Auslandsaufenthalt:Wenn aus dem Kick ein Knick wird

Viele Mitarbeiter gehen für ihre Firma ins Ausland, um später daheim Karriere zu machen. Oft klappt das nicht so wie geplant.

Tatjana Krieger

Angekommen. Nach vier Jahren im Ausland endlich wieder Heimatboden unter den Füßen und nur noch ein paar S-Bahn-Stationen entfernt von der Münchner Hauptverwaltung des Mutterkonzerns. Jetzt kann sie endlich losgehen - die ganz große Karriere.

New York

Nach vier Jahren New York fällt die Rückkehr in den Firmenalltag schwer.

(Foto: Foto: afp)

Wenn sich Angestellte von ihrem Arbeitgeber ins Ausland versetzen lassen, steckt dahinter meist eine klare Absicht: 70 Prozent aller Entsendeten - auch Expatriates oder Expats genannt - versprechen sich davon einen Schub für ihre Karriere. Aber nur für ein knappes Drittel aller Rückkehrer erfüllt sich diese Hoffnung auch. Der Rest wird unzufrieden.

Die Wiedereingliederung von Auslandsrückkehrern ist für viele Firmen ein Problem. "Entscheidend sind die ersten zwölf Monate nach der Rückkehr", sagt Thomas Kausch, Partner bei PricewaterhouseCoopers in Berlin. Einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft zufolge verlieren einige Firmen bis zu vierzig Prozent ihrer ehemaligen Auslandsdelegierten innerhalb dieser Zeit. Den Unternehmen geht dadurch Know-how verloren - und die Investition für den Auslandsaufenthalt.

Eine Entsendung dauert im Schnitt 29 Monate und kostet pro Jahr knapp 311.000 Dollar. Je länger der Auslandseinsatz dauert, desto schwieriger wird die Wiedereingliederung in das Stammhaus. "Ab sieben Jahren wird es problematisch", sagt Andreas Bittner vom Institut für interkulturelles Management in Rheinbreitbach - und empfiehlt daher eine Entsendung zwischen drei und fünf Jahren. Aber auch schon nach kürzerer Zeit können Konflikte entstehen: Rückkehrer stoßen auf wenig Interesse bei den Kollegen, sie müssen auf Annehmlichkeiten wie etwa Hausangestellte verzichten, und statt eine Niederlassung zu leiten, sich wieder in ein Team fügen, das ihnen fremd geworden ist.

"Man wird vom Somebody zum Anybody und schlimmstenfalls zum Nobody", beschreibt Brigitte Hild von der Beratungsagentur Going Global das Gefühl der Rückkehrer. Hinzu komme, dass diese bei Beförderungen oft sogar übergangen würden. "Der fachliche Vorgesetzte muss jeder Beförderung zustimmen. Vielleicht kennt er den Rückkehrer gar nicht. Das ist ein gewaltiges Risiko. Denn man nimmt lieber jemanden, dem man vertraut", sagt Bittner.

Auf der nächsten Seite: Was die Expats selbst falsch machen.

Wenn aus dem Kick ein Knick wird

Ganz unschuldig am gegenseitigen Unverständnis sind die Expatriates nicht. "Erfolgreiche Auslandsentsendete haben sich ihrem Gastland stark angepasst. Zurück in Deutschland wollen sie oft missionarisch wirken und sind dann wenig anpassungsbereit." Um Konflikte rechtzeitig abzufedern, empfiehlt Beraterin Hild, während der gesamten Dauer der Entsendung in Kontakt mit dem Mutterkonzern zu bleiben. "Der Expatriate hat auch eine Bringschuld. Er sollte Selbst-PR betreiben, seine Leistung bekanntmachen. Zum Beispiel indem er einen Bericht für das Firmen-Intranet verfasst. Und wenn er eine Heimreise unternimmt: unbedingt im Unternehmen auftauchen", sagt Hild. Sie hält es für wichtig, die eigene Haltung zu überprüfen: "Wenn man sich klar macht, dass man einen Neuanfang macht und auch in Deutschland die Zeit nicht stehengeblieben ist, wird vieles leichter."

Firmen unternehmen wenig, um überzogene Erwartungen ihrer Expatriates zu dämpfen. "Der Illusion von der großen Karriere wird nicht widersprochen", sagt Bittner. "Und zwar, weil die Bereitschaft, ins Ausland zu gehen, nicht überwältigend groß ist." Für ihn ist der Auslandsaufenthalt eine Frage des richtigen Zeitpunkts: "Mit 28 wollen alle weg. Entsendet werden aber erst Leute ab einer bestimmten fachlichen Ebene oder ab dem mittleren Management."

Diese sind in der Regel zwischen 35 und 45 Jahre alt, haben Familie und wollen eigentlich sesshaft leben. Denn während die meisten Firmen Trainings zur Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt anbieten, sucht man entsprechende Wiedereingliederungsprogramme meist vergeblich. Zugleich denken die Firmen - von denen die meisten Vorbereitungstrainings anbieten - wenig über Reintegrationsmaßnahmen nach. "In den letzten Jahren herrschte eher die Haltung vor, man solle doch froh sein, seinen Job behalten zu können", so Bittner. Dass sich das jetzt, mit der Entspannung auf dem Arbeitsmarkt, geändert hätte, beobachtet er nicht.

Aber es gibt Ausnahmen. Seit kurzem hat etwa hat die Evonik Industries AG Workshops für Auslandsrückkehrer in ihrem Seminarangebot. Fünfzig Angestellte des Essener Unternehmens verlassen jährlich ihre Heimat, meist in Richtung USA oder China. Ebenso viele kommen nach einem Auslandseinsatz wieder zurück. "Wir haben gesehen, dass Rückkehrer nicht zufrieden waren. Oft haben sie sich gegenüber Kollegen geäußert, dass sie sich die Rückkehr anders vorgestellt hatten", sagt Reinhold Peters, Leiter International Personal Services.

In der Gruppe, zusammen mit ihren Lebenspartnern und einem externen Trainer, können ehemalige Evonik-Expatriates jetzt Vergangenheitsanalyse betreiben: Wie hat man sich im Gastland integriert? Welche Kompetenzen erworben? Wie passt das Erlebte nun zu den eigenen Erwartungen? Und welche Perspektiven lassen sich daraus entwickeln?

Auf der nächsten Seite: Warum es fragwürdig ist, den Aufstiegsgedanken zum Zentrum seiner Entscheidung für einen Auslandsjob zu machen.

Wenn aus dem Kick ein Knick wird

Das Ergebnis muss nicht immer auf einen Karrieresprung hinauslaufen. Dagegen spricht schon die hohe Anzahl der Entsendungen heutzutage. "Vor zwanzig Jahren war es noch so, dass man automatisch aufstieg. Heute ist es nicht mehr möglich, alle Rückkehrer auf höhere Stellen zu hieven", sagt Peters. Dass sich die Expats von ihrem Auslandsaufenthalt nicht zu viel versprechen sollen, darauf bereitet sie ein Mentor bereits während der Entsendung vor. Wieder in der Heimat, sollen die Betroffenen aber dennoch merken: Sie sind nicht allein, das Unternehmen weiß, dass es nicht leicht ist, die Alltagsprobleme zu bewältigen. Zudem helfen die Workshops dabei, Netzwerke zu bilden. "Mit Nachbarn oder Freunden können Rückkehrer nicht über ihre Erfahrungen reden", sagt Peters. "Man braucht Leute mit einem ähnlichen Erfahrungshintergrund."

Einen Schritt weiter ist die Robert Bosch GmbH in Stuttgart. Dort sammelt man bereits seit 1997 Erfahrungen mit einem dreistufigen Programm für alle Phasen der Entsendung. "Wir wollten nicht nur die Vorbereitungen auf stabile Beine stellen, sondern auch Rückkehrer gut integrieren", sagt Dirk Haushalter, Sprecher für Personal und Soziales.

Das Besondere an diesem Programm: Als nach eigenen Angaben einziges Unternehmen in Deutschland gibt es hier die Möglichkeit, sich zum Länderreferenten zu qualifizieren. Nach einem dreitägigen Kurs können Rückkehrer die nächste Generation der Auslandsdelegierten auf ihren Einsatz vorbereiten. Eine schlaue Lösung: erworbenes Spezialwissen, das man am Standort Deutschland eigentlich nicht braucht, weiterzugeben. Das Projekt zieht vor allem begeisterungsfähige Menschen an: "Wer hier mitmacht, hat gute Erfahrungen im Gastland gemacht und war dort richtig angekommen", sagt Haushalter.

Ohnehin ist es fragwürdig, den Aufstiegsgedanken zum Zentrum seiner Entscheidung für einen Auslandsjob zu machen. "Vielmehr sollte man die Globalisierung als persönliche Herausforderung und Bereicherung betrachten", meint Thomas Kausch von PricewaterhouseCoopers. Und wenn man nach einem Auslandseinsatz dennoch unbedingt den Aufstieg anstrebt? "Dann sollte man dieses Ziel von Anfang an gegenüber dem Arbeitgeber vertreten und klare Vereinbarungen treffen", sagt Kausch. "Auslandserfahrung führt nicht automatisch zu einem Karrierekick."

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