Berufseinstieg nach Kunst-Studium:Verdrängen bringt nichts

Kann man vom Malen leben? Kunststudenten müssen frühzeitig Selbst-Marketing betreiben, denn reguläre Arbeitsverhältnisse sind die Ausnahme.

P. Alvares de Souza Soares

Das Klischee von der, ganz im eigentlichen Wortsinne, brotlosen Kunst hat Vanessa von Wendt damals nicht abgeschreckt: "Malen war einfach immer das, was ich am besten konnte", sagt sie. Bereits mit elf Jahren nahm sie Zeichenunterricht. Viele würden es wohl dabei belassen, Kunst als Hobby zu betreiben, und lieber einen soliden Beruf ergreifen. Bei von Wendt setzte sich die Leidenschaft durch - nach dem Abitur begann sie ein Kunststudium in Düsseldorf, schaffte es bis zur Meisterschülerin bei Markus Lüpertz, dem Malerfürsten, der bis 2009 Rektor der Akademie in Düsseldorf war.

Jahresausstellung der Hochschule für bildende Künste

Hochfliegende Pläne: Studenten an der Hamburger Kunsthochschule.

(Foto: dpa)

Inzwischen hat von Wendt ihr Studium abgeschlossen und arbeitet als freie Künstlerin. Doch die Sache mit der "brotlosen Kunst" ist nicht vom Tisch. Wirklich leben kann die 26-Jährige heute von ihrem Beruf noch nicht und ist so weiterhin auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen.

In den vergangenen Monaten lief es zwar ganz gut, theoretisch hätte man sich "damit durchschlagen können"; die Verkaufserlöse seien aber zu unregelmäßig, um sich darauf zu verlassen. Im Jahr 2009 wäre von Wendt auf einen Bruttoverdienst von ungefähr 1000 Euro im Monat gekommen - Kosten für Material und alles Weitere noch nicht abgezogen. "Da wünscht man sich manchmal schon einen normalen Job mit geregeltem Einkommen", sagt sie. Auch private Veränderungen haben ihre Einstellung zum Geldverdienen gewandelt: Sie und ihr Mann erwarten gerade ihr zweites Kind.

Ähnlich wie von Wendt geht es den meisten jungen Künstlern in Deutschland. Sicher gibt es einige, die mit ihren Werken große Summen verdienen. Die meisten fristen jedoch ein eher prekäres Dasein am unteren Ende der Einkommensskala. Laut Künstlersozialkasse (KSK) betrug das Durchschnittseinkommen von Berufsanfängern im Bereich "Bildende Kunst" 2009 nur gut 10.000 Euro im Jahr. Den Nachwuchs schrecken die schlechten Aussichten anscheinend nicht ab: Die Zahl der Studienanfänger für "Bildende Kunst/Graphik" stieg laut Statistischem Bundesamt von 376 im Jahr 2000 auf zuletzt 427, insgesamt waren im vergangenen Wintersemester 5632 Studenten eingeschrieben.

Da die KSK eine Einrichtung für Selbständige ist, zählen Angestellte nicht mit. Bei bildenden Künstlern spielt diese Gruppe auch kaum eine Rolle: Laut Schlussbericht der Kommission "Kultur in Deutschland" des Bundestages von 2007 sind nur sechs Prozent abhängig beschäftigt. Viele freie Künstler haben Nebenjobs, um sich über Wasser zu halten. Auch von Wendts Mann Peter Fleischer-Harkort stockt so das Familieneinkommen auf. Er ist ebenfalls Künstler, hat einen 400-Euro-Job im Messe-Marketing und arbeitet freiberuflich als Messebauer. Der 30-Jährige sieht es pragmatisch: "Gerade am Anfang ist es oft schwer, sich durchzusetzen. Man muss sich ja erst mal einen Namen machen."

Er ist bereit noch eine Weile so weiterzumachen, hofft aber "dass es in einigen Jahren für ein normales Leben reicht".

Vielen ihrer Kommilitonen bescheinigt von Wendt beim Thema Geldverdienen ein gewisses Maß an Realitätsverdrängung: "Die Akademie ist in diesem Punkt wie eine Traumburg, über das Finanzielle wird nicht gesprochen", sagt sie. Natürlich wünschten sich alle, Geld zu verdienen, was jedoch kaum einer zugebe. Nach außen würde stets die Berufung zum Künstler in den Vordergrund gestellt. Das junge Künstlerpaar konnte seine Werke aber schon mehrmals ausstellen, zuletzt im Rahmen einer "Paarausstellung" in Bonn.

Dabei profitieren sie auch vom Namen ihres Mentors Lüpertz. "Das wirkt natürlich", sagt von Wendt, "viele hoffen, günstig ein Bild eines Lüpertz-Schülers ergattern zu können." Trotzdem müsse man ständig am Ball bleiben - Bewerbungen für Kunstpreise oder Stipendien schreiben, Kontakte knüpfen. "Man muss kontinuierlich an seiner Vita arbeiten", sagt Fleischer-Harkort. Eine Mischung aus Kontakten, Talent und Glück brauche es.

Die Konkurrenz schläft nicht. Online-Präsenzen gehören in den meisten künstlerischen Disziplinen zum Standard, sagt Angelika Bühler, Leiterin des Career-Centers der Berliner Universität der Künste, das Absolventen durch das Dickicht der Kunstwirtschaft führt. "An Themen wie Marketing kommt heute kaum jemand vorbei." Das Düsseldorfer Paar versucht nun noch einen weiteren Schritt. 2011 wollen sie nach Mallorca ziehen und dort für ein Jahr arbeiten. "Die Chancen stehen nicht schlecht", sagt von Wendt, es gebe dort eine lebhafte Kunstszene. Der Kundenstamm könnte dort erweitert werden.

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