Beruf:Frauen und das Gesetz

Den Gewerkschaften reicht die freiwillige Förderung von Frauen in Unternehmen nicht.

Von Judith Raupp

Ende des 19. Jahrhunderts kämpften Frauen am Arbeitsplatz vor allem um den Mutter- und Gesundheitsschutz. In diesen Tagen streiten sie in den Industrieländern um die Chancengleichheit im Wirtschaftsleben. Ex-Familienministerin Sabine Bergmann wollte diese schon 2000 in einem Gesetz festschreiben. Der Entwurf verschwand in der Schublade. Jetzt, rechtzeitig zum Weltfrauentag am 8. März, fordern die Gewerkschaften erneut ein Gleichstellungsgesetz.

Heruntergehandelt

Gegen Bergmanns Pläne liefen damals die Arbeitgeber Sturm und fanden Gehör beim Kanzler. Gerhard Schröder wollte von Frauen "und dem Gedöns" nichts wissen. Dabei hatte der Entwurf die Arbeitgeber kaum in die Pflicht genommen. Zunächst sollten sie mit den Betriebsräten oder Tarifparteien verbindliche Schritte zur Frauenförderung vereinbaren: familienfreundliche Arbeitszeiten, Weiterbildung, Kinderbetreuung, Beförderung ins Management, gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Sollte dies nichts bringen, wollte Bergmann Gleichstellungsbeauftragte in den Betrieben durchsetzen und ein Klagerecht auch für Verbände wie Gewerkschaften. Eine Frauenquote bei der Besetzung von Jobs war nicht vorgesehen.

Die Arbeitgeber handelten das Gesetz zu einer sehr lockeren "Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit" herunter. Sollte sie nach zwei Jahren nicht greifen, so Schröder, werde die Regierung über ein Gesetz reden.

Spektakuläres Urteil

Dazu ist es höchste Zeit, findet der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Er beruft sich auf eine Studie, die er mit der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gab. 500 Unternehmen wurden befragt, die Ergebnisse vor kurzem vorgestellt. Fazit: Bei zwei Dritteln der Firmen stagniert der Frauenanteil an der Belegschaft bei 37,6 Prozent, im oberen und mittleren Management bei 15,7 Prozent. Kinderbetreuung, Gleichstellungsbeauftragte, Beförderung von Frauen - Fehlanzeige. Noch immer verdienen Frauen im Durchschnitt deutlich weniger als Männer. Die Gewerkschaften urteilen: "Die Selbstverpflichtung ist ein Flop." Zu viele Entscheider seien traditionellen Rollenmustern verhaftet. "Das Schlimme ist, dass sie das selbst gar nicht merken", sagt Ute Brutzki, Gleichstellungs-Referentin bei Verdi.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und die Regierung sehen das anders. Für ein Gesetz sei kein Bedarf. Das Familienministerium will die Situation später nochmals bewerten. Die BDA verweist auf die "hohe Erwerbsquote der Frauen von 58,8 Prozent". Ein Gesetz bringe zu viel Bürokratie. Chancengleichheit sei keine rein betriebliche, eher eine gesellschaftliche Aufgabe. Und bei der Kinderbetreuung ruft die BDA nach dem Staat.

Anders ist das in der Schweiz. Dort existiert seit 1996 ein Gleichstellungsgesetz mit Klagerecht. Der Verwaltungs-Aufwand sei gering, sagen die Arbeitgeber. Zwar sind erst wenige Schweizerinnen im Top-Management. Und die Frauen-Löhne sind oft niedriger als die ihrer Kollegen. Doch immerhin hat das Bundesgericht vor kurzem ein spektakuläres Urteil gesprochen. Eine Managerin bekam 200.000 Franken Schadenersatz, weil sie weniger verdiente als Männer auf vergleichbarem Posten.

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