Berlin: "Pro Reli":Wowereit rügt die evangelische Kirche

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Berlins Bürgermeister Wowereit kritisiert Bischof Huber: Der habe "den Volksentscheid zu einer Kampfansage" gemacht. Die Kanzlerin ist enttäuscht.

Constanze von Bullion

Nach dem Scheitern des Volksentscheids über den Religionsunterricht an Berliner Schulen wurde am Montag weiter über die Konsequenzen der Entscheidung diskutiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel bedauerte die Niederlage von "Pro Reli".

Hell und Dunkel: Eine Karte zeigt, dass der Westteil Berlins am Sonntag für die Einführung des Faches Religion gestimmt hat, der Ostteil dagegen. (Foto: Foto: AP)

Sie habe sich bekanntlich ein anderes Ergebnis gewünscht, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag, "aber die Entscheidung ist gefallen und zu respektieren". Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) dagegen begrüßte das Votum für das Pflichtfach Ethik in Berlin, das eindeutiger nicht habe ausfallen können. "Die Berlinerinnen und Berliner haben deutlich gemacht, dass sie für Gemeinsamkeit stehen", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Gescheitert seien aber nicht nur die Kirchen, die "Pro Reli" mit einer offensiven Werbekampagne unterstützt haben, sagte Wowereit. Auch das Auftreten von Berlins evangelischem Landesbischof Wolfgang Huber, der "Pro Reli" zu seinem persönlichen Anliegen gemacht habe, sei nicht gut angekommen.

"Bischof Huber hat entgegen der Ratschläge aus den eigenen Reihen diesen Volksentscheid zu einer Kampfansage gemacht, und er hat seiner Kirche keinen Gefallen damit getan", sagte Wowereit. Die Ethikpflicht in Berlin habe nun mehr Zustimmung denn je. Dennoch werde die Landesregierung das Fach weiter verbessern. "Die Werteerziehung unterliegt immer der Weiterentwicklung."

Landesbischof Wolfgang Huber wies die Kritik an seinem Einsatz für "Pro Reli" zurück. "Es hat in der letzten Phase der Auseinandersetzung sicher Zuspitzungen gegeben", sagte er der SZ. "Ich habe mich bei diesen Fragen auch klar positioniert, aber ich war bestimmt nicht auf Polarisierung aus."

Das Thema habe ihm "sehr am Herzen gelegen", dafür schäme er sich nicht. Er werde sich weiter für Eltern einsetzen, die für ihre Kinder Religionsunterricht wollten. Die Kirchen seien aber auch bereit, auf die Gegenseite zuzugehen, um "innerhalb der jetzigen Rahmenbedingungen das Bestmögliche zustande zu bringen".

Die Initiative "Pro Reli" war am Sonntag mit dem Versuch gescheitert, Religion in Berlin zum ordentlichen Schulfach zu machen und das Pflichtfach Ethik, das alle Oberschüler ab der 7. Klasse belegen müssen, abzuschaffen. Um dies zu erreichen, hätte "Pro Reli" die Zustimmung von einem Viertel der Stimmberechtigten gebraucht.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis stimmten nur 14,2 Prozent von ihnen für "Pro Reli". Eine Mehrheit von 51,3 Prozent sagte Nein zu "Pro Reli". Zwischen Ost und West klafften die Meinungen weit auseinander. Während im östlichen Bezirk Lichtenberg 78,4 Prozent gegen "Pro Reli" stimmten, waren im West-Bezirk Spandau 69,2 Prozent dafür.

"Dies ist ein schmerzlicher Ausgang der Abstimmung", erklärte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Das Berliner Ergebnis lasse sich jedoch "nicht auf andere Bundesländer übertragen". Er appellierte an den Berliner Senat, sich nun verhandlungsbereit zu zeigen. Das Bündnis "Pro Ethik", das sich beim Volksentscheid durchgesetzt hatte, warnte vor einer Fortsetzung des Streits. Jetzt gelte es, "die in der harten Auseinandersetzung der letzten Monate aufgerissenen Gräben zuzuschütten. Dies wird nicht einfach sein."

Im Berliner Abgeordnetenhaus blieben die Meinungen über den Volksentscheid geteilt. Die FDP-Bildungsexpertin Mieke Senftleben forderte den Senat auf, den Schulen in den unterschiedlichen Bezirken mehr Spielraum bei der individuellen Gestaltung der Religions- und Wertekunde zu geben. Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus warnten den Senat davor, sich auf seinem Erfolg auszuruhen.

"Es reicht nicht aus, ein Fach Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler anzubieten", erklärten sie. "Der gemeinsame Ethikunterricht muss qualitativ verbessert werden." Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg, der sich gegen "Pro Reli" ausgesprochen hatte, forderte den Senat auf, den Religionsunterricht stärker zu kontrollieren und sich intensiver um die Entwicklung einer freiwilligen und zeitgemäßen Islamkunde in Schulen zu bemühen.

© SZ vom 28.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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