Ausbildung:Wie fängt man als gescheiterter Azubi nochmal neu an?

Sein Patensohn hat kurz vor dem Abschluss die Ausbildung abgebrochen. Nun fragt sich Hermann W., wie es beruflich weitergehen soll.

SZ-Leser Hermann W. fragt:

Mein 22-jähriger Patensohn hat kurz vor Schluss seine Ausbildung zum Notar- und Rechtsanwaltsfachangestellten geschmissen. Die Kammer hatte ihn wegen zu hoher Fehlzeiten während der Lehre nicht zur Prüfung zugelassen. Dabei hätte er die Prüfung locker mit "gut" bestanden. Er sagt, der Beruf hätte ihn ohnehin nicht gereizt, seine Zukunft sieht er eher im Controlling oder Inkassowesen. Er wäre bereit, noch mal alle Energie und eine vorzeigbare Präsenz in eine neue Ausbildung zu stecken. Doch wie thematisiert man die schlechte Bewertung bei den Sekundärtugenden in der Bewerbung?

Christine Demmer antwortet:

Lieber Herr W., die Haltung Ihres Patensohnes klingt ein bisschen nach Filou. Da es Ihnen offenbar nicht gleichgültig ist, was er mit seinem Leben anstellt, wäre eine hübsche Gardinenpredigt angebracht. Die sollte beim Thema Selbstverantwortung beginnen und mit dem Versprechen enden: "Ich helfe Dir jetzt zum letzten Mal aus der Bredouille. Ab sofort bringst Du Deinen selbstgemachten Murks allein in Ordnung."

Der SZ-Jobcoach

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin zahlreicher Sachbücher.

Dies vorausgeschickt, sollten Sie ein wenig tiefer in die Ursachenforschung einsteigen, um herauszufinden, warum der junge Herr null Bock auf Büro gehabt hat. Halten Sie seine Begründung für plausibel? Ich nicht. Denn wenn ihm die Juristenassistenz bei näherer Betrachtung missfallen hätte, wäre es ein Leichtes gewesen, schon nach einem Jahr die Reißleine zu ziehen. So etwas ist weder unüblich noch zu beanstanden, wenn es die Erkenntnis fördert, welcher Beruf es denn stattdessen sein soll.

Die von ihm genannten Interessengebiete Controlling und Inkasso indes sind zwei grundverschiedene Arbeitsfelder, zu denen sehr unterschiedliche Ausbildungswege führen. Ich hege den Verdacht, dass er Ihnen zwecks kurzfristiger Ruhigstellung zwei seriös klingende Begriffe angeboten hat, mit denen er im Rahmen seiner sparsam genutzten Ausbildung zu tun hatte. Bohren Sie nach: Wieso ausgerechnet Controlling? Was reizt ihn am Inkassowesen? Was ist sein diesen Tätigkeiten übergeordnetes Motiv? Hat er gern mit Finanzen, mit Bilanzen, mit Geld zu tun?

Bei all diesen Themen spielen Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eine große Rolle. Und die kann er am besten unter Beweis stellen, indem er bei seiner Bewerbung die Karten offen auf den Tisch legt. Etwa so: Er hat sich für den falschen Beruf entschieden (wenn es denn so ist) und sieht jetzt ein, dass er sich vorher hätte gründlicher informieren sollen. Der Ausbildungsbetrieb hat ihm aus diesen und jenen Gründen nicht gefallen. Er hatte sich fürs Arbeitsleben zu jung gefühlt, hatte tausend andere Interessen.

Dass es irgendetwas in dieser Richtung war, wird der Bewerbungsempfänger ohnehin vermuten. Also gleich heraus mit der Wahrheit, Besserung geloben und darauf hoffen, dass sich ein Ausbilder mit Verständnis für jugendlichen Wankelmut findet.

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