Bürogestaltung:Grün, grün, grün ist alles, was ich hab

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Hängende Gärten, Lümmel-Lounges und Feng-Shui: Mit ausgeklügelten und oft naturnahen Wohlfühlkonzepten für den Arbeitsplatz buhlen Unternehmen um Mitarbeiter. Aber grüne Bürolandschaften sind nicht nur aus ästhetischen Gründen von Vorteil für die Firmen.

Petra-Alexandra Buhl

Wenn Daisy sprechen könnte, würde sie vom Kölner Unternehmen Grassland erzählen, von ihrem Schöpfer Bernd Oette und von den Ideen, die er und seine Mitarbeiter haben. Das Schaf aber ist stumm, ein Sympathieträger aus Pappe, Holz und einem Fell aus echtem Heu.

Nur das Original ist schöner: Natur wird immer öfter in Arbeitsräume verpflanzt. (Foto: ddp)

Daisy steht für eine Idee, die sich in vielen Büros verbreitet: Natur im Haus, Gras an den Wänden, Baumstämme im Raum, Lichtspiele, Sandfußböden und Geplätscher vom Tonband. Bei Grassland werden diesem Trend folgend Lampen und Wände auf Kundenwunsch mit Gras verkleidet. Manchmal werden auch Herzen, Firmen-Logos oder freischwebende Rasenkugeln gestaltet, die dann in Firmenkantinen von der Decke hängen, quasi als Natur-Installation.

Ist das nun Kunst oder Design? "Weder noch. Es ist einfach da und soll den Leuten Spaß machen", sagt Oette. Gras im Büro sei eine kreative Irritation: "Die Leute müssen immer zweimal hinschauen, bis sie glauben, dass das echt ist, alle fassen es an. In unseren kühl gestalteten Büros aus Glas und Stahl haben wir kaum noch Möglichkeiten, unsere Augen zu erholen. Gras gibt solchen Räumen wieder eine sinnliche Tiefe."

Natur wird nicht nur aus ästhetischen Gründen in Arbeitsräume verpflanzt: "Büros vermitteln ein Image, sie sind ein Mikroorganismus. Bewusst oder unbewusst ordnen wir ein, was wir sehen, und ziehen unsere Schlüsse über die Leute, die dort arbeiten, und über das, wofür das Unternehmen steht", sagt Günther Grall, der an der Fachhochschule Salzburg den Studiengang Design und Produktmanagement leitet. Wer auf sich halte, investiere in neue Bürolandschaften.

So entstehen mancherorts grüne Denkfabriken mit Kunstobjekten auf Sandböden, die sinnbildlich für den Generations- und Methodenwechsel stehen, der in vielen Büros stattfindet. Folgt man den Apologeten des Grünbüros, sind klassische Einzelzimmer mit grauen Aktenschränken und Massenauslegeware ebenso passé wie der eindimensionale Befehlsempfänger mit einem Arbeitstag von acht bis fünf. Angemessen seien sogenannte Dialogräume, welche die Kommunikation befördern und eine Wohlfühl-Atmosphäre für Generalisten mit verschiedenen Talenten schaffen, die in wechselnden Teams kooperieren sollen.

Der Umbruch in der Arbeitsweise gehe mit dem Bedürfnis nach einem neuen Branding in den Firmen einher, meint Grall. Unternehmen stünden für Ideen, Werte, Marken - all dies neuerdings gerne in Grün, denn die Farbe symbolisiert Natur, Nachhaltigkeit und Modernität. Selbst Autokonzerne schmücken sich mit Grün. Der Floristmeister Kay Bunies aus dem brandenburgischen Frauendorf baut etwa Messestände für Porsche und Skoda. "Es werden immer mehr Flächen versiegelt, aber das Bedürfnis nach Natur bleibt bestehen. Der Trend zum Grünen wird sich sogar noch verstärken", sagt er.

Nicht nur auf Messen, auch intern soll Grün Wirkung zeigen. Unternehmen müssen sich in Zeiten des Fachkräftemangels fragen lassen, welche Arbeitsbedingungen sie bieten. Längst geht es nicht nur um ergonomische Schreibtische, sondern auch darum, ob sich die Belegschaft wohlfühlt. Dazu gehört statt herkömmlicher Hydro-Kulturen eine schicke Wand mit Hängepflanzen oder eine Office-Lounge mit echter Liegewiese: "Die Mitarbeiter fühlen sich wohl und empfinden es als Wertschätzung", sagt Andreas Schmidt von der Trierer Begrünungsfirma Indoorlandscaping.

Und rechnen tue es sich auch: "In unseren Projekten arbeiten wir mit dem Prinzip der passiven Verdunstung, welche die Raumluftfeuchte erhöht. Im Sommer kühlt der physikalische Effekt den Raum mit angenehmer und umweltschonend aufbereiteter Luft. Im Winter können umgekehrt Heizkosten eingespart werden", sagt er. Denn beim Menschen erzeugten 24 Grad bei 40 Prozent relativer Luftfeuchte das gleiche Behaglichkeitsgefühl wie 22 Grad bei 45 Prozent.

Will sagen: Eine Erhöhung der relativen Luftfeuchte um fünf Prozent spart zwei Grad Wärme ein. "Gemäß einer Faustregel sind das zwölf Prozent weniger Heizkosten", sagt Schmidt, der schon für die Bank of America trendige Bürolandschaften und die hängenden Gärten in der Einkaufspassage Fünf Höfe in München entwickelt oder das Sony Center Europe in Berlin mit Bäumen bepflanzt hat.

Transparenz, Kommunikationsfreundlichkeit und Nachhaltigkeit sind Stichworte, mit denen Fachleute diese grünen Bürolandschaften beschreiben. Bislang war vor allem die Kreativindustrie darauf angewiesen, ihren Mitarbeitern laufend Anregung zu verschaffen, damit sie schöpferisches Potential entfalten können. Doch spätestens seit Google vorgemacht hat, wie Mitarbeiter mit kostenlosen Angeboten wie Essen, Fitness-Center, Wäschereinigung, Massageservice, Kindergarten und Friseur für ihren Job begeistert werden können, finden sich auch Ingenieure, Akquisiteure und Finanzdienstleister in Bürokomplexen mit Wasserspielen und kontemplativen Meditationsecken wieder.

Das Angebot für gestaltungsfreudige Unternehmen ist riesig und reicht vom Zen-Garten für die Mittagspause bis hin zu "Business Feng-Shui". Dabei wird die Kantenlänge der Schreibtische danach bemessen, ob sie für gute Stimmung und erfolgreiche Geschäfte sorgt - tatsächlicher Nutzen ungewiss. "Ich bin vorsichtig mit solchen Modeerscheinungen", sagt Grall. "Niemand will in einem Raum ohne Fenster sitzen. Das wussten schon unsere Vorfahren, dazu braucht es kein Feng-Shui. Es gibt aber Leute, die sich aus Unsicherheit an Esoterik oder Placebo-Effekte klammern."

Peter Schäfer, Präventionsexperte und Gutachter der gesetzlichen Unfallversicherung VBG in Hamburg, betrachtet den Trend zu mehr Natur im Büro mit der vorsichtigen Skepsis des Wissenschaftlers, der in 20 Jahren Forschung schon viele Neuerungen hat kommen und gehen sehen. Daran, dass die klassischen Büros aufgelöst und durch informelle Räumlichkeiten je nach Zweck ersetzt werden, glaubt er nicht. "Wir werden noch eine ganze Weile in normalen Büros sitzen - und das hoffentlich so gut wie möglich", sagt er.

Schäfer und seine Kollegen von der VBG wären froh, wenn die Leute die längst vorhandene Ausstattung nutzten, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern und ihre Gesundheit zu fördern: "Wir kommen in Betriebe, wo ergonomische Bürostühle für Tausende Euro herumstehen, aber falsch eingestellt sind. Und meistens hängt am Drehgestell noch die Gebrauchsanweisung, die nie einer gelesen, geschweige denn befolgt hat."

Teure, aber ineffektive Moden in den Büros seien in die Schreibtischplatte eingelassene Bildschirme, da gebe es keinen Spielraum mehr für die Beine. Sitzbälle seien verhängnisvoll, weil die meisten Benutzer nach einer halben Stunde eine Rundrückenhaltung zeigten. Auch Kniehocker seien grässlich: "Da ist die Verletzungsgefahr beim Hoch- und Runtersteigen größer als jeder positive gesundheitliche Effekt", sagt Schäfer. Innovation im Büro ja - aber bitte nicht zum Nachteil der Menschen, die dort arbeiten, fordert der Forscher.

Zumindest hat Natur im Büro positiven Einfluss auf die Laune der dort arbeitenden Menschen, auch wenn das nicht wissenschaftlich belegt ist. Gras wirkt offenbar besonders stimulierend, wenn es in Gestalt von Daisy daherkommt. "Sie bringt jeden zum Lächeln", sagt Bernd Oette. Das hat sie vielen Chefs voraus.

© SZ vom 24.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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