Business-Yoga im Büro:Bäume umarmen gegen den Stress

Büro-Gymnastik ist out - heute ist Business-Yoga angesagt. Solche und ähnliche Techniken sollen in wenigen Minuten Entspannung bringen und gegen Stress im Job helfen. Die Meinungen von Experten sind allerdings gespalten.

"Erleuchtung in der Mittagspause", "Entspannung im Handumdrehen" oder eine "Acht-Minuten-Energiedusche" - das sollen Techniken wie Yoga, Tai Chi und Qigong fürs Büro bringen. So versprechen es zumindest die vielen Ratgeber, die es zu dem Thema gibt.

Bäume umarmen im Büro - Stress abbauen mit Business-Yoga und Co.

Bäume umarmen im Büro: Awai Cheung zeigt eine Übung aus dem Qigong, die Büromitarbeitern gegen Verspannungen helfen soll. 

(Foto: dpa-tmn)

Sie wecken große Erwartungen: Einmal kurz am Schreibtisch meditieren, und schon ist aller Stress verschwunden. Ganz so einfach ist es aber nicht. Und auf dem Weg zur buddhistischen Gelassenheit sind ein paar Hemmschwellen zu überwinden.

Denn das Abschalten auf asiatische Art sieht im Büro erst einmal etwas komisch aus. Wenn Awai Cheung sich entspannen will, umarmt er als Erstes einen Baum. Als Zweites formt er einen Ball. Und als Drittes öffnet er eine Blüte. Natürlich alles nur in seiner Vorstellung. Oder besser gesagt: in seinem Kosmos.

Darin dreht sich alles um die Energie, das Qi. Die "Drei B"-Übung - für Baum, Ball, Blüte - nennt der 44-jährige Chinese aus Berlin das. Sie kommt aus dem Qigong, einer traditionellen asiatischen Technik. Seit mehr als zehn Jahren lehrt er seine Variante fürs Büro: Business-Qigong. Damit ist er nicht allein - auch für Yoga oder etwa Tai Chi gibt es schon solche "Business"-Abwandlungen.

Inzwischen zählten große Firmen und Dax-Konzerne zu seinen Kunden, erzählt Cheung. Die asiatischen Techniken seien in der Geschäftswelt angekommen. Das sieht auch Prof. Dirk Windemuth vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung so. Vor zehn Jahren hätten in den deutschen Unternehmen viele über Yoga oder Qigong im Büro noch den Kopf geschüttelt. "Die Akzeptanz ist inzwischen gestiegen."

Mit Esoterik habe das nichts zu tun, versichert Cheung. Solche Übungen seien auch etwas für Berufstätige ohne "Räucherstäbchen-Mentalität". Und sie funktionierten ohne viel Aufwand. Berufstätige könnten die Übungen am Schreibtisch machen - sogar im Anzug. "Die Krawatte sollte man vielleicht ablegen."

Ein paar Minuten reichen, sagt Cheung. Zum Beispiel für eine Runde Finger-Qigong: Die eine Hand formt ein "Victory"-Zeichen, Daumen und Zeigefinger der anderen ein "O". Dann so schnell wie möglich wechseln - das soll die Koordination verbessern. "Das können Sie jederzeit dazwischenschieben."

Oder Büromitarbeiter schießen ein paar Energiepfeile gegen den Stress ab: Dazu spannen sie in Gedanken einen Bogen. Daumen und Zeigefinger der linken Hand bilden ein "L", die rechte Hand eine Faust. Jetzt die Arme auseinanderziehen und so den Bogen spannen. Solche Übungen helfen, Verspannungen zu lösen, aber auch Stress abzubauen und so einem Burn-out vorzubeugen, sagt Cheung.

Einen Energieschub soll auch der "Bürogruß" bringen, den Katja Sterzenbach in ihrem Buch "Business Yoga" beschreibt. Er geht ähnlich wie der Sonnengruß aus dem Yoga, nur im Sitzen. Die Hände wie zum Gebet vor die Brust heben, langsam ein- und ausatmen, beim fünften Einatmen die Arme nach oben ausstrecken. Beim Ausatmen vorbeugen, die Hände gehen zum Boden. Dann beim Einatmen einen Arm senkrecht nach oben heben, während der andere am Boden bleibt - und umgekehrt. Zum Schluss noch einmal beide Arme heben und zurück zum Anfang.

Nicht alle Experten sind begeistert

Der Sportmediziner Ingo Froböse sieht das Entspannen im Turbogang aber eher skeptisch. Berufstätige dürften keinen allzu tiefen Effekt von solchen Fünf-Minuten-Übungen erwarten. "Wenn man das so reinquetscht, das ist es nicht", sagt der Professor, der am Zentrum für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln tätig ist. "Solche Übungen brauchen Raum, Zeit und Muße." Er sieht in den Business-Entspannungstechniken vor allem eine Modeerscheinung. Früher machte man Büro-Gymnastik - heute eben Business-Yoga. "Bürogymnastik klingt natürlich nicht so schick", sagt Froböse.

Inhaltlich sei beides aber oft nicht viel anders. Gerade die Idee, Yoga-Übungen zu machen, ohne sich auf den Hintergrund einzulassen, sieht Froböse kritisch. "Das ist dann nur ein bisschen Gymnastik, und das war's." Zugegeben, es mag esoterisch klingen, dass Energie durch das "dritte Auge" auf der Stirn fließt. Aber ohne diese Bilder ist Yoga vielleicht kein Yoga mehr. Froböse rät daher, Yoga oder ähnliche Techniken erst richtig zu lernen, bevor man die Kurzformen fürs Büro ausprobiert. "Nur dann macht das Sinn."

Es gebe außerdem keine Methode, die bei allen wirkt, ergänzt Windemuth. Der eine entspanne eher, indem er sich bewegt - der andere, indem er meditiert. Beschäftigte müssten daher ausprobieren, was ihnen guttut. Und damit es mit der "Acht-Minuten-Energiedusche" klappt, müssten sie erst lernen, auch so schnell abschalten zu können. Das dauere ein bis zwei Monate.

Sind Berufstätige dann tatsächlich so weit, bleibt immer noch eine Hemmschwelle: Im Großraumbüro Bäume zu umarmen oder einen Sonnengruß zu vollführen, sieht auf den ersten Blick einfach etwas peinlich aus. Solche Übungen am Schreibtisch zu machen, dürfte daher am ehesten funktionieren, wenn die Kollegen mitmachen.

Ohnehin sei es aber besser, in einen anderen Raum zu gehen, wo mehr Ruhe ist, meint Froböse. Schließlich könne niemand entspannen, wenn er ständig damit rechnen muss, dass das Telefon klingelt oder ein Kollege kommt. Außerdem helfe ein Wechsel der Umgebung beim Abschalten, erklärt Windemuth. Denn der Schreibtisch sei mit dem Gedanken ans Arbeiten verknüpft.

Bei Awai Cheung scheint das Business-Qigong jedenfalls zu wirken: Er versprüht jede Menge Energie. Dass manche seine Übungen anfangs etwas lustig finden, stört ihn keineswegs. Im Gegenteil: Es sei sogar wichtig, das Ganze mit Humor zu nehmen, erklärt er. Schließlich lockere es die Stimmung auf, wenn jemand bei einer Übung schmunzeln muss. Und Lachen gilt ja schon immer als gute Medizin.

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