke: "Ohne die Bild-Zeitung wäre ich verloren. Sie ist wie Darth Vader - die dunkle Seite der Macht. Unverzichtbar." Schon der erste Blick auf den Aufmacher treibt ihm "mindestens fünf brauchbare Gags" ins Hirn. Meistens jedenfalls.

Heute lässt die Bild-Zeitung Hager allerdings im Stich. Kein Promi-Skandal auf der Eins. Und auch die Nachrichtenspalte enthält bloße Fakten: Ein verhafteter ETA-Chef, eine Bombe im Einkaufszentrum, eine ertrunkene Urlauberin. "Des is ja wirklich gar nix", resümiert er, weiß aber damit umzugehen. "Boris Beckers berühmter Ausflug in die Besenkammer war natürlich eine großartige Vorlage. So etwas hat man nicht jeden Tag." Seitenweise hat Hager damals Witze über "Bums- Bums-Boris" verfasst. Einen seiner Besten liest Hager laut vor und kann sich das Lachen noch immer nicht verbeißen: "Angela Ermakowa will, dass ihr Kind nie erfährt, wie es gezeugt wurde. Nach Aussagen von Ermakowa war Boris wie ein Hochgeschwindigkeitszug, nicht zu stoppen. Oder wie Beckenbauer sagen würde: 'Den hätte nicht mal mehr der Kahn gehalten'."

Der klassische Moderationsgag, der so genannte "Two-Liner", funktioniert immer nach demselben Prinzip: Der Setup-Line mit der Aussage ("Die japanische Kaiserin ist schwanger...") folgt die Punch-Line mit der Pointe ("... sollte das Kind im Sternzeichen Fisch geboren werden, nennt sie es 'Sushi'. "). Erlaubt ist, was Spaß macht und die Hörer zum Lachen bringt. Alles im Rahmen der angesprochenen Zielgruppe, versteht sich. "Mit der Antenne sprechen wir die breite Masse in Bayern an. Und da hier die meisten nun einmal Katholiken sind, müssen wir mit Witzen über den Papst sehr vorsichtig umgehen", erklärt Hager, zupft an seinem Kinnbart und schiebt nachdenklich hinterher: "Eigentlich ist es viel einfacher, krass und heftig zu sein, als mit jedem Gag die breite Masse ansprechen zu müssen."

Nicht jugendfrei

Gerne erinnert sich Hager an seine wirklich "krassen Zeiten" beim damals noch jungen Studentenradio M 94,5. Zusammen mit zwei Kommilitonen hat Hager dort die "Stunde der Abrechnung" moderiert. Jeden Montag um 23 Uhr. "Das wurde schon absichtlich zu einer Zeit gesendet, zu der wir nicht unbedingt jugendfrei sein mussten", grinst er und schwelgt in der Erinnerung an zahllose durchwachte Nächte in den Produktionsstudios im Uni-Institut am Englischen Garten. "Damals konnten wir unsere Kreativität noch voll ausleben. Ohne Rücksicht auf irgendwas."

Die Pionierarbeit bei M 94,5 hat Mike Hagers Leben verändert: Der ursprüngliche Gedanke, Lehrer zu werden, verlor an Bedeutung. Schließlich hängte Hager das Lehramtstudium an den Nagel und begann, Kommunikationswissenschaften zu studieren. Kurze Zeit später verhalf ihm eine Demo-CD der "Stunde der Abrechnung" zu seinem ersten Autorenjob in der Morgensendung von Jochen Bendel. "Bei Radio Energy war es die Hölle. Aber ich habe gelernt, unter massivem Zeitdruck gute Comedy zu produzieren. Dafür bekam ich kaum Schlaf und hatte kein Sozialleben mehr", erinnert er sich.

Gags im 14-Tage-Rhythmus

Im Mai 1999 kam dann das Angebot von Antenne Bayern, den Arbeitsplatz zu wechseln. Hager - früher bekennender Bayern-3-Fan von Günther Jauch und Thomas Gottschalk - produziert seitdem im 14-Tage-Rhythmus Moderationsgags, Sing-a- longs (neue Texte auf bekannte Melodien) sowie seine Comedy-Serienfigur "Josef Nullinger" und hat sich bei dem Privatsender bis in die Königsklasse der Morgenmoderationen hochgeschrieben.

"Zu Beginn habe ich vier Wochen am Stück morgens gearbeitet. Aber das lässt sich über einen längeren Zeitraum gar nicht machen. Da brennst du aus", sagt Hager. Der Kontakt zu Freunden und ein ganz normaler Alltag seien die Basis seiner Arbeit. "Du musst wissen, worüber die Leute reden, was in der U-Bahn oder beim Einkaufen los ist. Sonst gehen dir irgendwann die Ideen aus."

Die Angst, einmal keine kreativen Einfälle mehr zu haben, sitzt auch bei Mike Hager "irgendwo im Hinterkopf". Voraussetzung für den Job ist seiner Meinung nach das grenzenlose Vertrauen in die eigene Kreativität. "Man muss damit umgehen können, dass nicht alles, was man produziert, uneingeschränkt witzig ist."

Im täglichen Arbeitsablauf entscheiden Moderator, Redakteur, Produzent und Autor gemeinsam darüber, ob ein Gag über den Sender geht oder nicht. Trotzdem bleibt es eine rein subjektive Empfindung, ob ein Witz gelungen oder völlig daneben ist. Genau darin sieht Hager das Problem seiner Arbeit: "Ich kann mich nie auf ein Fachwissen berufen. Im Prinzip kann jeder Praktikant zu mir kommen und kritisieren, dass die Gags heute nicht witzig waren. Und da ist es ganz egal, wie lange ich schon da bin."

Das Ziel: Vor die Kamera

Noch muss sich Hager bei Antenne Bayern keine Sorgen machen, solange sich die Hörer über solche Gags auf die Schenkel klopfen: "Der Dalai Lama hat herausgefunden, dass er die Wiedergeburt von Hans Rosenthal ist. Das ZDF hat ihm deshalb eine Sendung gewidmet mit dem Titel 'Dalai-Dalai'."

Trotzdem weiß der Noch-Student, dass er nicht ewig in Ismaning Gags schreiben und produzieren will. In den vergangenen zwei Wochen hat Hager schon einmal erste Erfahrungen bei einem anderen Medium gesammelt. Da stand er für das Kinder- und Jugendmagazin "Null-Acht-13" in der ARD selbst als Moderator vor der Kamera. Die Texte zur Sendung hatte er ebenfalls selbst verfasst. Einmal mehr in einem harten aber siegreichen Kampf gegen den Feind - das leere Word- Dokument.

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