Berufe im Casino:Aufstieg am Spieltisch

Vom Croupier zum Manager: Karrieren in den meist staatlichen Casinos verlaufen in fest gefügten Bahnen.

Ingo Butters

(SZ vom 12.4.2003) — Noch eine Viertelstunde bis Spielbeginn. Der Roulette-Saal des Casinos in Garmisch-Partenkirchen liegt im Halbdunkel. Nur ein leises Klacken ist zu hören.

croupier

Ein Croupier in der Spielbank Baden-Baden.

Hinter einer Scheibe aus dickem Glas bereitet Kassierer Klaus die Jetons vor. Mit flinken Handgriffen zählt er Stapel der Plastik-Chips durch.

Aufnehmen, ausbreiten, zählen und aufnehmen. Wieder und wieder, hunderte Mal am Tag. Die Bewegung muss nicht nur sitzen, sie muss elegant und lässig wirken.

So wie bei den Croupiers. Acht von ihnen beginnen mit der ersten Nachmittagsschicht.

In Vierer-Teams werden sie an den Roulette-Tischen arbeiten.

Noch aber hocken sie in der Kantine und warten. Im Gegensatz zum mondänen Spielsaal sieht es dort ziemlich rustikal aus: Tische und Stühle sind eiche-furniert, an holzgetäfelten Wänden hängen Fotos der letzten Betriebsfeiern.

Nur die Kleidung der Anwesenden wirkt seltsam deplatziert. Alle tragen schwarze Jacketts und Hosen, weiße Hemden und eine Fliege.

Auch Claudia. Seit zwei Jahren arbeitet die 24-Jährige als Croupier im Garmischer Casino. "Ein ganz normaler Job", sagt sie, "wie bei einer Bank".

Vielleicht stapelt sie ein bisschen tief. Als sie um 14.45 Uhr mit ihren Kollegen den französischen Roulette-Tisch eröffnet, hat sie ein ernstes, würdevolles Gesicht aufgesetzt.

Schätzungsweise 3500 Croupiers arbeiten in den 65 deutschen Spielbanken. Noch immer sind die meisten Casinos direkt oder indirekt im Besitz der Bundesländer.

Diese halbstaatlichen Strukturen sorgen dafür, dass in den meisten Spielbanken alles in fest gefügten Bahnen läuft.

Und auch Karrieren verlaufen hier solider als man denkt.

Croupiers müssen sich in Jahrzehnten hocharbeiten — im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr Platz am Roulette-Tisch verdeutlicht ihren beruflichen Status.

Am unteren Tischende stehen die Einsteiger. Sie platzieren die Jetons der Gäste. Dann führt der Weg an den Kessel und irgendwann ans andere Ende des Tischs.

Dort thront, auf einem Sessel, der Tischchef und überwacht das Geschehen.

Manche Croupiers bleiben ein Leben lang am Tisch. Andere schaffen den Sprung zum Saalchef, vielleicht zum technischen Leiter, und müssen sich dann um den reibungslosen Ablauf im ganzen Casino kümmern.

Dafür werden sie mit bis zu 5000 Euro und mehr entlohnt. Die Verdienste der Tisch-Croupiers sind bescheidener: Einsteiger verdienen um die 1500 Euro, erfahrenere Kollegen bringen es mindestens auf 3500 Euro.

Konkurrenz durch Automaten

Traditionell werden Croupiers aus dem Tronc, den Trinkgeldern der Gäste, bezahlt. Im vergangenen Jahr war der aber nur mäßig gefüllt.

Auch die deutschen Casinos leiden unter der Rezession: 2002 musste die wachstumsverwöhnte Branche sinkende Einnahmen verkraften.

Vorerst werden hierzulande keine neuen Spielbanken entstehen, meint Matthias Hein, Geschäftsführer des Interessenverbandes der deutschen Spielbanken.

Außerdem leide das so genannte klassische Spiel wie Roulette oder Poker seit Jahren unter dem wachsenden Erfolg der Automatenspiele.

Immer mehr Casinos zahlen ihren Croupiers deshalb ein festes Grundgehalt, das je nach Erfahrung aus dem Tronc aufgebessert wird.

Claudia steht noch ganz am Anfang. Sie kam durch eine Zeitungsannonce zum Croupier-Beruf. Damals fahndete das Casino Bad Wiessee nach Nachwuchs.

"Mehr aus Gaudi", sagt Claudia, habe sie sich um den dreimonatigen, kostenlosen Abendkurs beworben. Je nach Bedarf veranstalten die Spielbanken solche Kurse selber, um daraus ihren Nachwuchs zu rekrutieren.

Eine bundesweit einheitliche Ausbildung gibt es nicht. Wie viele Teilnehmer schließlich übernommen werden, variiert deshalb je nach Bundesland und Spielbank.

"Bewerber müssen ein gutes Auftreten haben. Sie sollten mindestens die Mittlere Reife haben und Englisch, gerne auch Französisch oder Italienisch sprechen", sagt Eduard Fink, Direktor der Lindauer Spielbank.

"Außerdem müssen sie belastbar sein, der Croupier-Beruf ist strapaziös. Man arbeitet in Schichten, nachts und am Wochenende." Entscheidend sind Geschicklichkeit und Konzentrationsfähigkeit.

Wenn ein Dutzend Spieler am Roulette-Tisch steht und sich die Jetons türmen, müssen die Croupiers den Überblick behalten.

"Es kann schon mal passieren, dass sich zwei Gäste um einen Gewinn streiten", sagt Claudia. Sie muss dann wissen, wer wann was gesetzt hat.

Eine lebenslange Karriere im Spielsaal, wie sie Claudia im Garmischer Casino anstrebt, wäre bei der in Münster ansässigen Westspielgruppe eher die Ausnahme.

Der Marktführer betreibt bundesweit sechs Casinos, beschäftigt 1000 Menschen und hat mit traditionellen Spielbanken nicht mehr viel zu tun.

Westspiel ist ein zentral gemanagtes Großunternehmen mit sechs Niederlassungen. Croupiers werden meist befristet angestellt, oft jobben in den Spielsälen Studenten, die so ihre Finanzen aufbessern.

Dafür bieten sich bei dem Unternehmen Karriereperspektiven jenseits der Spieltische, auch für bis dato spielunerfahrene Akademiker: Seit eineinhalb Jahren bildet Westspiel in einem 18-monatigen Trainee-Programm seinen Management-Nachwuchs aus.

"Die Ausbildung haben wir als duales System ausgelegt", sagt Monika Aberle-Mayer, Leiterin der Personalentwicklung. "Die Trainees lernen das klassische und das Automatenspiel in den Casinos kennen, werden aber auch in allen Bereichen der Verwaltung, im Marketing und Personalmanagement ausgebildet."

Die 26-jährige Betriebswirtin Katrin Koch zählt zu den ersten Absolventen. Sie kam im September 2001 als "absoluter Frischling" ins Unternehmen und hat das Trainee-Programm mittlerweile beendet.

Als Assistentin der Geschäftsführung stieg sie ins Westspiel-Management ein. Allerdings: Solche Stellen sind rar, in der Westspiel-Zentrale arbeiten gerade einmal 50 Mitarbeiter.

Hohe Gehälter in Deutschland

Ähnlich ist die Situation bei dem österreichischem Unternehmen Casinos Austria International. Die Firma betreibt 72 Casinos weltweit und beschäftigt 5000 Menschen auf allen Kontinenten.

Personalbedarf besteht vor allem in den Spielbanken. Neben Einsteigern, die in der Regel vor Ort angeworben werden, haben hier auch berufserfahrene Croupiers Chancen. Sie können in den Spieltempeln direkt ins mittlere oder gehobene Management einsteigen.

Allerdings: "Deutsche Croupiers bewerben sich selten bei uns", bedauert Alexander Tucek, der beim Konzern für das Personalwesen zuständig ist.

Grund für die mangelnde Reiselust: Die über Jahrzehnte gewachsene Casino-Landschaft in Deutschland sorgt dafür, dass Croupiers hier mehr verdienen als im Ausland — trotz der aktuellen Flaute.

(sueddeutsche.de)

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: