Bayern: Arbeitslose Lehrer:0,16 Punkte vom Lebenstraum entfernt

Viel gelernt - für nix: Die Notenhürde für Grundschullehrer ist hoch wie selten. 1600 Uni-Absolventen stehen vor einer ungewissen Zukunft.

Sabina Dannoura

Beate L. hatte einen Traum. "Ich wollte immer schon Grundschullehrerin werden und mit Kindern arbeiten", sagt L. (Name geändert). Nun ist ihr Traum geplatzt. Nach vier Jahren Studium und zwei Jahren Referendariat gehört sie zu den fast 1600 Junglehrern in Bayern, die nicht in den staatlichen Schuldienst übernommen werden. Für die 26-Jährige, die zuletzt in Freising und Neufahrn unterrichtet hat, ein Schock.

Zeugnisse sind geschrieben

Bei der Benotung von Schülern sind Lehrer nicht an den rechnerischen Durchschnittswert gebunden.

(Foto: dpa)

Am Ende ihrer langen Ausbildung arbeitslos sein zu können, wäre ihr nicht in den Sinn gekommen. Doch L. hat ihr Studium nur mit der Note 2,1 abgeschlossen. Um sofort oder in zwei Jahren Beamtin zu werden, hätte sie mindestens die Note 1,94 gebraucht. Diese Hürde ist heuer so hoch wie selten, an ihr ist Beate L. gescheitert.

Die Staatsnote ist quasi die Eintrittskarte ins Beamtenverhältnis. Sie berechnet sich zu gleichen Teilen aus dem Ergebnis des ersten Staatsexamens, in dem wissenschaftliche Kenntnisse abgefragt werden, und dem zweiten Staatsexamen, das die praktischen Fähigkeiten in der Schule beurteilt. Susanna K. zum Beispiel hat in der Theorie nicht so gut abgeschnitten und steht nun mit der Note 2,5 auf der Straße: "Ich bin unglaublich enttäuscht", sagt sie. Der Staat habe nur Noten im Blick, "auf den Menschen und seine Fähigkeiten kommt es ausgerechnet in der Grundschulpädagogik nicht an", empört sie sich.

Im vergangenen Jahr standen mehr als 1000 Junglehrer auf der Straße, heuer werden im Grundschulbereich sogar nur 614 von 2200 Bewerbern übernommen. Das Kultusministerium erklärt dies mit rückläufigen Schülerzahlen: Im September würden 18.000 Kinder weniger als 2009 eine Grundschule besuchen. Alle Lehrerverbände lassen diese Begründung jedoch nicht gelten.

Anja Lanzendörfer, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Junglehrer, bezeichnet die Situation als "absurd": 64 Prozent der Prüflinge seien arbeitslos oder würden mit befristeten Verträgen abgespeist. Gleichzeitig stünden zu wenig Lehrer für eine individuelle Förderung zur Verfügung, seien Klassen zu groß, werde Ganztagsunterricht nicht flächendeckend angeboten und Unterrichtsausfall nicht durch professionelle Kräfte ersetzt. "Ausbaden müssen das unsere Schüler. Sie werden ihrer Entwicklungsmöglichkeit beraubt", sagt Lanzendörfer.

Eine Jobgarantie gibt es nicht

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hingegen klopft sich für seine Politik auf die Schulter: Die Einstellung neuer Grundschulkräfte, so teilt er mit, trage dazu bei "dass ein guter Unterricht für unsere Schüler gesichert ist" und die individuelle Förderung ausgebaut werden könne.

Nach der Volksabstimmung zur Schulreform

Die einen klagen über Lehrermangel, die anderen stellen keine mehr ein. Wer in den Staatsdienst will, muss sich anstrengen.

(Foto: dpa)

Wann die arbeitslosen Junglehrer wieder vor einer Klasse stehen werden, ist jedoch ungewiss. Ihre einzige Hoffnung ist ein Anruf der Regierung, der ihnen mitteilt, dass sie im Nachrückverfahren doch noch einen befristeten Vertrag erhalten haben: Im August werden die Stellen vergeben, die von anderen Lehrern abgesagt wurden. Im November, wenn die Mobile Reserve - also die Lehrer, die bei Unterrichtsausfällen einspringen - um 280 Stellen verstärkt wird, gibt es eine weitere Chance.

Beate L. hat sich zunächst auf die Warteliste setzen lassen, dann aber bei Privatschulen beworben. "Drei Monate oder länger zwischen Hoffen und Bangen, ob ich noch reinrutsche oder mit leeren Händen dastehe, das wollte ich nicht", sagt sie. Dabei habe sie sich in einem großen Dilemma befunden: Sobald sie ein anderes Jobangebot annehme, werde sie von der Warteliste des Ministeriums gestrichen. Trotzdem hat sie sich nun für den Wechsel an eine Privatschule entschieden.

Auch andere Junglehrer beklagen diese Zwickmühle: Sollen sie sich einen anderen Job suchen oder auf den Anruf der Regierung hoffen? Das Kultusministerium kann diese Sorgen nicht nachvollziehen: Wer sich zwischenzeitlich eine andere Arbeit suche, werde nicht von der Warteliste gestrichen, versichern die zuständigen Mitarbeiter im Personalreferat. Vielmehr könnten die Prüflinge sich fünf Jahre lang auf die Warteliste setzen lassen, sie müssten nur schriftlich erklären, dass sie weiterhin Interesse an der Übernahme in den Staatsdienst hätten. Weshalb sich dieses Missverständnis seit Jahren bei den Junglehrern hält, kann sich das Ministerium nur mit dem System Flüsterpost erklären.

Barbara Gohritz könnte dies alles kalt lassen, sie ist seit zwei Jahren im Ruhestand. Doch sie erzählt, wie sie in 30 Jahren Schuldienst, zuletzt an der Grund- und Hauptschule in Allershausen (Kreis Freising), "hautnah" erlebt habe, wie es den jungen Kollegen ergehe, die sich mit Idealismus und Energie in die Ausbildung stürzten "und dann einfach nicht gebraucht werden". Weil ihre Note um ein oder zwei Zehntel nicht für die Einstellung reiche. "Die Enttäuschung bei diesen jungen Menschen ist riesengroß", weiß Gohritz. Sie lastet das Missmanagement dem Ministerium an: "Das ist eine Politik des Versagens", entrüstet sie sich.

Kann die Lehrerausbildung nicht vernünftig gesteuert werden, wie die Lehrerverbände fordern? Es gebe keine Berufsgarantie, heißt es im Kultusministerium nur: "Wir geben Prognosen heraus, die Studenten müssen sich nur informieren", beteuert Sprecher Ludwig Unger.

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