Bildungsgipfel:Motivationsfreie Zone

Schulen brauchen mehr Geld, keine Frage. Aber das alleine reicht nicht, um die Bildungsqualität zu verbessern. Ein Plädoyer für eine neue Anerkennungskultur im Klassenzimmer.

Thorsten Denkler, Berlin

Den wahren Wert einer Sache erkennt man manchmal daran, wie viel Zeit sich die Beteiligten dafür nehmen. Gemessen an den Ankündigungen müsste der Bildungsgipfel in Dresden also wenigstens eine Woche dauern.

Kinder Bildung, dpa

Schülerproteste für eine bessere Bildung. Was der Schule heute fehlt, lässt sich nur bedingt mit Geld erkaufen: Anerkennung im Inneren und Äußeren.

(Foto: Foto: dpa)

Die Zeit jedoch ist erheblich knapper bemessen. Zwei Stunden sitzen die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen, um - geht es nach Merkel - an diesem Tag nicht weniger als die "Bildungsrepublik Deutschland" auszurufen.

Diskutiert wird dabei vor allem über Geld. Mehr Geld. Das ist nicht unwichtig in einem unterfinanzierten Bildungssystem, in dem Schüler und Lehrer mit maroden Schulen und dünner Personaldecke zu kämpfen haben.

Doch machen wir uns nichts vor: Selbst wenn alle Schulen saniert und doppelt so viele Lehrer eingestellt würden, die Bildungsqualität wäre damit nicht um ein Jota besser. Was der Schule heute fehlt, lässt sich nur bedingt mit Geld erkaufen: Anerkennung im Inneren und Äußeren sowie ein Bewusstein für die eigene Profession.

Engagement als Privatvergnügen

Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt deutlich, worum es da geht: Die Forscher haben festgestellt, dass unter den Lehrern, die unter dem Burn-out-Syndrom leiden, die meisten nie für ihren Beruf gebrannt hätten. Man kann auch sagen: Niemand kam auf die Idee, das Feuer zu entfachen.

Engagement, das wird jungen Lehrern schnell klar, sobald sie die ersten Unterrichtsstunden hinter sich haben, ist ein Privatvergnügen. Weder anerkannt von den Kollegen noch von der Schulleitung.

Noch immer gehört es zu den Selbstverständlichkeiten des Schulalltages, dass Lehrer quasi als Einzelkämpfer ihren Unterricht nach den Maßstäben vorbereiten und durchführen, die sie vor unendlich langer Zeit einmal in einem Studium gelernt haben, in dem pädagogische Inhalte für überflüssig gehalten wurden. Wer es anders, gar besser macht, gerät unter Querulanten-Verdacht. Häufiges Argument: Das haben wir immer schon so gemacht.

Eine neue Kultur der Anerkennung könnte einige Probleme im Schulalltag wettmachen. Über demotivierte Lehrer zu jammern ist das eine. Sie zu motivieren, die eigentliche Aufgabe.

Offenheit gegenüber Kollegen und Eltern

Es gibt durchaus ein Bewusstsein, dass es so nicht weitergehen kann. In der Praxis angekommen ist es nicht. Zu selten sind Schulen bereit, ihre Klassenzimmer während des Unterrichts zu öffnen. Das Modell "offene Schultür" wird in skandinavischen Ländern praktiziert und erlaubt es Schülern und Lehrern beim Unterricht in anderen Klassen zuzusehen. Es kostet kein Geld, führt aber zu mehr Offenheit gegenüber Kollegen und Eltern und zu mehr kritischer Distanz zur eigenen Arbeit.

Anerkennung und Kritikfähigkeit gehen Hand in Hand. Engagement sollte belohnt werden. Eigentlich eine Binsenweisheit. Im Lehreralltag aber die große Ausnahme. Welcher Schulleiter weiß schon, was die Kollegen in den Klassenräumen treiben? Statt pädagogischer Aufsicht und Hilfe zählen am Ende Noten und Klassenziele. Das ist die Währung, in der Erfolg gemessen wird.

Traum vom eigenen Schreibtisch

Gute Lehrerleistungen lassen sich aber selten allein am Notenschnitt einer Klasse ablesen. Es geht auch um neue Methoden und Ideen. Die sollten in der Schule transparent gemacht und als Vorbild angenommen werden. Es geht hier nicht um das Foto vom "Mitarbeiter des Tages" am Schwarzen Brett - wobei selbst das schon in manchen Schulen ein Fortschritt wäre.

Wäre dann noch Geld da, müssten Boni für gute Leistungen gezahlt werden, müssten die Arbeitsbedingungen für Lehrer verbessert werden. Von einem eigenen Schreibtisch, geschweige denn einem eigenen PC in der Schule können die meisten Lehrer nur träumen. Das Lehrerzimmer ist heute mehr Pausenraum als Arbeitsort. Kein Wunder, dass Lehrer ungern mehr Zeit in der Schule verbringen, als unbedingt nötig.

Es gäbe also genug Gesprächsstoff für einen Bildungsgipfel. Die veranschlagten zwei Stunden aber werden da nicht reichen.

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