Befristete Arbeitsverträge:Sicherheit nur in Ausnahmefällen

Jeder jammert über die steigende Zahl befristeter Jobs. Aber die Unsicherheit wird Alltag werden - und sie bietet Chancen.

Marc Beise

Lieber befristet beschäftigt als unbefristet arbeitslos. Der Satz stammt, natürlich, vom wortgewaltigen Norbert Blüm und ist 25 Jahre alt. Er hat eine andere Wirkung entfaltet als das berühmte "Die Rente ist sicher". Für sein Versprechen zur Rente wird der Langzeit-Arbeitsminister und CDU-Politiker bis heute belächelt, er selbst hält trotzig bis heute an der Aussage fest.

Formal ist Blüm im Recht. Ja, die umlagenfinanzierte gesetzliche Rente ist (noch) sicher, aber in einer alternden Gesellschaft nur um den Preis immer neuer staatlicher Zuschüsse. Es bleibt ein zweifelhaftes Versprechen. Dagegen war die Blümsche Begründung für das erste Befristungsförderungsgesetzes im April 1985 nachgerade prophetisch.

Heute gehören befristete Arbeitsverhältnisse zum deutschen Alltag, sie werden immer mehr. Mittlerweile sind 2,7Millionen Arbeitnehmer oder knapp neun Prozent aller Erwerbstätigen betroffen, also jeder elfte Arbeitnehmer. Nimmt man weitere neuartige Instrumente hinzu, Minijobs, Teilzeitarbeit, Zeitarbeit, dann kommt man auf etliche Millionen früher kaum gekannter Jobs. Die Experten sprechen von "atypischen", Kritiker von "prekären" Arbeitsverhältnissen. Beides ist irreführend.

Ächzen unter dem Strukturwandel

Atypisch sind diese Arbeitsverhältnisse nur, solange die unbefristete Dauertätigkeit normal ist. Diese gute alte Zeit geht langsam, aber sicher zu Ende. Deutschland verändert sich, die einst mächtige Industrienation ächzt unter dem Strukturwandel, kämpft im internationalen Wettbewerb und sucht noch den Weg in die Dienstleistungsgesellschaft.

In diesen Zeiten verliert das Wort "Normalität" an Aussagekraft. Schüler kennen keinen vorgefertigten Karriereweg mehr, Abiturienten haben den Studienplatz keinesfalls in der Tasche, Absolventen bewerben sich vergeblich um Jobs. Wer dann unterkommt bei Siemens, BMW oder im Mittelstand, ist anders als früher nicht mehr sicher fürs Leben. Die Ungewissheit wird Alltag, und dies prekär zu nennen, hieße die Herausforderung bestenfalls zähneknirschend anzunehmen; prekär steht für kritisch, misslich, schwierig. Die neuen Arbeitsverhältnisse aber sind nicht nur Problem, sondern - Blüm lässt grüßen - auch Chance. Sie ermöglichen häufig Arbeit, wo andernfalls keine mehr wäre.

Neue Vielfalt der Beschäftigung

Dabei ist die neue Vielfalt der Beschäftigung keineswegs zwingend, andere Weichenstellungen wären möglich, alle aber haben mit Flexibilität zu tun. Im respektablen Sozialstaat Dänemark ist - für viele Deutsche eine Horrorvorstellung - der Kündigungsschutz weitgehend abgeschafft, entsprechend gering ist die Bedeutung anderer Jobmodelle.

Hierzulande sind namentlich die Befristungen ein Ventil des hoch regulierten Arbeitsmarktes, in dem Unternehmen sich von ihren Mitarbeitern selbst in der Krise nur mit guten Argumenten und allen Ungewissheiten des Arbeitsgerichtsverfahrens trennen können. Nur wer das Normalarbeitsverhältnis flexibilisiert, kann den Trend zur Befristung umkehren.

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