Berufe-Serie (III):Was macht ein Compliance Officer?

Ein fingierter Autounfall, ein ungeklärter Brand, ein unschlüssiger Schadensfall: Franz Blaschek kann kaum jemand etwas vormachen. Er jagt Versicherungsbetrüger jeder Sorte - und das nicht nur außer Haus.

Tobias Brunner

Wenn die Terroristen zuschlagen, muss Franz Blaschek besonders aufpassen. Nicht auszudenken, welcher Schaden entstünde, übersähe eine Abteilung da etwas. "Das kann erhebliche Strafen nach sich ziehen", sagt er und erzählt Minuten später schon von fingierten E-Mails aus Nigeria und den 30 Millionen aus Saddams Staatsschatz, die in den Schreiben versprochen würden.

Franz Blaschek, 2012

Franz Blaschek ist stellvertretender Chief Compliance Officer der Allianz Deutschland AG - er ist dafür zuständig, dass alles seine Ordnung hat.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wer den 48-Jährigen reden hört, der könnte meinen, der Mann jage auf der ganzen Welt Verbrecher für den Geheimdienst. Aber Blaschek sitzt in München in einem Büro der Allianz Deutschland. Er ist stellvertretender Chief Compliance Officer und als solcher Regelwächter und zuständig für alle Arten von Wirtschaftskriminalität.

Dass Terroristen Bomben bauen, ist das Eine. Dass sie dafür Geld brauchen, das Andere. Und dass sie dieses nie erhalten, das ist Blascheks Ziel. Für ihn geht es deshalb stets um eine Frage: "Wie könnte jemand zu Geld kommen?" Über eine hohe Lebensversicherung mit vorgetäuschtem Tod zum Beispiel. Oder durch einen inszenierten Autounfall, der brächte leicht ein paar Tausend Euro ein. Ganz zu schweigen von den Betrügern, die Geld waschen wollen. Sollten solche Versuche erfolgreich sein - es wäre ein herber Verlust für das Ansehen der Allianz. Und damit ist Franz Blaschek auch schon mittendrin in seiner Arbeit, bei der die Grenzen zwischen Betrug, Geldwäsche und Korruption manchmal schnell verschwimmen.

Dennoch haben viele dieser Verbrechen etwas gemeinsam: Denn ihr Ende beginnt nicht selten am Computer, genauer gesagt an Blascheks Computer. Täglich werden dort die Sanktionslisten der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen aktualisiert. Ein Programm gleicht die Listen dann automatisch mit den eigenen Daten ab. Eine andere Software wird mit bestimmten Kriterien gespeist, filtert auffällige Transaktionen raus und meldet diese. Ein Tanker, der Rohöl aus Iran verschifft? Kann beim derzeitigen Embargo der EU nicht versichert werden. Ein Geldwäsche-Fall? Kapital einfrieren, dem Landeskriminalamt melden, Beziehungen beenden. Aber: "Die Betrüger werden immer cleverer."

Auf die Kommunikation kommt es an

Dabei lauert das Risiko keinesfalls nur bei den Geschäftspartnern. Auch intern recherchieren Blaschek und seine neun Kollegen, davon die Hälfte Frauen. Bei Verstößen gegen den Verhaltenskodex. Oder wenn ein wichtiger Auftrag an den Ehepartner eines Mitarbeiters vergeben wird. Die Regelwächter reisen dann mitunter quer durch Deutschland, stellen Fragen, sichten Akten - häufig sogar zu zweit. Bis zu einer Woche kann es dauern, einen Hinweis abzuarbeiten.

Rund 80 Prozent aller Vermutungen würden sich dabei bestätigen. "Wir sprechen mit den Beschuldigten ganz offen. Es gäbe nichts Schlimmeres, als hinten herum von Ermittlungen zu erfahren", sagt Blaschek. Über die Folgen eines Verstoßes entscheidet ein Komitee, besetzt mit Vertretern aus den Abteilungen Compliance, Recht und Revision.

Überhaupt die Kommunikation. "Wir müssen klar abgrenzen: Wer ist für was zuständig", betont Blaschek. Sollte einmal gegen das Unternehmen ermittelt werden, muss die Verantwortung eindeutig verteilt sein. Und weil die Compliance als eigene Sparte bei der Allianz erst 2008 geschaffen wurde, weisen er und seine Kollegen regelmäßig auf ihre Aufgabe hin, schreiben in der Mitarbeiterzeitung. Dabei ist die Funktion des Regelwächters an sich eine klassische: Überprüft eine Rechtsabteilung, ob alle Gesetze eingehalten werden, betreibt sie auch Compliance.

Zwar bieten private Hochschulen inzwischen Studiengänge mit Zertifikat an. Die Allianz vertraut jedoch auf interne Kurse, übt Interviews und schult die Recherche im Internet. "Juristische oder investigative Kenntnisse helfen", sagt der 48-Jährige, der bei den Sozialversicherungen begann und 1995 zur Allianz wechselte. Auch die Polizei sei ein guter Anfang, schiebt er noch nach - und vertraut damit ganz auf jene, die irgendwann seine Arbeit zu Ende und die von ihm entlarvten Betrüger ins Gefängnis bringen.

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