Bewerbungsgespräch:Machen Sie pünktlich Schluss? Ich muss weg!

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Da hat man eine schlaflose Nacht verbracht, sich in Schale geworfen - und dann redet man sich um Kopf und Kragen. Welche Sätze Bewerber vermeiden sollten.

L. Seelig

Schlimm ist das Gefühl, das sich langsam breitmacht, wenn man nach dem Bewerbungsgespräch wieder auf der Straße steht und beginnt, diese entscheidende halbe Stunde Revue passieren zu lassen. Langsam dämmert einem: Das ist gerade richtig doof gelaufen. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Frage nach den Freizeitinteressen nicht mit "Playstation 2" zu beantworten.

Außerdem schaudert es einen bei der Erinnerung, wie man auf die Frage, warum man denn so gerne Industriekauffrau werden würde, erst mal mit offenem Mund, später mit Stottern reagierte und ein mitleidig bis gequält verzogenes Lächeln beim Gegenüber bewirkte.

Bei einem Bewerbungsgespräch sehr nervös zu sein, ist völlig in Ordnung. Gerade bei Schulabgängern, die solche Gespräche höchstens in Form von mündlichen Prüfungen kennen und denen es schwerfällt, ein Vorstellungsgespräch als gleichberechtigtes Kennenlernen zu betrachten. Und auch wenn Personaler das gern behaupten, so ganz gleichberechtigt ist die Situation ja nun auch nicht. Schließlich hat der, der einem gegenübersitzt, etwas zu vergeben, was man sehr dringend haben will: einen Job, einen Ausbildungsplatz oder ein Praktikum.

Sandra Seedorf, 33, ist Personalmanagerin bei der Werbeagentur Draftfcb in Hamburg. Sie hat schon Hunderte von Bewerbungsgesprächen geführt - und wundert sich, dass gerade junge Bewerber zielsicher immer wieder die gleichen Fettnäpfchen ansteuern. Sie hat einige klassische Pannen und Patzer zusammengestellt und Regeln aufgestellt, mit denen es hundertprozentig funktioniert.

"Und dann ist glatt die U6 ausgefallen, kaputte Stromleitungen oder so was, erst mal bin ich vorm Bahnhof rumgeeiert, bis ich geschnallt habe, dass ja auch ein Bus zu Ihnen rausfährt, naja, bis ich den schließlich gefunden hatte, der fuhr erst in zwanzig Minuten, und dann wurde es echt knapp, ist ja auch viel weiter draußen hier als man denkt..."

Jaja, und am Bahnhof hat gerade dieser neue Burgerladen aufgemacht und der Pullover des Busfahrers hatte wirklich ein interessantes Muster. Ganz wichtig: Nicht jede Frage erfordert wirklich eine Antwort. Zum Beispiel die Frage des Personalchefs oder Ausbilders: Haben Sie gut hergefunden? "Diese Frage ist in einem Bewerbungsgespräch gleichbedeutend mit: Hallo wie geht's?", sagt Sandra Seedorf. Ein guter Start in den Smalltalk, bis man das Konferenzzimmer erreicht hat, eine kleine Nettigkeit, mehr nicht.

Man sollte aber auch nicht einfach nur "Ja" sagen und schweigen. "Viele Bewerber sind wahnsinnig einsilbig", sagt Seedorf. Die Einstiegsfrage sollte man nutzen, um sich ein bisschen warmzulaufen. "Ja, auch wenn es der Schnee einem ja nicht gerade leicht macht", wäre zum Beispiel eine gute Antwort. Sie ist knapp, würgt den Smalltalk aber nicht ab.

"München ist echt eine total coole Stadt. Da gab's neulich dieses Städte-Ranking, bei dem München auf Platz eins gelandet ist. Und die Kollegen in meinem letzten Job gingen mir echt auf die Nerven."

Mag ja sein. Aber man hat es gerade nicht mit dem Tourismus-Chef von München zu tun. Und auch mit niemandem, den es interessiert, dass im letzten Job oder Praktikum die Kollegen so gemein waren. Sondern da sitzt jemand, der wissen möchte, warum man sich genau für seinen Laden entschieden hat. "Die Frage, warum jemand zu uns will, stelle ich immer", sagt Seedorf. "Und ich kriege ständig Antworten, die einfach unklug sind."

Keine gute Antwort

Keine gute Antwort ist beispielsweise: "Ich hab auf der Industrie- und Handelskammer-Homepage geguckt und mir die ersten fünf Adressen rausgeschrieben." Sondern die Wahrheit, aber schlecht verkauft. "Man könnte das charmanter verpacken. Zum Beispiel erzählen, dass man auf der IHK-Seite auf unsere Firma gestoßen ist - und sich dann die Website angeguckt hat und einen bestimmten Kunden oder ein Projekt total toll fand", sagt Seedorf.

Wichtig: Niemals die Motivation für einen Job damit erklären, dass etwas anderes - wie der aktuelle Chef - nervt.

"Sportverein? Och nö, ist eigentlich nicht so mein Ding"

Personalverantwortliche nehmen den Lebenslauf als Grundlage für das Bewerbungsgespräch. "Mit Fragen zu allem, was im Lebenslauf steht, muss man rechnen", so Seedorf. Wer im vorletzten Sommer zweimal neben dem Spielfeld saß, als die Kumpels Beachvolleyball spielten, und das als langjährige Mitgliedschaft im Volleyballverein ausgibt, der muss sich im Gespräch an diese kleine Übertreibung erinnern und das Ganze ausschmücken können. Also den Lebenslauf vorher noch mal genau durchgehen.

Und auch zu eventuellen Makeln etwas zu sagen haben. "Wenn ich sehe, dass jemand im Zeugnis in einem Fach einen Ausreißer nach unten hat, dann frage ich schon nach, was da los war", sagt Seedorf. "Der Lehrer mochte mich nicht" ist hier eine ganz schlechte Wahl. Man sollte nie eine Schwäche erklären, indem man die Schuld auf andere schiebt.

"Bis wann müsste ich denn abends bleiben? Ich hab zweimal die Woche um sechs Hockey."

Am Ende jedes Vorstellungsgesprächs kann der Bewerber selbst Fragen stellen. Und das sollte er auch unbedingt tun. Falls man tatsächlich einen Blackout hat oder, was öfters vorkommt, während des Gesprächs schon alles beantwortet wurde, was man wissen wollte, kann man das ruhig sagen. Zum Beispiel so: "Meine wichtigsten Fragen haben sich im Laufe unseres Gesprächs bereits geklärt."

Und wenn man Fragen stellt, dann sollte man sich auf keinen Fall als erstes danach erkundigen, ob man abends auch pünktlich rauskommt. Oder ob der bereits gebuchte Thailand-Urlaub ein Problem darstellt. "Erst mal sollte man Fragen zum Job stellen", sagt Seedorf. Also zum Beispiel: In welchem Team würde ich arbeiten? Besteht die Möglichkeit, in andere Abteilungen hineinzuschnuppern?

Freizeit ist ok

"Natürlich ist es für den Bewerber interessant, wie die Arbeitszeiten sind", sagt Seedorf. "Das kann er auch etwas galanter verpacken, also fragen, wie denn die Kernarbeitszeiten sind, ob es feste Zeiten gibt oder Gleitzeit." Verunsicherte Berufsanfänger haben oft das Gefühl, sie müssten so tun, als arbeiteten sie aus rein altruistischen Gründen, als seien Geld und Freizeit egal. Damit sollte man es aber auch nicht übertreiben. "Man sollte nicht sagen, dass man auf Überstunden keinen Bock hat", sagt Seedorf. Aber beim Thema Überstunden darauf hinzuweisen, dass man seine Freizeit als Ausgleich braucht, um seine Batterien wieder aufladen zu können, sei absolut okay.

"Puh, klingt ganz schön stressig"

Manchmal passiert es einfach: Es rutscht eine Bemerkung raus, und im nächsten Augenblick wünscht man sich, in der graublauen Auslegeware würde sich ein Loch auftun, in dem man verschwinden könnte. Wem ein "Hört sich echt anstrengend an" oder ähnliches rausrutscht, der sollte das nicht einfach übergehen. "Ich finde es besser, wenn der Bewerber von sich aus noch mal darauf zurückkommt, um das zu korrigieren", sagt Seedorf.

Zum Beispiel: "Ich glaube, mein erster Gedanke eben gerade war vielleicht missverständlich. Ich finde es gut, dass es so viel zu tun gibt. Stress ist für mich auch positiv besetzt."

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