Berufsbild Personalleiter:Vom Verwalter zum Visionär

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Er stellt ein und kündigt und - was macht ein Personal-Chef eigentlich sonst noch?

Chris Löwer

Wenn der Laden brummt, stellen sie Leute ein. Wenn's mal nicht so gut läuft, entlassen sie Leute. Zwischendurch leiern sie ein paar Weiterbildungsseminare an. Was sie wann zu tun haben, entscheidet die Geschäftsführung. Sieht so der Alltag in deutschen Personalbüros aus? Vielleicht war das mal so. Doch der Job des Personalchefs hat sich gewandelt und ist mit an einer Hand abzählbaren Zuständigkeiten kaum zu fassen.

Visionen soll er haben, Vibrationen spüren, aktiv gestalten: Die Anforderungen an Personleiter haben sich gewandet. Doch in manchen Unternehmen hält die Personalpolitik mit dem Wandel nicht Schritt. (Foto: Foto: iStockphoto.com)

,,Ein guter Personalleiter muss seinen Platz in der Kuschelecke verlassen'', sagt Dieter Wagner, Professor für Organisation und Personalwesen an der Universität Potsdam. ,,Mit ein paar schönen Worten an die Belegschaft ist es nicht getan, um sie bei Laune zu halten.'' Stattdessen ist es der Personalleiter, der sich um die Motivation kümmert, Qualifizierungsbedarf erkennt und es versteht, alle Register auf dem Weiterbildungsmarkt zu ziehen. Und er muss sich dem Controlling stellen und selbst auf diesem Gebiet fit sein. Die Organisation von ein paar Trainings reicht nicht aus, der Personaler sollte auch überprüfen, ob diese fruchten. Wagner: ,,Viele haben noch nicht begriffen, wie sehr das Thema Personalcontrolling an Bedeutung gewinnt.''

Manch einer, gerade in kleinen und mittleren Betrieben, hat auch noch nicht begriffen, dass seine Tage als Befehlsempfänger der Geschäftsleitung abgelaufen sind. ,,Der Personalchef muss selbst erkennen, welche Kräfte und neuen Qualifikationen das Unternehmen braucht und sich auf die Suche begeben'', sagt Wagner.

Würde der Professor einen Personaler einstellen müssen, sollte der über ein ordentliches Qualifikationsspektrum verfügen: Neben sozialen Kompetenzen wie Moderationsfähigkeit seien betriebswirtschaftliches und psychologisches Fachwissen, juristisches Grundverständnis, strategisches und konzeptionelles Denken und profunde Kenntnisse der Kosten- und Leistungsrechnung. Dass der Kandidat die klassischen Instrumente der Personalentwicklung beherrscht, versteht sich von selbst. Doch wie viele Personalchefs würden diesen Anforderungen gerecht?

Der eher passive Typus ist ein Auslaufmodell, meint auch Heinz Uepping, Chef der Unternehmensberatung Incon AG in Taunusstein: ,,Bislang fanden sich in dem Beruf häufig Juristen, die zwar in arbeitsrechtlichen Fragen firm waren, doch eher introvertiert agierten und in juristischen Denkstrukturen verhaftet waren, was sie nicht gerade zum Innovator machte. Doch das sollte eine wesentliche Funktion des Personalleiters sein'', sagt Uepping. ,,Schließlich muss er strategisch denken und praktisch steuern.''

Etwa auf dem immer wichtiger werdenden Gebiet des sogenannten Demographie-Managements. Die Belegschaften werden nicht nur immer älter, sie werden ebenfalls immer mobiler, weil sie auch im höheren Alter wenig davon abhält, den Arbeitgeber zu wechseln, sofern das Angebot stimmt und man mittlerweile die Rückstellungen der betrieblichen Altersvorsorge bequem mitnehmen kann. Also muss der Personaler dafür sorgen, dass der Arbeitsplatz attraktiv bleibt und Perspektiven bietet. ,,Wer auf diesem Feld nichts unternimmt, wird es künftig mit exorbitanten Kosten einer Restrukturierung zu tun haben, weil ältere Leistungsträger das Unternehmen verlassen haben'', sagt Uepping. Selbst Rating-Agenturen seien dabei, Demographie-Management als hartes Kriterium einzuführen. ,,Nur leider hat der Personalchef in der Praxis häufig nur Reparaturfunktion, weil durch schlanke Strukturen und Einsparungen Unternehmen mehr und mehr die Fähigkeit des Vorausschauens verloren gegangen ist'', meint der Berater. In diesem Sinne sollte der Personalleiter in der Lage sein, nach wirtschaftlichen, sozialen, gesellschaftlichen und technologischen Trends zu forschen, um zu wissen, was kommt.

Das sieht ein Mann aus der Praxis genauso: ,,Es genügt nicht, sich im Tarifrecht auszukennen, das hergebrachte Handwerkszeug zu beherrschen und dann bloß keine Fehler zu machen. Ein Personalleiter muss das Unternehmen nach vorne bringen'', meint Jochen Sawahn. Er ist Personalchef der Landesbank Berlin, die ungefähr 7000 Mitarbeiter beschäftigt. Ein guter Human-Resources-Manager müsse außerdem zwischen Chef, Führungsetage, Mitarbeitern und Personalvertretung vermitteln, kurz: Er übernimmt eine zentrale Klammerfunktion im Unternehmen. ,,Personalarbeit ist zu einer Querschnittsaufgabe geworden'', sagt Sawahn. Langsam schwane der Szene, dass sie heftig in Bewegung geraten sei, weil man nach Jahren des Kostendrückens erkennt, dass es damit nicht getan ist.

Unternehmensberater Heinz Uepping bringt den Wandel so auf den Punkt: ,,War der Personalleiter der Vergangenheit eher ein Experte für ein spezifisches personalpolitisches Arbeitsgebiet, wird er nun eher zum multifunktionellen Prozessmanager, der verschiedene Aufgaben initiiert, prozessual gestaltet und steuert, evaluiert und gegebenenfalls korrigiert.'' Das klingt verdächtig nach eierlegender Wollmilchsau. Aber die Botschaft ist klar: Wer als Sachverwalter den Sessel des Personalchefs einnimmt, wird dort möglicherweise nicht allzu lange sitzen bleiben.

,,Viele Human-Resources-Manager in Deutschland sind auf die neuen Anforderungen schlecht oder gar nicht vorbereitet'', sagt Sawahn. Für ihn liegt das wiederum an den Rekrutierungsmechanismen in diesem Bereich. ,,Viele Personalverantwortliche werden im Unternehmen selbst herangezüchtet, oder sie haben in ihrem Berufsleben noch nie mit etwas anderem als Personal zu tun gehabt. Wie soll so jemand einen Bezug zur Unternehmensstrategie bekommen?'', fragt der Landesbank-Personaler.

Sawahn rät zu Praktikern in der Personalabteilung, die auf diversen Geschäftsfeldern Erfahrung gesammelt haben. Aber auch erfahrene Berater könnten eine gute Wahl sein, sofern sie im Bereich Personal tätig waren. Sie bringen die viel geschmähten, aber in dem Job essentiellen Soft Skills mit. Sawahn: ,,Der Personalleiter muss die Vibrationen im Unternehmen spüren und darauf reagieren. Wer außer ihm soll das denn sonst machen? Der Finanzchef?''

© SZ vom 10.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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