Berufe-Serie (V):Was macht ein Seeding Expert?

Erst säen, dann ernten: Simone Neipp füttert das Internet mit viraler Werbung - und das mit ausgeklügelten Strategien. Skurril können die Spots sein, die Botschaft ist eher versteckt - denn gelungene Werbung im Internet funktioniert anders als in anderen Medien.

Tobias Brunner

Manchmal taucht im Internet plötzlich ein Video auf, von dem niemand genau weiß, wo es eigentlich herkommt. Das aber doch jeder gerne weiterschickt, schließlich ist es irgendwie witzig, kurios: Schau dir das mal an! Klick. Manchmal sitzt Simone Neipp dann an ihrem Schreibtisch und freut sich. Nicht weil ihr das Video den Tag versüßt - sondern weil sie erfolgreich war: Die 28-Jährige sät diese Inhalte im Internet, damit sie sich irgendwann von selbst verbreiten. Und "säen" trifft es dabei ganz genau, denn Simone Neipp ist Seeding-Spezialistin.

Berufe-Serie (V): Als Seeding-Spezialistin stellt Simone Neipp, 28, Videos ins Internet. Sie sollen genau auf die Zielgruppe zugeschnitten sein und sich schnell verbreiten.

Als Seeding-Spezialistin stellt Simone Neipp, 28, Videos ins Internet. Sie sollen genau auf die Zielgruppe zugeschnitten sein und sich schnell verbreiten.

(Foto: Robert Haas)

Es ist einer der Berufe, die es ohne das schnelllebige Netz nicht gäbe. Ohne die sozialen Netzwerke und neuen Medien. Facebook durchforsten, auf Youtube surfen, in Blogs stöbern - und damit auch noch Geld verdienen. Die Aufgaben lesen sich wie das perfekte Stellenangebot der modernen Generation. "Es klingt traumhaft, aber man muss es gezielt angehen", sagt Neipp. Denn die Videos sollten Interesse wecken und sind nicht selten mit einer großen Kampagne verbunden: hier ein Link zur Internetseite des Produkts, dort ein Gewinnspiel. "Es ist ein neuer Weg an eine Zielgruppe heranzutreten, ein Rundum-Marketing-Ansatz."

Doch ein gutes Video alleine garantiert noch keinen Erfolg. Um aus der Masse hervorzustechen, muss Neipp die Zielgruppe der jeweiligen Kampagne kennen - und wissen, wo sie diese im Internet findet. Mit Programmen analysiert sie deshalb die Plattformen: Bei Jugendlichen eignen sich Facebook und Youtube, bei teureren Produkten und speziellen Themen ist es eher ein Fachforum. Anhand dieser Voraussetzungen entwickelt Simone Neipp zusammen mit dem Auftraggeber die Strategie. Zuletzt muss der Schneeball noch angestoßen werden. Im Idealfall kennt Neipp dafür bereits Blogger und Netzwerke, denen sie das Video zuschickt.

Gute Ideen sind gefragt

Beim bloßen Säen aber bleibt es nicht. Denn die entscheidende Frage ist: Verbreitet sich das Video wie gewollt? Neipp beobachtet deshalb die Klicks, berichtet dem Auftraggeber davon - und beruhigt mitunter auch: "Manche neue Kunden werden nervös, wenn das Video am Anfang wenig angesehen wird", erzählt sie. Die angepeilten Klicks richten sich nach der gewünschten Reichweite. Zwischen 10.000 und einer halben Millionen können es sein. Dabei unterscheiden sich die Inhalte stark vom Fernsehen. "Ein Werbespot hat eine andere Dramaturgie und wird nicht gerne verbreitet." Deshalb bleibt häufig das Produkt oder die Firma im Hintergrund. Etwa wenn ein Mann mit mehreren Hämmern jongliert und neben ihm nur ein Eimer mit dem Namen einer Baumarktkette steht.

Virales Marketing nennt sich diese subtile Werbung mit skurrilen Inhalten - weil sie wie ein Virus von Mensch zu Mensch getragen wird. Und eben darauf hat sich auch Simone Neipps Arbeitgeber spezialisiert. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet sie als Seeding-Spezialistin für Webguerillas in München, eine "Agentur für alternative Werbeformen", wie diese sich selbst nennt. Webguerillas zählt zu den Marktführern in Deutschland der besonders raffinierten Werbung mit Kunden wie Mini oder Deutsche Telekom. Regelmäßig gibt die Agentur sogar eine eigene Studie in Auftrag. Die Ergebnisse von 2011: Hauptsächlich Firmen mit hohem Marketing-Budget würden virales Marketing einsetzen und dafür etwa zehn bis 15 Prozent vom gesamten Werbeetat ausgeben.

Als Seeding-Spezialist arbeitet Simone Neipp eng mit ihren Kollegen zusammen. Ein Team denkt sich ein Konzept für ein virales Projekt aus, ein anderes setzt es um. Und Simone Neipp sät es am Ende aus. Wie einige ihrer Kollegen hat sie Kommunikationswissenschaft studiert, dort bereits viele Medien analysiert. Doch auch Quereinsteiger mit Marketing-Erfahrung finden sich bei der Agentur wieder. Wichtig sei vor allem, ein Gespür dafür zu haben, was Menschen im Internet bewegt. Außerdem müsse man sich ständig über neue Entwicklungen im Netz informieren.

Ob sie bei dessen schnellen Umbrüchen nicht Angst habe, dass ihr Beruf irgendwann wieder wegfällt? Simone Neipp ist überzeugt: "Gute Inhalte im Internet sind immer gefragt."

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