Wohungssuche in Uni-Städten:Juhu! Zwölf Quadratmeter Bruchbude!

Noch nie zuvor gab es in Bayern so viele Studienanfänger wie im Jahr des doppelten Abiturjahrgangs. Wo sollen sie nur alle wohnen? In manchen Städten überlegt man schon, Turnhallen anzumieten.

M. Scherf und P. Woldin

Studieren 2011 - das heißt in Bayern: Sich in überfüllte Hörsäle zwängen, zur Mittagszeit in lange Mensa-Schlangen einreihen, in Bibliotheken wochenlang auf ein wichtiges Buch warten, und zu allererst: viel Geduld bei der Wohnungssuche aufbringen. Noch nie zuvor haben so viele junge Leute gleichzeitig ein Studium begonnen. Schon seit Jahren steigt die Zahl der Abiturienten und Fachabiturienten stetig an. 2010 hatte schon fast jeder zweite Schulabgänger eine Hochschulreife, und viele wollen noch mehr Bildung: In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Studenten in Bayern um mehr als ein Drittel gewachsen.

Wohungssuche in Uni-Städten: Im diesem Jahr kommen zwei Abiturjahrgänge an die Hochschulen und dazu die jungen Männer, die keinen Wehr- oder Zivildienst mehr leisten. Wo sollen die alle wohnen? Schon jetzt sind bezahlbare Zimmer heiß umkämpft.

Im diesem Jahr kommen zwei Abiturjahrgänge an die Hochschulen und dazu die jungen Männer, die keinen Wehr- oder Zivildienst mehr leisten. Wo sollen die alle wohnen? Schon jetzt sind bezahlbare Zimmer heiß umkämpft.

(Foto: Robert Haas)

Bayern ist - trotz der Studiengebühren - nach wie vor ein attraktives Hochschulland: Im vergangenen Wintersemester waren 290.106 Studenten immatrikuliert, allein die Zahl der Erstsemester stieg um 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Jetzt kommen also gleich zwei Abiturjahrgänge an die Universitäten und dazu die jungen Männer, die keinen Wehr- oder Zivildienst mehr leisten. Nur, wo sollen die alle wohnen?

Wer sich für Würzburg, eine der ältesten Universitäten im deutschsprachigen Raum, entschieden hat, ist besser dran als Studenten in der Landeshauptstadt. Leicht hat man es als Wohnungssuchender dort aber auch nicht. 22.000 Studenten sind derzeit an der Julius-Maximilians-Universität eingeschrieben, man rechnet bis zum Winter mit 2000 zusätzlichen Anfängern. Auf dem Gelände der ehemaligen US-Kasernen hat die Hochschule, die drittgrößte in Bayern, gerade einen neuen Campus Nord eingeweiht, mit mehreren Hörsaal-, Labor- und Seminargebäuden. Das Areal liegt gleich neben dem bestehenden Hubland-Campus. Ein zusätzliches Wohnheim mit 48 Plätzen in Dreier-WGs wird allerdings erst im Juni bezugsfertig.

In München ist die Situation schon immer prekär, allein wegen der exorbitanten Mieten. Im Schnitt zahlt man hier nach der jüngsten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks 348 Euro für ein Zimmer, wobei private Wohnungen noch deutlich darüber liegen können. 10.000 Wohnheimplätze stehen in München zur Verfügung für fast 100.000 Studenten, da haben die meisten gar keine andere Wahl, als sich auf dem freien Markt umzusehen oder erstmal bei den Eltern wohnen zu bleiben - vor allem Fachhochschüler, die oft aus der Region kommen, nutzen den Heimvorteil. Auswärtige hoffen auf die Zimmer-Verlosung des Studentenwerks.

In den kleineren bayerischen Universitätsstädten wohnt man zwar billiger, doch die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist nicht unbedingt entspannter. Bamberg, zum Beispiel: 70.000 Einwohner, 10.000 Studenten. Fürs Sommersemester rechnet man mit 1000 zusätzlichen Studienanfängern. Im Notfall plane man ein Containerdorf mit 50 Einheiten, sagt Frank Tegtmeier vom Studentenwerk.

Maximiliane Hanft, Erstsemester Bachelor in Anglistik, hatte Glück mit ihrem WG-Zimmer. Als die Wohnung ausgeschrieben war, machte sie gerade Urlaub in Australien. Sie musste sich ihren potentiellen Mitbewohnern per Skype vorstellen. "25 Leute hatten sich für den WG-Platz beworben, am Schluss musste gelost werden. Ich bin froh, dass ich überhaupt etwas gefunden habe."

Wie wär's mit "Service-Wohnen"?

Auch in Augsburg sieht man dem Ansturm mit Sorge entgegen. Schon jetzt haben sich dreimal mehr Studenten eingeschrieben als im Sommer 2010, und die Frist läuft noch bis Ende des Monats. Auf der Warteliste des Studentenwerks stehen ein Viertel mehr Suchende als sonst. Eine Wohnanlage in Campus-Nähe befindet sich im Bau, sie wird allerdings erst zum Wintersemester fertig. Immerhin: Wohnungen auf dem freien Markt sind nur halb so teuer wie in München. Für ein Apartment muss man im Schnitt acht Euro, für ein WG-Zimmer sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter bezahlen.

Im Wintersemester geht es richtig los

Mit dem richtig großen Gedränge rechnen die Universitäten aber ohnehin erst zum Wintersemester, wenn auch noch die NC-Fächer hinzukommen und all jene ihr Studium aufnehmen, die nach dem Abitur erst mal durchatmen wollten, bevor sie sich für eine Uni entscheiden. Dann müsse man in Augsburg, so meint Doris Schneider, Geschäftsführerin des dortigen Studentenwerks, im Notfall auch Turnhallen anmieten, Gemeinschaftsräume aufteilen oder Container aufstellen.

Auch die meisten Fachhochschulen haben Programme fürs Sommersemester eingerichtet, um den doppelten Jahrgang zu entzerren. Kempten hatte bisher 4000 Studenten und erwartet 500 mehr. Die in der Stadt verteilten Wohnheime reichen dafür nicht. Aber auch dort wohnt man noch verhältnismäßig günstig: 7,80 Euro pro Quadratmeter kostet im Schnitt ein Apartment auf dem freien Markt.

Jetzt setzen Studentenwerke und Hochschulen auf verständnisvolle Vermieter und die Kirchen, die da und dort noch Kapazitäten hätten. Weil Kommunen und der Freistaat nicht genügend Immobilien zur Verfügung stellen konnten, schließen sich Politiker dem Appell an. In Erlangen - dort sind schon jetzt 2000 Studenten fürs Sommersemester immatrikuliert, während in "normalen" Jahren nur 300 im Sommer anfangen - fleht Oberbürgermeister Siegfried Balleis seine Bürger: "Nehmen Sie Studenten auf!" Es gebe sicher Witwen, die "allein auf 180 Quadratmetern wohnen" und gerne einen angehenden Wissenschaftler bei sich einziehen ließen. Freie Kost und Logis gegen Mithilfe im Haushalt - eine Option, die im besten Falle beiden nützt. Dazu ermuntern auch Sozialstationen ihre ältere Kundschaft.

Kreative Ideen gesucht

Und es gibt weitere kreative Ideen: Stadtverwaltung und Universität in Erlangen wollen einen Test zum "Service-Wohnen" starten: Studenten zahlen nur die halbe Miete, wenn sie als Gegenleistung zum Beispiel die Gartenarbeit für den Vermieter erledigen. Ob das funktioniert, wenn im Sommer zwischen Vorlesung, Tutorium, Mensa und Bibliothek dringend die Rosen gegossen oder der Rasen gemäht werden müssen?

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