Bewerbung:Das kann ins Auge gehen

Wenn viele Kandidaten um eine begehrte Stelle buhlen, kommt man mit einer 08/15-Bewerbung nicht weit. Die Guerilla-Taktik ist der Versuch, sich kreativ und überraschend zu präsentieren. Doch das birgt auch Risiken.

Von Tobias Schormann

Eine graue Mappe mit Standard-anschreiben, Lebenslauf und Foto? Langweilig! Warum nicht mal eine Torte als Bewerbung verschicken oder sich auf einer Plakatwand präsentieren? Als Bewerber muss man schließlich aus der Masse herausstechen. Mutige Kandidaten wählen daher eine Guerilla-Taktik und versuchen, mit unkonventionellen Mitteln in die Offensive zu gehen.

Der Begriff Guerilla-Bewerbung leitet sich vom Guerilla-Marketing ab. Er bezeichnet ungewöhnliche Formen der Werbung und war ursprünglich vor allem für kleinere Firmen gedacht, die mit wenig Kosten viel Aufmerksamkeit für ihre Produkte erreichen wollen.

Guerilla-Bewerbungen sind eine hohe Kunst - bestenfalls beweisen Kandidaten damit, dass sie kreativ sind und offen für neue Ideen. Alles Punkte, die heute in vielen Berufen gefordert werden. Und sie zeigen, dass Bewerber sich Mühe gegeben haben, sagt der Karrierecoach Bernd Slaghuis aus Köln: "Das hat dann einen Wow-Effekt beim Personaler." Auffallen um jeden Preise sei aber die falsche Devise. Denn zwischen genial und genial daneben ist es nur ein schmaler Grat. Schlimmstenfalls wirkt es einfach nur peinlich.

Die Guerilla-Bewerbung ist eine Gratwanderung

Nach seinem Bachelor-Abschluss im Jahr 2013 mietete der Brite Adam Pacitti - angeblich von seinem letzten Geld - eine Plakatwand für sein Jobgesuch. Die Aktion führte zum Erfolg.

(Foto: Adam Pacitti/dpa)

Der Entertainer Stefan Raab zum Beispiel soll seinen Bewerbungen ein Glas Honig und einen Pinsel beigelegt haben - so könne sich der Arbeitgeber den Honig selbst um den Bart schmieren. Klingt lustig, kann in der Praxis aber leicht schiefgehen: So dürfte der Personaler einfach nur genervt sein, wenn er statt einer ordentlichen Bewerbung ein verklebtes Paket erhält, weil das Glas dummerweise auf dem Postweg zerbrochen ist.

Auch eine Bewerbung im Blumenstrauß hört sich erst einmal nach einer netten Idee an - wer bekommt nicht gerne Blumen? Dumm nur, wenn der Personaler ein paar Tage im Urlaub war und bei der Rückkehr bloß noch einen vertrockneten Strauß vorfindet. Und wer beim Wunscharbeitgeber ohne Termin aufläuft, um etwa eine künstlerische Performance hinzulegen, wird in der Regel am Empfang abgefangen und wieder hinauskomplimentiert. Sieht meist auch blöd aus.

Einfach nur anders als die anderen zu sein, ist noch kein Einstellungsgrund. Am Ende kommt es auf die Substanz an, erklärt Slaghuis. Es muss daher einen inhaltlichen Bezug zum Unternehmen geben. "Sonst zuckt der Personaler nur mit den Schultern", ergänzt Karrierecoach Jürgen Hesse aus Berlin. Bei einer Bewerbung an Ferrero könne man die Unterlagen beispielsweise in ein Nutella-Glas stecken - das erzeugt Aufmerksamkeit. "Die Verpackung macht's schließlich." Noch besser: eine ausgefallene Torte als Bewerbung für eine Lehrstelle in einer Konditorei vorbeibringen. Oder als technischer Zeichner mit einem Architekturmodell bewerben. Damit hat der Chef gleich die erste Arbeitsprobe in der Hand, sagt Slaghuis.

Fünf Beispiele für kreative Bewerbungen

Einige Kandidaten sind mit ihren ausgefallenen Ideen regelrechte Internetberühmtheiten geworden. Einfach kopieren darf man sie natürlich nicht. Sie können aber als Anregung für die eigene Jobsuche dienen. Fünf Beispiele, allesamt leicht zu googeln.

(1) Im Unternehmensstil. Bewerber können sich etwa als Katalog im Firmenstil präsentieren, zum Beispiel als Ikea-Prospekt oder Gebrauchsanleitung. Es reicht aber nicht, nur die Firmenfarben oder das Logo in der Bewerbung zu verwenden, sagt Karrierecoach Bernd Slaghuis. Alternativ bietet sich eine Spielfigur an, die wie das Produkt des Wunscharbeitgebers aussieht. Ein Vorbild hierfür ist etwa die Bewerbung als Lego-Figur von Leah Bowman. "Das zeigt, dass man sich Gedanken zum Unternehmen gemacht hat und vielleicht etwas mehr dafür brennt als andere."

(2) Angebot im Onlineshop. Philippe Dubost aus Paris hat es vorgemacht: Er hat eine Amazon-Seite erstellt, auf der er sich selbst zum Kauf anbot. Seine Referenzen listete er als Produktbeschreibung auf, Stimmen seiner früheren Arbeitgeber fügte er als Kundenbewertungen ein.

(3) Werbeplakat und Flugblätter. Der Brite Adam Pacitti mietete von seinem letzten Geld eine Plakatwand für sein Jobgesuch. Darauf war ein Bild von ihm zu sehen und eine Webadresse, unter der Arbeitgeber mehr über ihn erfahren konnten. "Das kann als Hingucker funktionieren", sagt Slaghuis. In einer Großstadt geht ein einzelnes Plakat aber schnell unter, in kleineren Städten ist der Werbeeffekt also größer. Bewerber können aber auch Flugblätter verteilen, etwa auf einer Messe, sagt Karriereberater Jürgen Hesse.

(4) Song oder Video. Warum nicht den Lebenslauf rappen? Zwar können Firmen im Musikbusiness solche Sachen womöglich nicht mehr hören, meint Hesse. Ansonsten lässt sich das Werk oder ein Link darauf eventuell auf der Facebookseite der Firma posten. Auch ein witziger Film bringt Personaler vielleicht zum Schmunzeln. Matthew Epstein etwa ist bekannt geworden mit seiner Videobotschaft auf Youtube an Google, in der er sich auf ironische Weise als genialen Marketing-Strategen inszenierte.

(5) Suchmaschinenwerbung. Auf die Eitelkeit der Chefs seiner Traumarbeitgeber setzte Alec Brownstein. Er buchte Werbung auf Google, die immer erschien, wenn diese ihren eigenen Namen in die Suchmaschine eingaben. Dann erschien etwa der Text: "Hey, Ian Reichenthal, sich selbst zu googeln, macht Spaß. Mich einzustellen auch."

Ansonsten werden Kreativbewerbungen schnell aussortiert und landen gleich im Müll, warnt der Coach. Das gilt etwa, wenn der Lebenslauf einfach nur auf Klopapier geschrieben ist oder in einem Pizzakarton liegt - ohne dass erkennbar wäre, was daran der Gag sein soll. Das müsse für Personaler schnell erkennbar sein. Denn ob eine Bewerbung ankommt oder nicht, entscheidet sich oft in wenigen Minuten. 40 Prozent der Personaler nehmen sich für den ersten Check der Unterlagen höchstens fünf Minuten Zeit, wie eine Umfrage im Auftrag der Beratungsfirma Kienbaum zeigt. 47 Prozent opfern sechs bis 15 Minuten. Immerhin jeder Sechste findet dabei ein kreatives Design der Bewerbung wichtig oder sehr wichtig.

Punkten Jobsuchende in der Kreativbranche eher mit einer Kreativbewerbung? Nicht unbedingt: Dort sind Chefs womöglich schon völlig übersättigt von Möchtegern-Geistesblitzen. Soll heißen: Ein Personaler in der Kreativwirtschaft könnte schnell allergisch reagieren, wenn er ein Bewerberfoto erst zusammenpuzzeln muss. Und aufdringlich dürfen Bewerber auch nicht wirken. Twitter-Stalker etwa nerven Personaler schnell. Platte Sprüche sind nie witzig, auch nicht in einer Bewerbung: Wer einen Silvesterkracher verschickt mit dem Spruch "Nehmen Sie mich, ich bin der Knaller!", wird höchstens ein müdes Lächeln ernten.

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