Berufspraxis:Generation Praktikum? Macht jetzt Karriere.

Berufspraxis: Die Zeiten, als Praktikanten vor allem billige Aushilfskräfte waren, sind vorbei.

Die Zeiten, als Praktikanten vor allem billige Aushilfskräfte waren, sind vorbei.

(Foto: info@simonthon.com; simonthon / photocase.de)
  • Für Unternehmen sind Praktika eine gute Möglichkeit, künftige Absolventen kennenzulernen und ans Unternehmen zu binden.
  • Seitdem der Mindestlohn auch für längere Praktika geht, werden allerdings weniger Plätze angeboten.

Von Alexandra Straush

Jonathan Linke musste nicht lange nach einem Praktikum suchen: Er lernte die Firma Brose Fahrzeugteile während einer "Business Week" an der Technischen Universität Ilmenau kennen. In einem Workshop sollten die Studenten wie Projektingenieure agieren und einen Autositz der Zukunft entwickeln - für Fahrzeuge, die keinen Lenker mehr brauchen. Der Maschinenbaustudent fing Feuer. Und weil er noch einen Praktikumsplatz brauchte, bewarb er sich am Brose-Standort Coburg. Als Praktikant in der Abteilung Benchmark nahm er Autositze der Firma und der Konkurrenz unter die Lupe: In welchen Produktmerkmalen schnitt Brose besonders gut ab, in welchen weniger? Die Erkenntnisse pflegte er in eine Datenbank ein, die er so überarbeitete, dass die Abfrage für Produktentwickler einfacher wurde.

In den vier Monaten, sagt Linke, habe er viel über Fertigungsprozesse gelernt. Und auch in das Thema Datenbanken hat er sich eingearbeitet. Da die Zusammenarbeit mit seiner Chefin sehr gut lief, schrieb er seine Bachelorarbeit bei Brose und wurde Werkstudent. Ein Auslandspraktikum in den USA fand er ebenfalls über die Firma. Jetzt steht der 25-Jährige kurz vor seiner Masterarbeit, die er über die Crash-Sicherheit von elektrischen Sitzverstellungen schreiben will.

"Als herausragender Studierender haben Sie mehr verdient als nur ein Praktikum"

"Als herausragender Studierender haben Sie mehr verdient als nur ein Praktikum. Werden Sie Teil unseres Netzwerks - Betreuung und Mentoring durch eine erfahrene Führungskraft inklusive." So wirbt die Deutsche Post für ihr Praktikumsprogramm. Und setzt damit ein Signal: Bei uns ist mehr drin als Kaffeekochen, am Kopierer stehen und anderen über die Schulter schauen.

Anzeigen wie diese spiegeln eine neue Erwartungshaltung der Studenten, meint Elke Neuhard, Projektleiterin der Arbeitgeberinitiative "Fair Company", die eine Internet-Börse für Praktika mit guten Arbeitsbedingungen betreibt. Die stark strukturierten Bachelor- und Masterstudiengänge, sagt sie, ließen nur wenig Luft für Extras. Deshalb seien Praktikanten wählerischer geworden. Sie fragen nach Inhalten, Aufgaben und Vernetzungsmöglichkeiten. "Unternehmen, die das aufgreifen, haben die besseren Karten."

Praktikanten sind umworbene Zielgruppe geworden

Das klingt nicht gerade nach der brot- und perspektivenlosen Generation Praktikum, die vor zehn Jahren in den Medien kollektiv bedauert wurde. Nach der Absolventenbefragung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) unterschreiben heute neun von zehn Masterstudenten im Laufe der ersten 18 Monate nach dem Abschluss einen Arbeitsvertrag. Hochschulabgänger sind gefragt. Das macht auch die Praktikanten, die Absolventen von morgen, zu einer umworbenen Zielgruppe. Und Studenten als Billigarbeitskräfte auszubeuten, ist deutlich schwieriger geworden.

Das liegt zum einen daran, dass die Transparenz auf dem Stellenmarkt für Praktikanten zugenommen hat. In den speziellen Internet-Stellenbörsen finden Studierende eine große Auswahl von Plätzen, die zu ihrem Fach oder Berufswunsch passen und oft auch noch von Ex-Praktikanten bewertet werden. Da kann sich kein Unternehmen erlauben, übel mit dem Nachwuchs umzuspringen.

Außerdem profitieren Praktikanten von der Einführung des Mindestlohns: Seit Januar 2015 ist gesetzlich festgeschrieben, dass ein Praktikum ein Lernverhältnis sein muss und dass auch Praktikanten einen Anspruch auf die Rechtssicherheit eines Arbeitsvertrages haben. Für jedes Praktikum, das länger dauert als drei Monate und nicht verpflichtender Teil des Studiums ist, muss der Arbeitgeber 8,50 Euro pro Stunde zahlen. Praktika nach Abschluss des Studiums sind generell mindestlohnpflichtig.

"So gut wie jedes Unternehmen, das Absolventen sucht, bietet Praktika an"

Laut einer Studie des Ifo-Instituts und des Jobvermittlers Randstad hat diese Entwicklung einige Firmen abgeschreckt: Von 1000 befragten Personalverantwortlichen bundesweit hatten 77 Prozent in den Vorjahren Praktika angeboten. Von diesen haben knapp die Hälfte seit 2015 keine Praktikanten mehr beschäftigt. Elke Neuhard beobachtet eine ähnliche Entwicklung. Als Begründung, sagt sie, führten viele Mittelständler an, dass sie sich Praktikanten nicht mehr leisten könnten.

Das könne aber eigentlich nur für Unternehmen gelten, die kein Interesse an Rekrutierung haben, meint Thomas Friedenberger, Karriereberater beim Staufenbiel-Institut in Köln: "So gut wie jedes Unternehmen, das Absolventen sucht, bietet Praktika an." Von den 300 Firmen, die das Institut jährlich befragt, bieten nach wie vor 91 Prozent Praktika an. Die Mindestlohn-Problematik greife für sie nicht, sagt Friedenberger, weil sie als Reaktion darauf entweder die Praktikumszeiten verkürzt oder sowieso schon angemessen entlohnt hätten. Das gelte vor allem für Großunternehmen wie KPMG, Adidas oder Nestlé, bei denen Praktikumsvergütungen zwischen 1100 und 1500 Euro Standard seien.

Diese Einschätzung stützt auch eine Praktikanten-Befragung der Jobbörse Absolventa und der Personalberatung Clevis Consult: Demnach hat sich der Anteil kurzer, nicht mindestlohnpflichtiger Praktika von elf auf 21 Prozent erhöht. Trotzdem erhalten 96 Prozent der 6000 Befragten immerhin eine Vergütung, die im Schnitt bei 950,43 Euro brutto im Monat liegt. Daraus lässt sich der Schluss ziehen: Es gibt offenbar weniger Möglichkeiten für Studenten, sich im Berufsleben zu beweisen. Aber die Firmen, die noch Praktika anbieten, versprechen sich etwas davon und bemühen sich entsprechend um den Nachwuchs.

Ein bekanntes Gesicht spart oft eine Runde im Auswahlverfahren

Der Spielwarenhersteller Haba etwa sucht Wirtschaftsinformatiker, Designer oder Studierende sozialer und pädagogischer Fächer. Im Idealfall, so Personalreferentin Julia Reifenrath, gibt es eine lange gegenseitige Geschichte des Kennenlernens: Vom ersten Treffen auf einer Hochschulmesse über ein Praktikum, eine Werkstudententätigkeit und eine Abschlussarbeit bis zum Arbeitsvertrag: "Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir konnten einschätzen, wie leistungsfähig die Studenten waren. Und sie konnten für sich abklopfen, ob ihnen Rahmenbedingungen und Infrastruktur hier im oberfränkischen Bad Rodach zusagen."

Wenn es nach dem Studium um eine Einstellung geht, greifen Firmen also gerne auf Ex-Praktikanten zurück. Ein breits bekanntes Gesicht zu sein, sagt Friedenberger, spart oft eine Runde im Auswahlverfahren. Und Arbeitgeber lassen sich einiges einfallen, um einmal entdeckte Talente über die Zeit des Studiums nicht aus den Augen zu verlieren. Zum Beispiel mit dem Programm "Keep in Touch" beim Versicherungskonzern Allianz: Wer als Praktikant positiv auffällt, kann an Seminaren über Persönlichkeitsentwicklung oder Projektmanagement teilnehmen und wird zu Netzwerk-Treffen eingeladen. Jeder achte Praktikant schließlich, so verspricht es das Unternehmen, kann am Ende mit einer Übernahme rechnen.

So geht es auch Jonathan Linke. Nach Praktikum und Bachelorarbeit bei Brose kann sich der Maschinenbaustudent gut vorstellen, als Master-Absolvent demnächst auch ein Jobangebot von Brose anzunehmen. "Definitiv", sagt er.

Nächste Woche: Wie Studierende ein Praktikum im Ausland finden. Fünf Heimkehrer erzählen.

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