Sobald man durch die Tür tritt, ist da dieser Geruch. Von alten Büchern, von Papier, ein wenig wie in den engen Regalreihen einer Bibliothek. In seiner Werkstatt in der Münchner Amalienstraße verleiht Albert Wiedemann jedoch keine Bücher, nein, er lässt sie überhaupt erst entstehen. Sein Vater hat das Geschäft Anfang der 50er Jahre aufgebaut, damals war der gesamte Hof voll gepfropft mit Papierpaletten. Denn in Zeiten, in denen niemand Akten digital ablegte, mangelte es den Wiedemanns nicht an Aufträgen. "Heute ist das anders", sagt der Buchbindermeister und klingt nicht nur enttäuscht, wenn er das sagt. Sondern auch ein wenig erleichtert, dass die Zeit der nächtlichen Überstunden vorüber ist. Wer zu ihm kommt, sucht das Besondere: Kunststudenten lassen sich ihre Arbeiten für die Universität binden oder Kanzleien ihre Fachzeitschriften. Doch weil Copyshops sehr viel billigere Preise anböten, seien die Kunden oft nicht mehr bereit, höhere Beträge zu zahlen. "Von meinem Handwerk leben kann ich zwar noch. Vor allem aber, weil ich für das Alter vorgesorgt habe", sagt Wiedemann. Seinen Kindern hat er geraten, lieber etwas Vernünftiges zu lernen. Seine Tochter zum Beispiel, die studiert jetzt internationales Management.