Betriebsklima:Was kann ich tun, wenn eine Führungskraft keine Kritik zulässt?

Bei der Personalleiterin Angela P. häufen sich die Beschwerden über eine Assistentin, doch deren Chef schaltet auf stur. Der Managementtrainer weiß Rat.

SZ-Leserin Angela P. fragt:

Ich bin Personalleiterin in einem Unternehmen mit 800 Mitarbeitern. Immer wieder erreichen mich Beschwerden über eine Assistentin, die mit ihren Launen, Lästereien und Arbeitsdefiziten die Kollegen gegen sich aufbringt. Ich habe den Abteilungsleiter mehrfach darauf angesprochen. Normalerweise ist er für Hinweise offen, aber in Bezug auf seine Assistentin stoße ich auf taube Ohren. Kritik wird nicht zugelassen, schuld seien die anderen.

Jetzt habe ich erfahren, dass die beiden nicht nur beruflich miteinander zu tun haben, sondern auch privat (gemeinsame Konzertbesuche, Kurzreisen, Weiterbildungen). Grundsätzlich sind private Beziehungen kein Problem in unserem Unternehmen. Aber mittlerweile leidet das Abteilungsklima. Ich bin der Assistentin gegenüber nicht weisungsberechtigt. Wie soll ich mich verhalten?

Georg Kaiser antwortet:

Liebe Frau P., auch wenn der Eindruck naheliegt, dass die privaten Verstrickungen des Abteilungsleiters seinen beruflichen Blick trüben: Halten Sie beide Ebenen strikt auseinander und konzentrieren Sie sich rein auf die beruflichen Aspekte! In Ihrer Rolle als Personalleiterin können Sie beim Betriebsklima ansetzen. Es liegt in der Führungsverantwortung des Abteilungsleiters, dafür zu sorgen, dass seine Mitarbeiter konstruktiv zusammenarbeiten. Und es liegt in Ihrer Verantwortung, einzuschreiten, wenn das Klima Schaden nimmt. Nehmen Sie die Beschwerden zum Anlass, ihn nach seiner Strategie zu fragen, mit der er den Konflikt zwischen seiner Assistentin und einigen seiner Mitarbeiter zu lösen gedenkt.

Der SZ-Jobcoach

Georg Kaiser unterstützt Führungskräfte bei Konflikten im Arbeitsalltag und der Entwicklung ihres Personals. Er arbeitet als Wirtschaftsmediator, Managementtrainer, Coach, Supervisor und Gestalttherapeut in Bremen.

Sie können Ihrer Irritation darüber Ausdruck verleihen, dass er von seinen Mitarbeitern kein Feedback einholt und dass er keine Kritik an seiner Assistentin zulässt. Besteht er darauf, dass die anderen schuld sind, lassen Sie sich diese Schuld genau erklären. Was machen die Mitarbeiter seiner Meinung nach falsch? Und wie will er eine Klärung herbeiführen?

Werden Sie ihm gegenüber zur Anwältin des Betriebsfriedens. Mittelfristig drohen Demotivation und Kündigungen - oft der besten Mitarbeiter, die schnell eine andere Stelle finden. Gerade wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, verlieren viele Mitarbeiter ihre Bindung ans Unternehmen. Bestehen Sie so lange darauf, dass sich etwas verändern muss, bis der Abteilungsleiter einsieht, dass Aussitzen keine Lösung ist. Das kann mehrere Gespräche erfordern. Auf einer solchen Einsicht aufbauend erarbeiten Sie einen Lösungsansatz, den beide unterstützen.

Falls der Abteilungsleiter selbst keine Idee hat, wie er vorgehen soll, können Sie einen Workshop zur Konfliktbearbeitung vorschlagen, an dem er selbst, seine Assistentin und sein gesamtes Team teilnehmen. Unter externer Moderation werden die unterschiedlichen Sicht- und Erlebnisweisen dargestellt und von allen nachvollzogen. Idealerweise endet ein solcher Workshop mit der Selbstverpflichtung eines jeden Teilnehmers, wie er durch welches spezifische Verhalten zu einem besseren Miteinander beitragen will.

Ein solches neu erarbeitetes und vereinbartes Vorgehen etabliert sich nicht von selbst, sondern braucht in der ersten Zeit eine gute Nachsorge und einige Kontroll- und Rückkopplungsschleifen, um Feinjustierungen vornehmen zu können und die Gefahr eines Rückfalls in alte Gewohnheiten so gering wie möglich zu halten. Neue Routinen im Umgang bilden sich erst nach sechs bis acht Wochen aus.

Die Arbeit am Betriebsklima ist Arbeit an der Unternehmenskultur. Sie können in Absprache mit der Geschäftsleitung Managementsysteme wie etwa Mitarbeiterbefragungen oder standardisierte Mitarbeiter-Vorgesetzten-Feedbacks einführen. Deren Ergebnisse zeigen Stärken und Schwächen in der Führung auf und können genutzt werden, um Führungskräfte weiterzuentwickeln und verpflichtende Klärungsprozesse zu etablieren.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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