Betriebsratswahlen:Gefährdet eine Kandidatur die Karriere?

Demnächst finden bundesweit die Wahlen der Betriebsräte statt. Wer darf daran teilnehmen? Wie wird gewählt? Und warum gibt es immer weniger Betriebsräte? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Bundestagswahl ist gerade ein knappes halbes Jahr her, da steht die Europawahl im Mai schon vor der Tür. Dazwischen dürfen einige aber noch einmal mitbestimmen - und zwar als Arbeitnehmer. Zwischen dem 1. März und 31. Mai sind die Beschäftigten bundesweit aufgefordert, einen Betriebsrat zu wählen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Wahl.

Was macht der Betriebsrat?

Der Betriebsrat ist die Interessenvertretung der Mitarbeiter und hat nach dem Betriebsverfassungsrecht zahlreiche Kompetenzen, erklärt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln. Er hat zum Beispiel ein Wörtchen mitzureden, wenn Beschäftigte neu eingestellt, versetzt oder gekündigt werden. Er überwacht, dass die Arbeitsplätze den Vorschriften gemäß ausgestattet sind und etwa beim Schichtbetrieb das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird. Er redet mit, wenn der Arbeitgeber Überwachungskameras installieren will oder eine neue Kantine baut. Kommt es zu betriebsbedingten Entlassungen, muss er die Sozialauswahl überprüfen.

Wo gibt es Betriebsräte?

Derzeit nur in neun Prozent der Firmen, erläutert Peter Ellguth, beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit zuständig für das Thema Mitbestimmung. Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Betriebsrat gibt, wächst mit der Größe der Firma. Derzeit hat nur knapp jeder 17. Kleinbetrieb mit bis zu 50 Beschäftigten einen Betriebsrat. Im Westen arbeiten 43 Prozent und im Osten 36 Prozent der Angestellten in Betrieben mit Arbeitnehmervertretungen. Ob es Betriebsräte gibt, hängt auch stark von der Branche ab: Häufig sind sie im Bereich Energie und Wasserversorgung, Abfallwirtschaft und Bergbau zu finden, selten im Gastgewerbe und in der Bauwirtschaft.

Wieso gibt es heute so wenige Betriebsräte wie seit Langem nicht mehr?

Die Zahl ist auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Datenerhebung des IAB im Jahr 1993. Das liegt weniger daran, dass die Beschäftigten keine Betriebsräte mehr wollen, sagt Ellguth. Vor allem sei es darauf zurückzuführen, dass neu gegründete Firmen häufig keinen Betriebsrat mehr haben, weil heute andere Themen im Vordergrund stehen. Gleichzeitig verschwinden alte Firmen mit Arbeitnehmervertretung vom Markt. Außerdem gebe es Neugründungen eher in den Branchen, die traditionell keine Betriebsräte haben.

Wer darf den Betriebsrat wählen und wer dafür kandidieren?

Den Betriebsrat wählen darf jeder Arbeitnehmer, der mindestens 18 Jahre alt ist. Auch volljährige Auszubildende, Leiharbeiter, befristete oder Teilzeitbeschäftigte sind wahlberechtigt. Bei Leiharbeitern ist allerdings eine Mindestvoraussetzung, dass sie der Firma für mindestens drei Monate überlassen werden. Gewählt werden kann jeder, der wahlberechtigt ist und seit mindestens sechs Monaten im Betrieb arbeitet. Von der Wahl ausgeschlossen sind leitende Angestellte, weil diese zur Leitung des Unternehmens gerechnet werden.

Wie groß ist der Betriebsrat?

Das hängt von der Beschäftigtenzahl ab. Um einen Betriebsrat zu gründen, muss es mindestens fünf wahlberechtigte Mitarbeiter geben, von denen drei als Kandidaten infrage kommen. In Firmen mit bis zu 20 Beschäftigten gibt es nur ein Betriebsratsmitglied, bei bis zu 100 Beschäftigten sind es fünf, bei bis zu 200 Beschäftigten sieben und so weiter. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Gründung eines Betriebsrats nicht.

Wie wird gewählt?

Es gibt zwei Wahlverfahren: das normale und das vereinfachte. Beim normalen Verfahren bestimmt in der Regel der alte Betriebsrat einen Wahlvorstand. Dieser veröffentlicht mindestens sechs Wochen vor der Wahl eine Wählerliste. Die Liste mit den zur Wahl stehenden Kandidaten wird spätestens eine Woche vor dem Termin der Betriebsratswahlen bekanntgemacht. Nach der Wahl hängt er die gewählten Kandidaten für mindestens zwei Wochen aus. Das vereinfachte Verfahren kann nur angewendet werden, wenn ein Betrieb weniger als 50 Beschäftigte hat. Freiwillig können sich Arbeitgeber und Wahlvorstand aber auch in Betrieben mit bis zu 100 Beschäftigten darauf verständigen. Das vereinfachte Verfahren unterscheidet sich im Wesentlichen dadurch, dass die Fristen kürzer sind.

Schadet eine Kandidatur der Karriere?

Laut Paragraf 78 des Betriebsverfassungsgesetzes dürfen Mitarbeitervertreter wegen ihrer Tätigkeit nicht in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt werden. In der Praxis hänge das jedoch stark von der Unternehmenskultur ab, hat Oberthür beobachtet. In den meisten Firmen seien Betriebsratsmitglieder vom Arbeitgeber respektiert. Bei der Gründung von Betriebsräten würden Beschäftigte, die sich dafür stark machen, jedoch in Einzelfällen unter Druck gesetzt.

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