Bewerbung:Goldfischteich oder Haifischbecken?

Kreativ soll er sein, aber bitte trotzdem im Rahmen bleiben: Was Personalchefs vom Nachwuchs erwarten.

Barbara Sommerhoff

Prädikatsexamen, Auslandsaufenthalte, Praktika - das gehört zum Standardprofil heutiger Hochschulabsolventen. Sie wissen, was sie wollen. Und dass sie von der Wirtschaft heftig umworben werden. Denn der demographische Wandel schlägt auch in den Unternehmen zu: Kandidaten, die das Zeug zum Top-Manager haben, werden knapp.

Trotzdem halte sie nichts davon, jeden Bewerber mit einigermaßen passenden Qualifikationen zu nehmen, sagt Katharina Heuer. Die Leiterin Management- und Mitarbeiterqualifizierung der Deutschen Bahn spricht damit für viele Kollegen auch aus anderen Branchen. Ob Logistikkonzern oder Verlag, ob Markenartikler oder Finanzdienstleister: Alle suchen nach Wegen, um erfolgreich im Goldfischteich zu fischen. "Dabei geht es uns weniger um High als um Right Potentials", sagt Talent-Managerin Nikolina Kopping von Unilever.

Bis zu 5000 Bewerbungen pro Jahr sichtet das Unternehmen allein im deutschsprachigen Raum. Die meisten kämen online und seien erfrischend kreativ, so Kopping. Sie habe schon Adaptionen von Werbekampagnen des Unternehmens auf den Bildschirm bekommen. Für sie und ihr Team ein erstes Zeichen, dass der Bewerber passen könnte.

Begrüßungsfloskeln statt fließendes Spanisch

Kreativ gern, aber vor allem handhabbar - lautet das Credo der meisten Personaler. Für den ersten Eindruck reicht die schlichte Papierform. Doch Papier ist geduldig. Da kann manches aufgeschrieben werden, was eher Wunsch als wirkliche Qualifikation des Bewerbers darstellt. "Erschreckenderweise stimmt vieles nicht, was in den Lebensläufen steht", sagt Mario Vaupel vom Versicherungskonzern Ergo. Auslandsaufenthalte entpuppen sich als verlängerte Urlaube, das angeblich fließende Spanisch beschränkt sich auf Begrüßungsfloskeln. "Deshalb führen wir intensive Interviews, auch in den von den Bewerbern angegebenen Sprachen", so Vaupel. Immerhin handele es sich bei unrichtigen Angaben in der Vita um eine Art Fälschung. "Keine Empfehlung für Leute, die bei einem Versicherer arbeiten wollen."

Gleichwohl sieht er die Not der Bewerber, in der Fülle der Konkurrenten positiv aufzufallen. Denn auch wenn die Zahl der potentiellen Nachwuchsführungskräfte zurückgeht: Der Wettbewerb um Spitzenpositionen wird härter. Mit Bestnoten im Examen allein kann heute keiner mehr punkten. Auch nicht mit Auslandsaufenthalten. "Natürlich sind Auslandsaufenthalte in unserer globalisierten Welt sehr wichtig. Da die aber in die meisten Studiengängen integriert sind, stellen sie kein Alleinstellungsmerkmal mehr dar", sagt Heuer.

Das Gegenteil von stromlinienförmig

Die Persönlichkeit des Kandidaten ist mindestens so wichtig wie Noten, Fächer und formale Qualifikationen. Kann der Kandidat den eigenen Standpunkt reflektieren? Weist sein bisheriger Lebensweg darauf hin, dass er zielorientiert vorgeht? Ist er weltgewandt, netzwerkorientiert, risikobereit? Vor allem: Hat er Dinge in und neben seinem Studium aus Überzeugung getan oder nur, weil sie opportun schienen? Authentisch solle der Kandidat sein, sagt Heuer und meint damit das Gegenteil von stromlinienförmig und angepasst.

Umgekehrt prüfen die Kandidaten, leistungsbereit und im Bewusstsein der eigenen Qualifikation, ob ein Unternehmen ihnen die notwendigen Voraussetzungen für ihre Karriere bietet. "Können wir das nicht, ziehen sie weiter", so Vaupel. Es sei eben ein Nachfrage-Markt, sagt Heuer. Durchaus auch zum Nutzen der Unternehmen.

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