Bachelor im Beruf:"Erstaunlich, was sie schon können"

Bachelor und Master sind nicht fit für den Arbeitsmarkt und sie haben keine Zeit mehr, ins Ausland zu gehen. Diese Vorwürfe werden im Jahr elf der Bologna-Reform immer wieder laut. Stimmt nicht, sagen die Unternehmen. Die Bachelor machen ihren Weg. Schwachpunkte gibt es allerdings.

Verena Wolff

Mit der Bologna-Reform sollte sich vieles ändern in der deutschen Hochschullandschaft. Die Leistungen sollten auch über Ländergrenzen hinweg leichter zu vergleichen sein, der Weg ins Ausland vereinfacht werden. Bundesbildungsministerin Annette Schavan zieht eine positive Bilanz der Umstellung auf Bachelor und Master.

Die Chefs der Hochschulen allerdings sehen zehn Jahre nach dem Start der europäischen Studienreform in Deutschland schwere Mängel. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, kritisierte vor allem, das neue System mache es den Studenten nicht leichter, ins Ausland zu gehen.

Doch was meinen Unternehmen zu den Absolventen, die bei ihnen in das Arbeitsleben einsteigen?

Frank Lobert, Leiter Personalmanagement bei der Douglas Holding, zu der unter anderem die gleichnamige Drogeriekette, die Süßwarenkette Hussel sowie der Buchhändler Thalia gehören, zieht eine gemischte Bilanz. "Bachelor-Absolventen bringen schon eine ganze Menge für den Berufsstart mit, wenn sie vorher eine Ausbildung oder gute Praktika absolviert haben." Bei Stellenausschreibungen, die sich explizit an Bachelor-Absolventen richten, bewerben sich gute Leute, die für die Anforderungen geeignet seien. "Nichtsdestotrotz bewerben sich Bachelor-Absolventen auch auf Stellen, die noch mehr universitäre Ausbildung voraussetzen und mehr Erfahrung durch Praktika erfordern", sagt Lobert.

Auch das Selbstbildnis der Absolventen sei gelegentlich etwas trügerisch: "Wir stellen manchmal fest, dass der Anspruch und das Selbstbild der Absolventen durch Strategievorlesungen und manchmal überschätzte Auslandserfahrung nicht ganz mit den tatsächlichen Berufsanforderungen übereinstimmt." Ein Bachelor-Absolvent muss nach seiner Auffassung einschätzen können, ob er das nötige Rüstzeug für eine ausgeschriebene Stelle mitbringt.

Oft wird den Absolventen vorgeworfen, mit 22 Jahren seien sie noch etwas zu jung für den Arbeitsmarkt - es fehle ihnen schlicht an Lebenserfahrung. "Man ist häufig überrascht, was Bewerber mit Anfang 20 schon alles mitbringen", sagt Lobert. Allerdings: "Man muss sagen, dass man in direkten Gesprächen noch etwas Naivität vorfindet, was den Unternehmensalltag angeht."

In Sachen Fremdsprachenkenntnisse sind die Bewerber allerdings heute besser aufgestellt als noch vor einigen Jahren, sagt Lobert. "Dies verwundert aber nicht, da Auslandsaufenthalte heute viel häufiger sind und manche Studiengänge in englischer Sprache stattfinden." Doch die Sprachkenntnis allein mache noch keine Pluspunkte, betont der Personaler: "Fremdsprachenkenntnisse sind zwar wichtig, aber ich muss auch in einer anderen Sprache das Fachwissen haben, um etwas mitteilen zu können."

Einsteiger bei Microsoft Deutschland

Georg Bachmaier ist Leiter Recruiting bei Microsoft Deutschland. Er kann nur Gutes von den Bachelorabsolventen berichten, die sich bei dem Software-Unternehmen bewerben.

Süddeutsche.de: Sind die Absolventen fachlich gut ausgebildet und können gleich in die Jobs einsteigen, für die sie sich beworben haben?

Georg Bachmaier: Wir haben bislang nur gute Erfahrungen mit den Bachelor-Studenten sammeln können. Generell steigen bei uns die Studenten, egal ob Bachelor oder Master, mit einem Trainee-Programm in den Job ein. Sie lernen dabei nicht nur unsere Produkte und Arbeitsweisen kennen, sondern absolvieren auch erste Auslandsaufenthalte. Dabei werden sie eng von ihrem Manager und Mentor begleitet.

Süddeutsche.de: Haben die Bewerber genug Kenntnisse und Lebenserfahrung außerhalb des Studiums?

Bachmaier: Ja, dabei ist für uns ist vor allem eine hohe technische Affinität wichtig und erste Auslandserfahrungen von Vorteil. Neben den gängigen Studienrichtungen interessiert uns vor allem das außeruniversitäre Engagement, etwa IT-nahe Praktika, IT-Projekte an der Hochschule und internationale IT-Wettbewerbe. Diese Erfahrungen sind keine Frage von Abschlüssen, sondern persönlicher Motivation.

Süddeutsche.de: Sind die Fremdsprachenkenntnissen der Absolventen besser oder schlechter als früher?

Bachmaier: Aus unserer Sicht sind die Fremdsprachenkenntnisse der Bewerber gleich gut. Je nach Studienrichtung oder Hochschule haben die sich sogar verbessert.

Süddeutsche.de: Kann man sich auf jede Stelle mit einem Bachelor bewerben oder gibt es auch explizite Master-Stellen?

Bachmaier: Alle unsere Traineestellen stehen sowohl BA- als auch MA-Studenten offen. Wir machen keinen Unterschied.

Absolventen in der Hightech-Branche

Stephan Pfisterer ist Personal- und Arbeitsmarktexperte beim Hightech-Verband Bitkom. Er kann von guten erfahrungen der Unternehmen in der Branche berichten, plädiert aber für mehr Flexibilität im Studium.

Süddeutsche.de: Sind die Absolventen fachlich gut ausgebildet und können gleich in die Jobs einsteigen, für die sie sich beworben haben?

Stephan Pfisterer: Die Absolventen sind mit dem Bachelor fachlich auf einem guten Niveau. Mit dem Informatik-Bachelor haben sie beste Voraussetzungen, um in den Beruf einzusteigen. Die Unternehmen bestätigen uns bereits seit einigen Jahren, dass sie mit dem gestuften System sehr zufrieden sind, da der Bedarf an Hochschulqualifikationen steigt, nur ein Teil der Absolventen jedoch originär forschungs- und entwicklungsnahe Tätigkeiten ausüben wird. Bachelor, Master (und PhD) sind damit aus Sicht der ITK-Branche eine sinnvolle Antwort auf ein sich ausdifferenzierendes Tätigkeitsspektrum in der Hightech-Wirtschaft. Der Bitkom setzt sich allerdings auch für eine Flexibilisierung der Studienzeiten ein, um Praxis- und Auslandssemester in den Studienablauf integrieren zu können.

Süddeutsche.de: Haben Bewerber genug Kenntnisse außerhalb des Studiums und Lebenserfahrung ?

Pfisterer: Bachelor-Absolventen sind in der Regel jünger als Diplom-Informatiker und haben deshalb naturgemäß weniger Lebenserfahrung. Das ist aber kein Hindernis, um einen guten Job zu machen. In Ausbildungsberufen steigen viele junge Menschen mit 16 Jahren in die Berufsausbildung ein und schließen diese noch als Teenager ab. Entscheidend ist, dass die Arbeitgeber von einem 20-Jährigen nicht das gleiche erwarten wie von einem 30-Jährigen.

Süddeutsche.de: Wie sieht es mit den Fremdsprachenkenntnissen der Absolventen aus?

Pfisterer: Nach unserer Einschätzung werden die Fremdsprachenkenntnisse tendenziell eher besser. Das liegt daran, dass in den Schulen früher mit dem Englisch-Unterricht begonnen wird und in vielen Bachelor-Studiengängen Sprachkurse angeboten werden. Zudem halten immer mehr Hochschulen zumindest einzelne Lehrveranstaltungen auf Englisch ab.

Süddeutsche.de: Kann man sich auf jede Stelle mit einem Bachelor bewerben - oder gibt es auch explizite Master-Stellen?

Pfisterer: Die Unternehmen reagieren auf die veränderten Abschlüsse und passen Stellenprofile entsprechend an. So gibt es zum Beispiel Junior-Positionen, für die sich Bachelor-Absolventen gut eignen. Auf der anderen Seite gibt es Stellen, für die mehr Erfahrung verlangt wird und wo ein Master Sinn machen kann. Beispiel: Für die Betreuung von Anwendungssystemen beim Kunden sind Bachelor-Absolventen nach einer Phase der internen, technologiespezifischen Qualifizierung bestens geeignet. Für die Entwicklung komplexer Systeme wird man Master-Absolventen suchen. Für wieder andere Tätigkeiten, etwa im Beratungsgeschäft, ist die Berufserfahrung wichtiger als das formale Niveau des Abschlusses.

Absolventen der Ingenieurswissenschaften

Die Absolventen von Ingenieur-Studiengängen sind auf dem Arbeitsmarkt ein rares Gut - ganz gleich, ob sie einen Bachelor- oder Master-Abschluss in der Tasche haben. "Die Bachelor-Absolventen, die auf den Arbeitsmarkt gehen, sind hochwillkommen", Lars Funk, Bereichsleiter Beruf und Gesellschaft beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und selbst Maschinenbauer mit Fachhochschulabschluss. "Sie finden sehr schnell einen Job und werden auch ganz gut bezahlt." Ein Einsteiger mit Bachelor-Abschluss kann derzeit mit durchschnittlich 40.000 Euro Jahresgehalt rechnen, ein Master mit etwa 43.000 Euro. Ob diese Schere zwischen dem ersten und dem zweiten Abschluss im späteren Berufsleben weiter auseinander geht, könne derzeit noch nicht gesagt werden, so Funk. "So lange haben wir ja die neuen Abschlüsse noch nicht." Bislang allerdings seien die Unternehmen sehr zufrieden mit den Absolventen, die sich in die Unternehmen bewerben. "Das sind allerdings nur 20 Prozent der Bachelor eines Jahrgangs."

Nach seiner Erfahrung schreiben die Firmen ihre Stellen nicht spezifisch für Bachelor und Master aus, "sondern sie suchen einen Ingenieur". Dann müsse jeder Bewerber selbst einschätzen, ob seine Kenntnisse für den Job adäquat seien. "Allerdings gibt es Stellen, da ist ein Master Voraussetzung - wenn es zum Beispiel in die Forschung geht. Manchmal braucht man sogar die Promotion."

Die Experten der Interessensvertretung der Ingenieure in Deutschland warnen davor, "zu schmalspurig durch das Studium zu gehen", sagt Funk. Es gehe nicht darum, das Studium einfach so schnell wie möglich durchzuziehen. "Man muss ins Ausland, Projekterfahrung sammeln, Persönlichkeitsbildung erfahren, es gibt Studentenprojekte, bei denen man sich engagieren kann." Wenn dadurch das Studium ein Semester länger dauere, falle dies bei keinem Arbeitgeber ins Gewicht. "Aber man ist entsprechend auf den Arbeitsmarkt vorbereitet." Auch auf die Englischkenntnisse komme es zunehmend an: "Ohne Englisch kann man heute kaum noch im Ingenieursberuf bestehen."

Bachelor bei Bosch

Auch an den verschiedenen Standorten der Robert Bosch GmbH sind in den vergangenen Jahren zahlriche Bachelor- udn Master-Absolventen ins Berufsleben eingestiegen. Das Unternehmen, das zu den größten Arbeitgebern in Deutschland gehört und jüngst von der Hertie-Stiftung als familienfreundlichstes Unternehmen der Republik ausgezeichnet wurde, hat ebenfalls gute Erfahrungen mit den Absolventen gemacht: "Der Bachelor stößt auf breite Akzeptanz", sagt Sprecher Christoph Zemelka.

Mit der Jugend der Bewerber kann es allerdings gelegentlich Probleme geben: "Aufgrund des frühen Abschlusses ist altersbedingt zum Teil eine geringere persönliche Reife festzustellen", sagt er. Auch fehlende Praxiserfahrung sei mitunter ein Manko, an dem die Absolventen noch arbeiten müssten.

Um Bachelorabsolventen mehr Praxiserfahrung zu vermitteln, bietet Bosch als erste deutsches Großunternehmen seit vier Jahren das sogenannte PreMaster Programm an. Pro Jahr stellt Bosch 150 Teilnehmer ein. "Der Aufbau des Programms ist zweistufig und besteht aus Unternehmens- und Masterphase: In der Unternehmensphase arbeitet der PreMaster Programm-Teilnehmer bis zu zwölf Monate im Unternehmen und betreut ein größeres Projekt kombiniert mit dem Tagesgeschäft." Die Abteilung können sich die Teilnehmer individuell nach Interessen und Stärken aussuchen. "Parallel erhält er oder sie fachspezifische Seminare und wird von einem persönlichen Mentor betreut." Für die Zeit des Masterstudiums bleibe der Kontakt zum fachlichen Mentor erhalten und Bosch bietet eine finanzielle Unterstützung in Form eines Zinszuschusses, der die Aufnahme eines Studienkredits erleichtern soll. "Außerdem werden die Teilnehmer in das Studentenbindungsprogramm "Students@Bosch" aufgenommen." Hier können sie während des Studiums Veranstaltungen, Netzwerktreffen, Seminare bei Bosch besuchen. Teil der Leistungen sei zudem die Vermittlung eines Auslandspraktikums.

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