Bewerbung als Nachfolger:Suche Chefposten, biete mich

Alexander Kirn will Unternehmer-Nachfolger werden, am liebsten in einem mittelständischen Betrieb. Das Geld dafür hat er schon gesammelt. Jetzt muss nur noch das richtige Angebot kommen.

E. Dostert

Das Angebot von Alexander Kirn ist klar umrissen: Knapp 1,90 Meter groß, 28 Jahre alt, schlank, blond, Volkswirtschaftsstudium in St. Gallen, ein MBA-Diplom aus Harvard, ein Jahr Berufserfahrung bei einer Beteiligungsfirma in London. Kurzum: Kirn bietet sich selbst an - als Nachfolger für einen Mittelständler. Die werden dringend gebraucht.

Bewerbung als Nachfolger: Ihn reize es, Unternehmer zu werden, sagt Alexander Kirn. Er wolle nicht kaufen, um bald wieder zu verkaufen, sondern um langfristig an Bord zu bleiben. Das unterscheidet ihn von klassischen Finanzinvestoren. Wie man zukunftsträchtige Betriebe aufspürt, hat er bei der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Summit Partners in London gelernt. Danach hängte er noch ein Managementstudium in Harvard dran. Dort stieß er auch auf das Modell der Erwerbergesellschaften. Denn Kirn will groß einsteigen und hat sich deshalb Finanzpartner für sein Projekt gesucht.

Ihn reize es, Unternehmer zu werden, sagt Alexander Kirn. Er wolle nicht kaufen, um bald wieder zu verkaufen, sondern um langfristig an Bord zu bleiben. Das unterscheidet ihn von klassischen Finanzinvestoren. Wie man zukunftsträchtige Betriebe aufspürt, hat er bei der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Summit Partners in London gelernt. Danach hängte er noch ein Managementstudium in Harvard dran. Dort stieß er auch auf das Modell der Erwerbergesellschaften. Denn Kirn will groß einsteigen und hat sich deshalb Finanzpartner für sein Projekt gesucht.

(Foto: privat)

Mehr als jeder dritte Familienunternehmer habe Probleme, einen passenden Nachfolger zu finden, schlug der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vor kurzem Alarm. "Beim Betriebsübergang sind jedes Jahr 50000 Arbeitsplätze gefährdet", warnten die Lobbyisten. Der Generationswechsel im Mittelstand sei ein entscheidender Punkt im Unternehmerleben. Scheitere die Suche, stünden die Betriebe oft vor dem Aus. Erschwert werde dies durch die demografische Entwicklung, da die Zahl potenzieller Nachfolger zurückgehe, so der DIHK.

Kirn will nichts lieber sein als selbständig. Es lockt ihn, eine Firma zu führen und weiterzuentwickeln. Er spüre den "Reiz des Unternehmertums", sagt er. Der Mann ist sich sicher, dass er das Passende findet. Deshalb hat er sich gar nicht erst ein schickes Büro gemietet. Er ist bei einem befreundeten Unternehmer im Münchner Bahnhofsviertel in ein winziges schmuckloses Büro gezogen. Mehr braucht er nicht. Es ist ja nur eine berufliche Bleibe auf Zeit.

Kirn hat genaue Vorstellungen, wie die Firma, an der er sich zumindest mehrheitlich beteiligen will, aussehen soll. Es sollte ein Dienstleister sein mit fünf bis zehn Millionen Euro Umsatz, einem Ergebnis vor Steuern und Zinsen von einer bis zwei oder noch besser drei Millionen Euro als Untergrenze, stabilen Finanzen, schöne Wachstumsaussichten. "Ich bin kein Sanierer", Kirn kennt seine Talente. "Ich bin auch kein Gründer. Ich habe keine brillanten Ideen, die innerhalb weniger Jahre zu einem Erfolg führen könnten", sagt er.

Da untertreibt er. Mit 14 Jahren hat Kirn seine erste Firma in Freiburg gegründet, die zunächst Internetseiten für Mittelständler entwickelte und später zum Webhoster mutierte, also Speicherplatz auf Netzwerkrechnern für das Internet vermittelte. Axevon heißt die Dienstleistungsfirma. Vor vier Jahren, nach dem Bachelor in St. Gallen und vor dem Umzug nach London hat er sie verkauft. "Über den Preis haben wir Stillschweigen vereinbart." Jetzt klingt Kirn schon wie ein Unternehmerprofi.

In London hat Kirn für die amerikanische Beteiligungsgesellschaft Summit Partners gearbeitet. Die hat seit ihrer Gründung Mitte der 80er Jahre mehr als elf Milliarden Dollar Kapital eingesammelt und es in Hunderte Firmen gesteckt. "Zum Beispiel in den Softwarekonzern McAfee", erzählt Kirn. Als Summit Partners Anfang der 90er Jahre bei McAfee einstieg, war der heute an der New Yorker Börse notierte Konzern noch ein Winzling. So einen aussichtsreichen Winzling sucht Kirn nun für sich selbst. Ein Jahr blieb er bei Summit Partners, 2007 ging er dann zum MBA-Studium nach Harvard - um sich für eine Managerkarriere zu rüsten.

"Meiner Karriere wird das nicht weh tun"

In den Vereinigten Staaten hat Kirn dieses Nachfolgemodell kennengelernt, das es, sagt er, in Deutschland so noch nicht gibt. Es funktioniert so: Ein Hochschulabsolvent sucht sich private Geldgeber und bietet sich so finanziell gestärkt Unternehmern als Nachfolger an. Kirn hat als Geldeinsammel-Vehikel Atrion gegründet. In den USA heißen diese Erwerbergesellschaften "Search Fund", was übersetzt Suchfonds heißt. Dort gibt es sie schon seit Mitte der 80er Jahre. Ein Renner sind sie nicht.

MBA-Absolventen ziehen Festanstellung vor

Viele MBA-Absolventen ziehen eine Festanstellung mit hohem Einstiegsgehalt und deftigen Boni dem gerade in der Anfangsphase eher dürren Verdienst eines Suchfonds-Chefs vor, fanden Wissenschaftler der Universität Stanford 2008 in einer Studie heraus. 95 Search Funds hatten sie sich angesehen. Mehr als die Hälfte der Search Funds war aufgegeben worden, weil sich kein geeigneter Kandidat für eine Übernahme fand oder die übernommene Firma wieder weiterverkauft oder zugemacht wurde.

Immerhin, das Finanzierungsproblem - sonst die größte Hürde für übernahmewillige Existenzgründer - hat Kirn schon gelöst. Er hat schnell Geldgeber für seinen Suchfonds Atrion gefunden. "Am Ende musste ich sogar welche ablehnen", sagt Kirn. Es sind ausschließlich private Investoren, darunter viele Familienunternehmer, insgesamt ein Dutzend etwa. Sie halten zusammen 49 Prozent des Stammkapitals von Atrion in Höhe von 49.000 Euro. Kirn, der die Mehrheit hält, will sich nicht abhängig von Banken machen. In der ersten Phase hat jeder Geldgeber rund 25.000 Euro investiert, um die Suche und das laufende Geschäft zu finanzieren. Kirn bekommt als Geschäftsführer von Atrion 50.000 Euro Gehalt jährlich. Er selbst hat in der ersten Phase ebenfalls 25.000 Euro investiert.

Alle zwei Monate erstattet Kirn seinen Investoren Bericht. Er bekommt von ihnen nicht nur Geld, sondern auch Ratschläge. "Sie sind meine Sparringspartner", sagt er. Einer davon ist der Bonner Unternehmensberater Hermann Simon, ein anderer Siegfried Müller, Mitgründer des Online-Spiele-Entwicklers Travian Games. Die anderen wollen nicht genannt werden. "Atrion ist alles andere als ein klassischer Finanzinvestor", beteuert Kirn: "Meine Geldgeber haben keine festen Renditeerwartungen. Es gibt auch keinen Exitdruck. Natürlich erwarten sie, dass sich ihr Geld vermehrt. Aber primär geht es ihnen um etwas anderes: Sie wollen etwas wachsen sehen."

Er will bleiben

Das will auch Kirn. Er hat kein Interesse daran, nur zwei, drei Jahre in dem Unternehmen zu bleiben und es dann zu verkaufen oder an die Börse zu bringen. Kirn will bleiben.

In den vergangenen Monaten hat der Unternehmer-Anwärter viele Gespräche geführt und drei Dutzend Unternehmer in ganz Deutschland besucht. Konkrete Ergebnisse gibt es noch nicht, man brauche auch Geduld, sagt Kirn. "Viele hängen an ihrem Lebenswerk und wollen es in guten Händen wissen". Immerhin habe sich herumgesprochen, dass Kirn auf der Suche ist. Im Falle einer Beteiligung oder einer Übernahme würden die Investoren das Kapital von Atrion noch einmal kräftig erhöhen. Bis zu sechs Millionen Euro Eigenkapital könnte Kirn aufbringen. Zwei bis drei Jahre gibt er sich Zeit. Eines ist vorbei. Und wenn es nicht klappt? "Meiner Karriere wird das nicht wehtun. Die Zeit ist nicht verloren."

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