Bewerben im Zehnminutentakt:Per Speeddating zum Job

Die Hamburg School of Business Administration bringt Abiturienten und Unternehmen zusammen. Das Los entscheidet, welche Kandidaten und welche Firmen sich kennenlernen - und gegenseitig testen.

Von  Verena Wolff

Bewerben im Zehnminutentakt: Illustration: Robert Hanson/imago/Ikon Images

Illustration: Robert Hanson/imago/Ikon Images

Diesen Donnerstag im vergangenen Herbst vergisst Jesko Wolf nicht so schnell. Und das aus verschiedenen Gründen. "Ich war auf dem Weg in die Handelskammer in Hamburg und entdeckte einen Fleck. Auf meinem weißen Hemd." Geht gar nicht, dachte sich der Schulabgänger, schließlich war er auf dem Weg zum Wirtschafts-Speeddating. Zwanzig potenzielle Arbeitgeber warteten in den ehrwürdigen Hallen am Adolphsplatz. Und die sollten ihn im frischen Anzug mit sauberem Hemd kennenlernen. Die Hektik begann also schon draußen, ein frisches Hemd musste her. Er kaufte eins, zog sich direkt im Geschäft um - doch das sollte an dem Tag nicht der letzte Adrenalinschub gewesen sein. "Das war alles sehr aufregend, es war ja meine erste richtige Bewerbungssituation." Und dann ist er auch gleich seinem Wunschunternehmen zum ersten Gespräch zugelost worden: Olympus.

"Die Firma hat mich sehr interessiert, vor allem wegen der Medizintechnik, die dort hergestellt wird", erzählt der 21-Jährige. Doch viel Zeit blieb nicht, bei den Personalern einen guten Eindruck zu hinterlassen. Er war schließlich beim Speeddating. Das bedeutet: Jeder Bewerber hat zehn Minuten Zeit, für sich zu werben und einen guten Eindruck zu hinterlassen. Bei gegenseitiger Sympathie geht es in der Regel im Unternehmen weiter: mit einem Vorstellungsgespräch, dem Assessment-Center oder dem Prozedere, das die Firma zur Nachwuchsgewinnung nutzt.

Doch es ging Wolf nicht um einen Ausbildungsplatz, sondern um ein duales Studium. Praxis in der Firma und lernen an der Hamburg School of Business Administration (HSBA), einer privaten Wirtschaftshochschule, die die Firmen in der Hansestadt vor mehr als einem Jahrzehnt ins Leben gerufen haben. 250 Partnerunternehmen hat die Hochschule, große, Mittelständler und kleine Firmen. Alle der rund 1000 Studierenden sind bei einem dieser Unternehmen angestellt. Langweilig wird den Studierenden während der Ausbildung nicht: Im ersten Semester verbringen sie zwölf Wochen an der Hochschule, in jedem weiteren zehn Wochen. "In dieser Zeit bringen wir alles unter, was in einer Universität in einem halben Jahr gelehrt wird", sagt Alexander Freier, Leiter des Relationship Managements an der HSBA. Im dritten Jahr vertiefen die Studierenden ihr Wissen dann in einer von elf Richtungen, die Bachelor-Arbeit schreiben sie zu einem relevanten Thema im Unternehmen.

Noten sind wichtig, doch entscheidend ist die Chemie zwischen Firma und Kandidat

Olympus war zum ersten Mal bei dem Speeddating vertreten, das die Hochschule zwei Mal im Jahr organisiert. Hundert Dates im Laufe des Tages, 24 Unternehmen, etwa 80 Studierende. Die jungen Leute werden den Firmen zugelost, doch auch in den Pausen ist Zeit, mit den Unternehmensvertretern zu sprechen, sagt Freier. "Wir waren auf der Suche nach den richtigen Kandidaten für ein Business-Studium mit Schwerpunkt Vertrieb", sagt Justina Pape, die bei Olympus für die Ausbildungsleitung verantwortlich ist. Und bei dieser Veranstaltung konnte sie in kurzer Zeit sehr viele junge Leute kennenlernen.

"Man merkt sehr schnell, ob die Chemie stimmt zwischen den Bewerbern und dem Unternehmen", sagt sie. Daher sei dieses Speeddating wie eine Art Vorauswahl - überzeugende Kandidaten werden in das Unternehmen zu einem Auswahltag eingeladen. "Wir suchen nach engagierten, motivierten jungen Leuten, die eine gewisse Persönlichkeit mitbringen", sagt Pape. "Und in einer solchen Situation sieht man schnell, wer offen ist und stark in der Kommunikation - denn sie müssen sich ja mit uns austauschen."

Für Jesko Wolf war gleich das erste Gespräch wie ein Lottogewinn - auch wenn er aufgeregt war und sich erst an die Situation gewöhnen musste. "Ich wollte nicht ausschließlich an der Uni studieren - ich habe größere Brüder, die das machen, und für mich klang das immer zu theoretisch", sagt er. Darum habe er sich bereits vor dem Abitur über andere Möglichkeiten informiert und ist schließlich bei der HSBA gelandet. Theorie und Praxis sind hier eng verzahnt, nach den Studienblöcken an der Hochschule arbeiten die Studierenden idealerweise in der entsprechenden Abteilung beim Arbeitgeber.

Doch zuerst muss man ein Unternehmen finden: "Bei uns kann man sich für einen Termin beim Speeddating bewerben", sagt Freier. Ausgewählt wird, wer in zwei der drei Hauptfächer Deutsch, Englisch und Mathe mindestens 10 Punkte im Abiturzeugnis vorweisen kann. Das ist von Hochschulseite aus die einzige Voraussetzung. "Damit sind wir bislang immer gut gefahren."

Die passenden "Typen" suchen sich die Unternehmen dann selber aus. "Schnösel haben wir an der HSBA nicht", betont Freier. Denn der reiche Papa nutze nichts, wenn der Sprössling kein Unternehmen von seiner Eignung für das duale Studium überzeugen kann. Und für dieses erste Zusammentreffen sind die Turbo-Dates genau der richtige Weg, wie alle Beteiligten sagen. Wenn sich Firma und Student schließlich füreinander entscheiden, schließen sie einen Studienvertrag.

Darin ist geregelt, wie das Stundenkontingent an Hochschule und im Betrieb aussieht, welche Kosten die Firma übernimmt, welche Vergütung der Studierende bekommt - und ob er sich nach Abschluss des Studiums an die Firma bindet. Beim Unternehmen Olympus hat es Jesko Wolf jedenfalls gut getroffen: Neben den Studiengebühren von rund 620 Euro pro Monat und seinem Gehalt zahlt ihm sein Arbeitgeber das Büchergeld sowie das Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, zudem wird ein Auslandssemester unterstützt und es gibt ein Paket aus Sozialleistungen. "Wir sind ja daran interessiert, die Leute zu halten", sagt Ausbildungsleiterin Justina Pape.

Und damit sie sich auch schnell und gründlich vernetzen, steht ihnen ein Pate aus einem höheren Azubi-Jahrgang sowie ein Mentor zur Seite. In Wolfs Fall ist das ein erfahrener Mitarbeiter aus dem Vertrieb. In anderen Bereichen nämlich bietet Olympus schon seit Jahren duales Studieren an und hat mit diesem System gute Erfahrungen gemacht.

Jesko Wolf hat sich indes auch mit anderen Firmenvertretern in der Handelskammer gut unterhalten - mit dem Handelsunternehmen Otto zum Beispiel, und das ganz unverhofft. "Wir haben über ein bestimmtes Paar Turnschuhe geredet", erzählt er. Doch er wollte zu Olympus, und da arbeitet er nun auch.

Duales Studium

Verantwortlich: Peter Fahrenholz

Redaktion: Ingrid Brunner

Anzeigen: Jürgen Maukner

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