Berufsbild Polizist:Die Polizei, dein Freund und Konfliktmanager

Berufsbild Polizist: Der Nachwuchs wird knapp: Nur noch in Bayern tragen Polizisten - hier bei der Vereidigung - die grüne Uniform. Die anderen Länder verwenden Blau.

Der Nachwuchs wird knapp: Nur noch in Bayern tragen Polizisten - hier bei der Vereidigung - die grüne Uniform. Die anderen Länder verwenden Blau.

(Foto: imago)

Wer früher zur Polizei ging, dem schwebte ein Helferberuf mit Spannung und Sport vor. Heute durchlaufen fast alle Anwärter eine akademische Ausbildung. Und der Nachwuchs wird schön langsam knapp.

Von Miriam Hoffmeyer

Spätestens wenn das Berufsziel Pirat oder Ritter seinen Glanz verloren hat, wollen die meisten kleinen Jungen - und auch ein paar Mädchen - zur Polizei gehen. "Bei mir ist das so geblieben. Ich wollte nie etwas anderes machen", sagt Felix Rösch. Vor einem Jahr hat der 21-Jährige bei der Polizei Baden-Württemberg angefangen. Die ersten weitgehend ereignislosen Wochen Streifendienst in Schorndorf haben seine Begeisterung kein bisschen gemindert. "Ein Helferberuf mit viel Sport - das ist für mich die perfekte Kombination", findet Felix Rösch, der Fußball und Tennis spielt und nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr im Behindertenfahrdienst des Roten Kreuzes absolviert hat.

Noch ist von Nachwuchsmangel wenig zu spüren

Zwar warnt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) immer wieder vor Nachwuchsmangel, doch ist derzeit davon noch wenig zu spüren. Der Beruf ist nach wie vor sehr beliebt, bei der Polizei Baden-Württemberg konkurrieren im Durchschnitt etwa acht Bewerber um einen Ausbildungsplatz. In Bayern und bei der Bundespolizei liegt das Verhältnis bei zehn zu eins, bei der Berliner Schutzpolizei sogar bei zwölf zu eins.

Weniger stark ist der Andrang in Nordrhein-Westfalen. Vor anderthalb Jahren hatte ein missglückt-ironischer Werbe-Rap ("Heute teilen wir dir mit, du bist ab sofort ein Cop, hey ho") der größten Länderpolizei reichlich Spott und Hohn eingebracht. Immerhin erhält sie mehr als fünf Bewerbungen pro Ausbildungsplatz. "Da müssen wir uns noch keine Sorgen machen", meint Victor Ocansey vom Landesamt für Aus- und Weiterbildung der Polizei NRW.

Ab 2020 gehen die Babyboomer in Rente

In Zukunft dürfte die Nachwuchsgewinnung allerdings schwieriger werden. Auch bei der Polizei gehen vom Jahr 2020 an Scharen von Babyboomern in Rente. Das Personal ist schon jetzt knapp, da in den vergangenen zehn Jahren bundesweit etwa 16 000 Stellen eingespart wurden. Und wegen der guten Wirtschaftslage müssen sich auch beliebte Arbeitgeber stärker anstrengen, um Schulabgänger für sich zu gewinnen. "Dass wir im Moment noch keine Probleme haben, ist kein Anlass, sich zurückzulehnen", sagt Dietrich Moser von Filseck, stellvertretender Polizeipräsident von Baden-Württemberg.

Die bayerische Polizei will in diesem Jahr eine große Nachwuchskampagne fahren, Berlin wirbt schon länger verstärkt in U-Bahnen und startete auch eine recht erfolgreiche Werbeaktion auf Twitter. Traditionell setzt die Polizei vor allem auf die persönliche Ansprache durch Einstellungsberater, die in Schulen und auf Jobmessen für den Beruf trommeln und den gesamten Bewerbungsprozess begleiten.

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Die jungen Leute dort abholen, wo sie sind

Inzwischen haben die Bundespolizei und einige Länderpolizeien auch Facebook-Karriereseiten eingerichtet, auf denen junge Teams geduldig auch die unbedarftesten Fragen von Interessenten beantworten. Selbstverständlich ist das nicht: "Wir hatten lange Diskussionen über den Datenschutz, denn wir können auf Facebook ja nichts selber löschen", sagt Bernd Reich, Leiter der Nachwuchsgewinnung an der Bundespolizeiakademie Lübeck. "Aber Fakt ist: Wir müssen die jungen Leute dort abholen, wo sie sind, nicht wo wir sie gern hätten."

Erfolg hat die Polizei offenbar mit ihren Bemühungen, mehr Bewerber aus Migrantenfamilien zu gewinnen. Nicht alle Polizeien erfassen diese Gruppe gesondert. Doch laut Befragungen in Berlin und Baden-Württemberg haben in beiden Ländern inzwischen etwa 20 Prozent der neu eingestellten Polizisten ausländische Wurzeln.

Die Anforderungen an Bewerber dürfen nicht sinken

In Berlin werben Einstellungsberater gezielt beispielsweise in türkischen Vereinen. Bewerber aus Migrantenfamilien sind besonders begehrt, wenn sie ihre Herkunftssprache noch beherrschen. Natürlich müssen sie außerdem sehr gut Deutsch sprechen.

Auch wenn Bewerber künftig knapper werden, will die Polizei auf keinen Fall die Anforderungen in den Einstellungstests senken. Denn die Ausbildung ist anspruchsvoller und zum großen Teil akademisch geworden. Das gilt nicht nur für Kriminalpolizisten, die beim BKA und in einigen Bundesländern gesondert ausgebildet werden, sondern auch für die Schutzpolizei.

Sechs Länder, darunter Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, stellen nur noch Anwärter für den gehobenen Polizeidienst ein. Die Bewerber müssen Abitur oder eine vergleichbare Qualifikation haben, der theoretische Teil der Ausbildung findet an den Polizei-Fachhochschulen statt. Die Gewerkschaft wünscht sich dieses System für die Polizeien in ganz Deutschland. "Polizisten müssen heute als kompetente Konfliktmanager agieren, sicher im Rechtlichen und im Psychologischen sein", sagt GdP-Sprecher Rüdiger Holecek. "Für einen Beruf, der so weitreichende Konsequenzen für die Bürger haben kann, ist eine Hochschulausbildung auf jeden Fall angemessen."

Polizisten sind heute kompetente Konfliktmanager

In der Realität unterscheidet sich die Ausbildung für den mittleren Polizeidienst nicht dramatisch von der für den gehobenen Dienst - sie ist nur ein halbes Jahr kürzer und für Bund und Länder billiger, weil sie zu einer niedrigeren Einstiegsposition führt. Die meisten Anwärter für den mittleren Polizeidienst haben heute ohnehin Abitur.

Wer in welcher Laufbahn eingestellt wird, entscheidet dann nur noch die Punktzahl im Einstellungstest. Der Abiturient Felix Rösch bekam nur eine Stelle im mittleren Dienst. Doch auch er und seine Mitschüler werden größtenteils an der Polizei-Fachhochschule ausgebildet. Und nach dem Abschluss gehen alle Polizisten, ganz unabhängig von der Laufbahn, zunächst zur Bereitschaftspolizei und dann in den Streifendienst.

"Langfristig wird die dreigeteilte Laufbahn wohl abgeschafft werden", glaubt der stellvertretende Polizeipräsident von Baden-Württemberg, Dietrich Moser von Filseck. Bis es soweit ist, müssen Polizisten im mittleren Dienst eben einen Lehrgang machen, um weiter aufsteigen zu können. Felix Rösch hat das jetzt schon fest vor.

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