Bildung:Die Schulen werden leer

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Eltern protestieren gegen Schulschließungen, Bildungsminister legen Klassen zusammen: Wie Deutschland auf den Schülerschwund reagiert.

Tanjev Schultz

Als der UN-Bildungsexperte Vernor Munoz zum Wochenbeginn die deutsche Schulpolitik tadelte und ein längeres gemeinsames Lernen forderte, zeigten sich die meisten Kultusminister verschnupft. Einer aber triumphierte: Hans-Robert Metelmann, parteiloser Bildungsminister in Mecklenburg-Vorpommern. Er fühle sich "bestärkt", das neue Schulgesetz des Landes umzusetzen, sagte Metelmann. Vom kommenden Schuljahr an sollen die Kinder wie in Berlin und Brandenburg bis zur siebten Klasse gemeinsam unterrichtet werden.

Leeres Klassenzimmer: Am stärksten gehen die Schülerzahlen in Mecklenburg-Vorpommern zurück. (Foto: Foto: ddp)

Während Munoz seine Empfehlung als einen Beitrag für mehr Chancengleichheit betrachtet, ist Metelmanns Kurs allerdings auch dem massiven Schülerschwund geschuldet. Am Donnerstag präsentierte das Statistische Bundesamt neue Zahlen: Vor allem in Ostdeutschland zeigt sich der Bevölkerungsrückgang in den Klassenzimmern. Mecklenburg-Vorpommern hat im Vergleich zum Vorjahr sieben Prozent weniger Schüler - innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl von etwa 300.000 auf 157.000 beinahe halbiert. In dünn besiedelten Gebieten will Metelmann die Schulen stärker konzentrieren; eine gemeinsame Orientierungsstufe in der fünften und sechsten Klasse soll Zehn- und Elfjährigen allzu lange Schulwege ersparen.

Wie im Saarland und in Sachsen, wo in den vergangenen Monaten Lehrer- und Elternverbände gegen Schulschließungen protestierten, regt sich im Norden Widerstand. Aufgebrachte Eltern versuchen, das Schulgesetz mit einem Volksbegehren zu stoppen. "Es ist ein reines Sparkonzept", moniert die Vorsitzende des Landeselternrats, Anja Ziegon. Viele Kinder müssten künftig mehr als eine Stunde Fahrtzeit zur Schule in Kauf nehmen, Lehrerstellen würden abgebaut, die Zahl der Schüler pro Klasse werde erhöht. Spielräume für individuelle Förderung würden verschenkt, obwohl Mecklenburg-Vorpommern bei Pisa besonders schlecht abgeschnitten habe.

"25 Prozent der Schüler können nicht richtig lesen - das sind unsere künftigen Hartz-IV-Empfänger", sagt Ziegon. Ostdeutschland lasse sich nur durch hohe Bildung stabilisieren, erklärt Marianne Demmer, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Politiker sollten den Schülerschwund als Chance begreifen und der Versuchung widerstehen, Lehrerstellen zu reduzieren.

Kleine Klassen bedeuteten nicht unbedingt bessere Förderung, meint dagegen Metelmann. Mit 22 Schülern pro Klasse in der Sekundarstufe I liege Mecklenburg-Vorpommern ohnehin besser als der Bundesschnitt. In kleinen Schulen leide das Unterrichtsangebot, der Stundenausfall würde steigen. Ein Volkbegehren gegen seine Pläne führe zu "Chaos".

© SZ vom 24.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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