Beruf:Warum ecke ich im Job ständig an?

Ihre letzten Stellen hat Sandra S. alle wegen Problemen mit Kollegen und Chefs verloren. Nun bittet sie den SZ-Jobcoach um Rat.

SZ-Leserin Sandra S. fragt:

Nach meiner Banklehre habe ich ein naturwissenschaftliches Fach studiert und darin promoviert, immer mit Bestnote. Anschließend war ich als Produktmanagerin und im Marketing von Pharmaunternehmen tätig. Leider habe ich über kurz oder lang immer wieder meine Stelle verloren, meist durch Probleme mit Chefs und Kollegen. Mein Lebenslauf ist daher arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Damit das Ganze nicht so auffällt, habe ich mit meinem letzten Arbeitgeber vereinbart, dass ich selbst gekündigt habe. Was halten Sie davon?

Madeleine Leitner antwortet:

Liebe Frau S., auch wenn Sie offiziell selbst gekündigt haben: Ohne dass dafür im Arbeitszeugnis ein triftiger Grund angegeben wird oder Sie eine Anschlusstätigkeit nachweisen können, wirft das bei Insidern Fragen auf. Misstrauen erregen auch wechselhafte Stationen und die klassischen verdächtigen Formulierungen.

Der SZ-Jobcoach

Madeleine Leitner ist Diplom-Psychologin und hat als Therapeutin in Kliniken, als Gerichtsgutachterin und Personalberaterin für große Konzerne gearbeitet. Heute ist sie selbständige Karriereberaterin in München.

Wenn sich bestimmte Dinge ständig wiederholen, sollten Sie sich besser einmal grundlegender mit Ihren Konflikten im Job beschäftigen. Natürlich trifft man im Arbeitsleben auch immer wieder auf schwierige Zeitgenossen. Aufgrund der Häufigkeit dürften die Gründe allerdings zumindest teilweise in Ihnen selbst liegen. Manchen Menschen fällt es zum Beispiel schwer, sich in andere einzufühlen; andere fühlen sich schnell angegriffen oder reagieren allergisch auf Chefs, weil sie aufgrund ihrer Biografie generell ein Problem mit Autoritäten haben. Kleine Missverständnisse können rasch eine Eigendynamik entwickeln und in großen Katastrophen enden.

Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, sollten Sie noch einmal Ihre Erfahrungen Revue passieren lassen. Was waren die Auslöser für Ihre Probleme? Wie ist die Situation dann weiter eskaliert? Erkennen Sie bei genauer Betrachtung ein bestimmtes Muster? Wenn Sie trotz Eigenanalyse und der Befragung von Freunden noch immer vor einem Rätsel stehen, suchen Sie am besten Hilfe bei einem Experten. Mit ein wenig mehr Selbsterkenntnis gelingt es Ihnen vielleicht, angemessenere Verhaltensweisen für kritische Situationen zu entwickeln.

Der Kontrast zwischen besonders guten Noten und beruflichen Problemen bringt mich zu einer weiteren Hypothese. Beruflicher Misserfolg kann auch in einer Hochbegabung begründet liegen. Hochbegabte erkennen sofort alle Schwachstellen an den Plänen und Vorstellungen ihrer Mitmenschen. Dadurch geraten sie oft in die Rolle eines Störenfrieds und Nörglers, selbst wenn sich zuletzt herausstellt, dass sie mit ihren Warnungen recht hatten. Überbringer von Hiobsbotschaften haben bekanntlich kein glückliches Los.

Aus der Perspektive der Hochbegabten stellt sich die gleiche Situation natürlich anders dar: Sie sind verzweifelt, weil ihre Chefs immer wieder offenen Auges gegen eine Wand rennen. Sie fühlen sich durch Kollegen genervt, weil diese ständig mit Bagatellen auf sie zukommen und von der Arbeit abhalten - offensichtlich nur aus einem einzigen Grund: um sie zu ärgern. Oder sie beklagen sich über ihre faulen oder dummen Mitarbeiter, die ihre Aufgaben nie bis zum Ende durchdenken.

Die meisten meiner Klienten hatten übrigens keine Ahnung von ihrer Hochbegabung. Sie wären niemals auf die Idee gekommen, dass sie einfach mehr sehen als andere. Bekanntlich geht jeder zunächst von sich selbst aus und hält sich für die Norm. Wenn sie besser verstehen, dass Ihre Mitmenschen nicht dumm sind, können sie oft in solchen Situationen gelassener reagieren. Viele Hochbegabte sind beruflich erfolgreich und kommen völlig reibungslos mit ihren Mitmenschen aus. Für die anderen Zeitgenossen gibt es drei Handlungsoptionen:

Erstens: Geben Sie Arbeitgebern die Chance, Ihre Eigenheiten besser zu verstehen. Am besten liefern Sie ihm gleich im Vorstellungsgespräch eine Art Gebrauchsanweisung für sich selbst: "Sie haben am meisten von mir, wenn ..." Äußern Sie zum Beispiel Verständnis dafür, dass Ihre Sichtweise irritierend sein kann. Bringen Sie aber konkrete Beispiele dafür, wie Sie mit Ihrer Einschätzung der Situation am Ende doch recht hatten. Ihre Gesprächspartner sollten unbedingt die Chance haben, darüber nachzudenken, ob sie mit Ihrer Art zurechtkommen werden.

Zweitens: Gehen Sie bewusst auf Firmen zu, in denen auch andere Überflieger arbeiten. Dort sind Sie kein störender Fremdkörper, sondern einer unter vielen.

Drittens: Wählen Sie bewusst eine Position, bei der Sie möglichst wenig Kontakt mit internen Abläufen haben. Solche Reibereien können Sie am besten als Selbständige, in einer anspruchsvollen Fachfunktion mit möglichst wenigen Schnittstellen oder in einer klassischen Einzelkämpferrolle vermeiden.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Etikette oder Arbeitsrecht? Dann schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere Experten beantworten ausgewählte Fragen. Ihr Brief wird anonymisiert.

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