Berufs-Knigge für Südafrika:Je unpünktlicher, desto mächtiger

Wer beruflich in Südafrika zu tun hat, sollte sich auf lässige Umgangsformen einstellen - und auf manche Tabus, die besser nicht gebrochen werden.

Viola Schenz

Dass es bei Fußballweltmeisterschaften um Fußball geht, stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit. Wenn schon mal die Welt einen Monat lang zu Gast ist, wünschen sich Veranstalter, Gastland und Besucher auch neue Businesskontakte jenseits der Stadien. In den kommenden Wochen finden am Kap vermehrt Geschäftstreffen bei einem Glas Wein unter blauem Himmel statt. Südafrika ist allenthalben ein lockeres, unkompliziertes Land - trotzdem für Neulinge hier ein paar Tipps:

WM 2010 ? Südafrika - Mexiko

In Südafrika gibt es elf offizielle Landessprachen - da ist die Kommunikation nicht immer einfach.

(Foto: dpa)

Wie man spricht

Was man anzieht

In Südafrika gibt es nicht weniger als elf offizielle Sprachen. Wen diese Zahl erst mal erschlägt, dem sei zur Beruhigung gesagt, dass man mit Englisch bestens durchkommt. Das muss man nicht perfekt beherrschen, aber zumindest verhandlungssicher. Natürlich kann man sein Gegenüber mit einer freundlichen Begrüßung auf Afrikaans oder Xhosa beeindrucken (findet man in guten Reiseführern), allerdings sollte man sich dabei sicher sein, es wirklich mit einem Buren oder Xhosa zu tun zu haben - und nicht etwa mit einem stolzen Briten oder Zulu.

Berufs-Knigge für Südafrika: Schwarzer Anzug muss nicht sein. In Südafrika ist die Kleidungsordnung legerer.

Schwarzer Anzug muss nicht sein. In Südafrika ist die Kleidungsordnung legerer.

(Foto: AP)

Vom Hochland und ein paar Wochen im Winter abgesehen, ist Südafrika ein heißes Land. Schon aus praktischen Gründen läuft hier nur, wer es nicht anders verdient, in schwarzem Anzug und Schlips herum. Die Kleiderordnung fällt um einiges praktischer und legerer aus als in Mitteleuropa, es herrscht Business Casual. Also lieber eine Khaki-Hose zu viel einpacken als einen weiteren Anzug. Und nicht wundern: Zum Straßenbild gehört, dass auch weiße Kinder und Erwachsene barfuß unterwegs sind: kein Ausdruck von Armut, sondern von Lässigkeit und Naturverbundenheit.

Wie man speist

Berufs-Knigge für Südafrika: Nichts für Vegetarier: Beim traditionellen Braai kommt viel Fleisch auf den Grill.

Nichts für Vegetarier: Beim traditionellen Braai kommt viel Fleisch auf den Grill.

(Foto: AP)

"Bure" heißt übersetzt "Bauer". Gerade was das Erbe dieser Bevölkerungsgruppe angeht, ist das Land von einer gewissen Derbheit geprägt - und auf ihren rustikalen Nationalcharakter sind die Buren durchaus stolz. Die ersten weißen Siedler am Kap mussten sich die wilde Natur mühsam und unter Lebensgefahr erschließen und urbar machen. Wie in anderen Übersee-Einwanderungsländern (Australien!) darf man in Südafrika eher gutmütige Raubeinigkeit erwarten denn erhabenen Feingeist.

Die Chance, statt zu einem Geschäftsessen im edlen Restaurant auf einen landestypischen Braai ("braten") eingeladen zu werden, ist daher hoch. Südafrikaner lieben Braais und nehmen jede Gelegenheit dazu wahr. Es handelt sich um Grillpartys, bei denen Vegetarier gleich absagen sollten. Denn bei einem Braai landen bevorzugt riesige, durchwachsene Brocken Fleisch auf dem Rost - feines Filet wird hier als "Mädchenkost" belächelt, dazu Boerewors, die schneckenförmige "Burenwurst". Gemüse und Salat verirren sich selten auf einen Braai, dafür umso mehr Bier. Aber wer wacker bis zur ersten Gichtattacke mithält, kann sich des Respekts der Gastgeber sicher sein.

Alternativ warten grandiose Restaurants und ebensolche Weine aus heimischem Anbau. Wer sich zu einem Geschäftsessen verabredet, sollte allerdings beachten, dass durch die hohe Kriminalität gerade abends die Bewegungsfreiheit der Südafrikaner eingeschränkt ist. Entsprechend sollte die Wahl eines Restaurants so ausfallen, dass es in einer belebten Gegend liegt, einen bewachten Parkplatz hat und gerade für Frauen einigermaßen gefahrlos zu erreichen ist.

Wie man Termine einhält

WM Südafrika

Wer sich für mächtig hält, darf auch mal später kommen.

(Foto: ddp)

Dass sich die deutsche Auffassung von Pünktlichkeit von der anderer Nationen wesentlich unterscheiden kann, hat sich inzwischen herumgesprochen. Wer in Südafrika Geschäfte anbahnen will, sollte Geduld einpacken. Es empfiehlt sich, nicht penetrant auf die Einhaltung von Terminen zu pochen. Südafrikaner schätzen den persönlichen Kontakt, und der lässt sich nicht mit ein paar kurzen Telefonaten herstellen. Dauert es also länger, nicht drängeln, sonst steht man am Ende ganz ohne Vertrag da. Mehr noch als in Deutschland ist Zeit hier vor allem ein Statussymbol: Wer mächtig ist oder sich dafür hält, darf sich verspäten oder besonders lange über einen Vorschlag sinnieren. Merke außerdem: Südafrikaner gehen früh ins Bett und stehen früh auf.

WM 2010 ? Eröffnungsfeier

Weniger forsch ist manchmal besser.

(Foto: dpa)

Wie man sich begegnet

Südafrika ist ein Einwanderungsland, hier kamen und kommen alle möglichen Völker und Kulturen zusammen. Das sollte man immer im Hinterkopf haben. Was in Mitteleuropa als aufrichtig und verbindlich gilt - laute Stimme, fester Händedruck, direkter Augenkontakt - kann woanders aggressiv oder rechthaberisch wirken.

Daher eine Spur leiser als gewohnt auftreten und einfach bei den Einheimischen abschauen: Die wissen meist besser, was in welcher Situation angesagt ist. Auch ein hartes "Nein" vermeiden Südafrikaner, sie verwenden lieber ein sanftes "Vielleicht könnte man ja ...". Vermeintlich deutsche Tugenden wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Fleiß stehen allerdings hoch im Kurs, selbst die Pünktlichkeit. Gerade im "bäuerlichen" Südafrika sind gute Manieren geschätzt: Tür aufhalten oder in den Mantel helfen gelten als kultiviert. Also damit nicht geizen.

Schwarze und weiße Schülerinnen auf der Vryburg High School, 1998

Die Hautfarbe sorgt noch immer für Konflikte.

(Foto: AP)

Was man vermeiden sollte

Das Erbe der Apartheid hängt am Land wie Hundekot an der Schuhsohle. Die Ressentiments sitzen weiter tief, Misstrauen beherrscht den Alltag, das Land ist nach wie vor gespalten, nicht nur in Schwarz und Weiß. Man trifft auf Britischstämmige, die schlecht auf Buren zu sprechen sind, auf Zulus, die auf Xhosas herabblicken, und auf alle möglichen Hautfarben, die auf die Politik des ANC schimpfen. Die Regenbogennation, die bei den ersten freien Wahlen 1994 ausgerufen wurde, bleibt ein schöner Traum. In den 16 Jahren seit Ende der Apartheid hat sich zwar viel gebessert im Miteinander der Ethnien, gerade unter den Jüngeren. Aber der seitdem regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) setzt die Versöhnungspolitik Nelsons Mandelas nicht wirklich fort, sondern diskriminiert umgekehrt, etwa bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, die gerne an Parteigünstlinge gehen. Dazu kommt eine lange Jahre katastrophal ignorante Aids-Politik. Dennoch sind die Themen Apartheid und Aids gerade unter vielen Schwarzen tabu, bei ersten Gesprächen sollte man sie aussparen.

Daneben gibt es nach wie vor den "hässlichen" Weißen, für den die Apartheid weiterhin existiert. Dümmlichen Rassismus-Sprüchen entgegnet man am besten ruhig, dass man anderer Ansicht ist, und wechselt das Thema. Und dass man sich als Weißer schwarzen Geschäftspartnern nicht mit politisch korrekter Betulichkeit anbiedert, sondern freundlich und farbenblind zur Sache kommt, versteht sich ebenfalls von selber.

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