Bundesarbeitsgericht:Zirkus muss Artisten nicht krankenversichern

'Circus des Horros'

Zirkusartisten auf dem "Todesrad"

(Foto: dpa)

Eine Gruppe Hochseil-Artisten ist für die "Todesrad"-Nummer gebucht. Doch als sie eine Krankenversicherung fordern, kündigt der Zirkus ihnen - und bekommt vor dem Bundesarbeitsgericht recht.

Der Fall

Die "Todesrad"-Akrobatik gilt im Zirkus als eine beliebte Hauptattraktion - vor allem, weil sie so gefährlich ist. Als freie Dienstnehmer müssen sich die Artisten jedoch selbst um ihre Krankenversicherung kümmern. Einer Hochseiltruppe aus Sachsen-Anhalt schien sich dieser Problematik nicht bewusst gewesen zu sein.

Die Artisten hatten 2011 für die Dauer einiger Monate einen Vertrag über freie Mitarbeit mit einem Zirkus unterzeichnet, um ihre "Todesrad"-Nummer aufzuführen. Bei der Premiere verunglückte ein Mitglied der Artistengruppe schwer und kam ins Krankenhaus. Ohne den Verletzten traten die drei anderen noch für etwa zwei Monate in dem Zirkus auf. Nachdem sie feststellten, dass der Inhaber sie nicht krankenversichert hatte, stellten sie die Arbeit ein. Daraufhin kündigte ihnen der Zirkus die Zusammenarbeit fristlos.

Die Streitfrage

Darf der Zirkus den Artisten kündigen, weil sie als freie Mitarbeiter eine Krankenversicherung fordern? Bei einer freien Mitarbeit liegt in der Regel kein regulärer Arbeitnehmerstatus vor. Begründet ist das im Grad der persönlichen Abhängigkeit.

Die Argumenation beider Seiten

Im Fall der Hochseilartisten aus Sachsen-Anhalt hatte das Arbeitsgericht entschieden, dass kein reguläres Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. Die Artisten wandten sich daraufhin an das Landesarbeitgericht und bekamen in zweiter Instanz recht. Das Urteil nahm der Zirkus zum Anlass, um in Revision zu gehen. Nun haben die Richter am Bundesarbeitsgericht den Fall erneut verhandelt.

Das Urteil

Die Erfurter Richter haben dem Zirkus recht gegeben. Artisten mit einem Vertrag über "freie Mitarbeit" können demnach nicht auf Arbeitnehmerrechte pochen. Ein solcher Vertrag sehe das für Arbeitsverhältnisse charakteristische Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht vor, begründeten die Bundesrichter ihr Urteil. Das sei zwischen Zirkus und Artisten nicht gegeben, der Status der Hochseiltruppe entspreche vielmehr dem eines "freien Dienstnehmers". Die Kündigung ist somit rechtens.

Was ist ein Arbeitnehmerverhältnis?

Wer einen (privatrechtlichen) Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber unterzeichnet, um in persönlicher Abhängigkeit einer weisungsgebundenen und fremdbestimmten Arbeit nachzugehen, ist ein Arbeitnehmer. In diesem Fall muss sich der Arbeitgeber auch um die Krankenversicherung des Arbeitnehmers kümmern.

Ein Landesarbeitsgericht kann feststellen, welches Rechtsverhältnis vorliegt. Dabei berücksichtigt es alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Darüber hinaus besitzt es einen Spielraum, um zu beurteilen, ob ein Arbeitnehmerverhältnis oder die Dienstleistung eines freien Mitarbeiters vorliegt. Letztlich kann aber auch diese Entscheidung von der nächsthöheren Instanz auf seine Rechtskräftigkeit hin überprüft werden - wie im vorliegenden Fall geschehen.

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