Auslandsstudium:Dribbeln in Amerika

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Wer in den USA studieren will und kein Geld hat, hat schlechte Karten - außer, er ist ein begnadeter Fußballer oder großartiger Basketballer. Denn in Amerika sind Sportler wichtige Aushängeschilder für die Universitäten.

Anne-Ev Ustorf

Teja Barkmann litt an ausgeprägtem Fernweh. Der 23-Jährige hatte nach Abitur und Zivildienst eine Lehre als Bankkaufmann in seiner Heimatstadt Wanne-Eickel absolviert und wollte danach möglichst schnell weg, am besten zum Studium in die USA.

Basketballer des Bostoner College: Die amerikanischen Universitäten nehmen gute deutsche Spieler mit Kusshand. (Foto: REUTERS)

Nur wie er das machen sollte, das wusste Teja nicht so genau. Denn es war schnell klar: Tejas Eltern würden nicht für Flüge, Gebühren und Unterhalt für ein Studium im Ausland aufkommen können - schließlich studierten seine beiden älteren Geschwister auch noch. Und Tejas akademische Leistungen waren zwar gut, aber nun doch wieder nicht so überragend, dass er Chancen auf ein Überflieger-Stipendium gehabt hätte. Also besann sich Teja auf seine sportlichen Qualitäten.

Zweiwöchiges Fußballcamp in Florida

Er spielte Fußball in der Verbandsliga beim SF Oestrich im Sauerland und hoffte, damit vielleicht etwas anfangen zu können. Im Internet stieß er auf die Seite der deutschen Agentur Sport-Scholarships, die Kontakte zwischen jungen deutschen Sportlern und amerikanischen College-Trainern herstellt. Teja rief sofort an. Nachdem er einen überzeugenden sportlichen und akademischen Lebenslauf eingereicht hatte, legte ihm Sport-Scholarships-Direktor Philipp Liedgens nahe, sich bei einem zweiwöchigen Fußballcamp in Florida anzumelden, das von etlichen Trainern amerikanischer Uni-Mannschaften besucht werden würde.

Ein guter Tipp: Vom Fleck weg erhielt Teja diverse Angebote von amerikanischen Collegeteams. Er entschied sich letztlich für das Berry College in Georgia, eine sehr gute private Universität im Süden der USA mit dem drittbesten amerikanischen Soccer-Collegeteam. Dort studiert Teja nun bereits im fünften Semester Business mit Schwerpunkt Finanzwesen und spielt Soccer für die Uni - unterstützt von einem Vollstipendium, das Gebühren, Unterkunft und Verpflegung abdeckt.

Im Ausland studieren, dafür ordentlich Geld bekommen und dazu noch intensiv seinem Sport nachgehen zu dürfen - etwas Besseres kann einem ambitionierten Sportler eigentlich nicht passieren. Dabei ist Tejas Geschichte durchaus kein Einzelfall. Philipp Liedgens vermittelt jedes Jahr etwa 80 junge Deutsche in die USA oder nach Kanada. Dort sind die Collegeteams - anders als hier - wichtige Aushängeschilder für die Universitäten und verfügen über großzügige Budgets, mit deren Hilfe professionelle Trainer und besonders talentierte Athleten bezahlt werden.

Die amerikanischen Universitäten nehmen gute deutsche Spieler mit Kusshand, vor allem wenn sie Sportarten ausüben, in denen Amerikaner traditionell eher schwach sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die Deutschen bei Studienbeginn bereits das Abitur bestanden und mehrere Sprachtests absolviert haben. Insgesamt 29 Sportarten können durch Sportstipendien unterstützt werden, Liedgens vermittelt jedoch vor allem Fußballer, Volleyballer, Leichtathleten, Schwimmer und Tennisspieler. "Als Fußballer sollte man mindestens auf Landesliga-Niveau spielen, im Tennis Verbandsliga", sagt Liedgens. "In punkto Basketball müsste man schon bundesligareif sein. Da sind die Amerikaner selbst zu gut."

Universitäre Wettkämpfe

Für Frauen ist es einfacher als für Männer, Stipendien zu bekommen. "Zum einen ist das Wettbewerbsniveau an den Universitäten für Frauen nicht ganz so hoch wie für Männer", erklärt Liedgens. "Und zum anderen gibt es eine Gleichberechtigungsregelung, nach der genauso viele Frauen gefördert werden müssen wie Männer. Und da es nicht so viele Sportlerinnen wie Sportler gibt, sind die Chancen für Mädchen entsprechend besser." Die Sportstipendiaten studieren ganz regulär, trainieren nebenbei aber im Collegeteam und präsentieren ihre Hochschule bei universitären Wettkämpfen.

Für die 21 Jahre alte Alexandra Meuter aus Rottenburg am Neckar war das Sportstipendium vor allem eine praktikable Möglichkeit, nach dem Abitur für ein Jahr ins Ausland zu gehen. Die Volleyballerin spielte in Deutschland zuletzt in der Zweiten Bundesliga und der Baden-Württembergischen Auswahl. Ihre Mitspielerinnen brachten sie auf die Idee, es mit einem Sportstipendium zu versuchen. "Ich hatte schon über andere Möglichkeiten wie Au-Pair, Freiwilliges Soziales Jahr oder Work and Travel nachgedacht", sagt sie. "Aber von dem Gedanken, mich um ein Sportstipendium zu bewerben, war ich richtig begeistert. Ich war neugierig auf das amerikanische Collegeleben und fand den Gedanken, mein Auslandsjahr durchs Volleyballspielen zu finanzieren, einfach super." Das lässt sich denken.

Die Agentur Sport-Scholarships schätzte ihre Chancen als gut ein und drehte ein Trainingsvideo über sie, das an verschiedene Colleges verschickt wurde. Alexandra entschloss sich schließlich für das vierjährige Vollstipendium-Angebot der California State University in Los Angeles und belegte dort Krankenpflege mit dem Ziel, nach einem Jahr Auslandsaufenthalt ein Medizinstudium in Deutschland aufzunehmen.

Auf der nächsten Seite: Was Agenturen für die Vermittlung begabter Sportler in die USA verlangen.

Partys auf dem Campus

Nicht immer war es einfach, den intensiven Trainingsplan und das Studium zu vereinbaren. Trotzdem ist sie begeistert von ihrem Jahr an der Westküste. "Es war eine tolle Erfahrung, nicht nur wegen der eigenen sportlichen Entwicklung", sagt sie. "Man bekommt auch einen super Einblick ins amerikanische Collegeleben. Ich habe auf dem Campus in einem Apartment mit sieben anderen Mädchen gewohnt, und meistens hatten wir sehr viel Spaß. Wir haben die verrücktesten Partys gefeiert." Inzwischen ist Alexandra nach Deutschland zurückgekehrt, um in München, wie geplant, Medizin zu studieren. Doch nur bis zum Abschluss. Danach möchte sie gern nach Los Angeles zurückkehren.

Der Service von Sport-Scholarships ist nicht kostenlos. Bei erfolgreicher Vermittlung erhält die Agentur von den Kandidaten eine Gebühr in Höhe von 2500 Euro - doch bei einem Gesamtstipendium von 30.000 Dollar pro Jahr rechnet sich das schnell. Auch Teja Barkmann hat es nie bereut, in die USA gegangen zu sein. Manchmal ist sein Tag zwar arg vollgepackt mit Studium, Training und Lernen, aber alles in allem ist er glücklich am Berry College. Nun steht er kurz vor seiner Graduierung und wird danach ein Auslandssemester an der Universität von Graz antreten, gesponsert von Berry. Im nächsten Wintersemester geht es dann wieder zurück nach Georgia, um ein MBA-Studium an der Berry-eigenen Business School zu beginnen.

"Sofern nicht die realistische Chance auf einen Profivertrag besteht, empfehle ich eindeutig den Weg eines Auslandsstudiums durch ein Sportstipendium", rät Teja allen Interessierten. "Allerdings sollte man auf die Reputation der Uni achten, damit der Abschluss auch problemlos weltweit anerkannt wird. Ist das gegeben, dann kommt man sportlich weiter und erwirbt zudem Fremdsprachenkenntnisse, zusammen mit einem ausgezeichneten Uniabschluss."

Was nach seiner Ausbildung kommen soll, weiß Teja noch nicht, irgendwas zwischen Spieler- und Bankkarriere. Sorgen muss er sich jedenfalls nicht machen: Inzwischen stehen ihm jede Menge Möglichkeiten offen.

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