Beruf:Soll ich meine Krankheiten schon in der Bewerbung offenbaren?

Gabriele S. würde nach einer krankheitsbedingten Auszeit gerne wieder in ihrem Beruf arbeiten. Was ihr die Expertin rät.

SZ-Leserin Gabriele S. fragt:

Nach zehn Jahren als zweite Konzertmeisterin eines führenden Kammerorchesters entschied ich mich für einen Wechsel in die Lehrtätigkeit - auch, um meine kranken Angehörigen betreuen zu können. Ich arbeitete halbtags in Festanstellung an einer städtischen Musikschule und als freiberufliche Dozentin an einer Musikhochschule in Honorartätigkeit. 2013 riss mir eine Sehne der linken Hand, sodass ich nie mehr als Geigerin arbeiten kann. Kurz darauf wurde mir ein Hirntumor entfernt, nach wie vor leide ich unter Sehstörungen, Schwindel und Unsicherheit beim Gehen. Trotzdem würde ich gerne wieder in meinem Beruf als Pädagogin arbeiten, kann aber nicht selbständig zur Arbeit gelangen. Sehen Sie eine Möglichkeit für mich, wieder zu arbeiten?

Christine Demmer antwortet:

Liebe Frau S., bevor ich auf Ihre Frage eingehe, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie unter Umständen einen Ausweis für Schwerbehinderte beantragen können. Das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung - dieser drückt die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Prozent aus - entscheidet das für Sie zuständige Versorgungsamt auf Antrag. Bei einem festgestellten Grad der Behinderung ab 50 Prozent besteht Anspruch auf Steuerermäßigungen, fünf Tage mehr Urlaub sowie auf einen erhöhten Kündigungsschutz am Arbeitsplatz.

Der SZ-Jobcoach

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Deutschland und Schweden. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin zahlreicher Sachbücher zu Kommunikations- und Personalthemen.

Diese Bevorzugung gegenüber gesunden Arbeitnehmern soll den erlittenen Schicksalsschlag mildern. Wer jedoch erst eine Stelle sucht, entdeckt nicht selten, dass das ein Danaergeschenk sein kann. Nicht wenige Arbeitgeber legen Anschreiben mit dem Hinweis "Schwerbehinderung" erschrocken zur Seite. Manche argwöhnen, der Bewerber sei weniger leistungsfähig als andere Mitarbeiter. Andere zucken vor dem zu gewährenden Mehrurlaub zurück oder befürchten, sie müssten den Arbeitsplatz aufwendig umbauen.

In vielen Fällen scheuen Personalchefs schlicht vor der Andersartigkeit des Bewerbers zurück. Sie sorgen sich, dass die Homogenität ihrer Teams gestört werden könnte und zahlen lieber die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe. Dazu ist jeder Arbeitgeber mit 20 oder mehr Arbeitsplätzen verpflichtet, wenn er auf die Einstellung von schwerbehinderten Menschen verzichtet.

Sie können die Behinderung verschweigen

Als Bewerberin mit einer anerkannten Schwerbehinderung können Sie diesen Sachverhalt für sich behalten, solange die Erkrankung oder deren Nachwirkungen keine Einschränkungen bei der Ausübung der ausgeschriebenen Stelle mit sich bringen. Vieles lässt den Schluss zu, dass die Chancen auf eine Einladung sinken, wenn man eine Behinderung bereits im Anschreiben erwähnt.

Anders ist das jedoch bei der Bewerbung auf Stellen im öffentlichen Dienst. Denn Ämter und Behörden sind verpflichtet, alle fachlich passenden behinderten Bewerber ab einer Schwerbehinderung von 50 Prozent beziehungsweise ihnen Gleichgestellte bei mehr als 30 Prozent zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

Das führt zur Antwort auf Ihre Frage. Es gibt in Deutschland eine ganze Reihe öffentlicher Gymnasien und Internatsschulen, die Bedarf an einer Musikpädagogin haben könnten, die trotz gesundheitlicher Einschränkungen mit Begeisterung bei der Sache ist. Dort können Sie sich natürlich auch dann bewerben, wenn Sie auf die offizielle Anerkennung Ihrer Behinderung verzichten. Bei den ausgedehnten Schulferien dürften fünf Tage Urlaub mehr oder weniger kaum ins Gewicht fallen.

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