Augefallene Berufe:Wer bewirbt sich um einen Job als Astronaut?

Die vier Astronauten-Stellen bei der ESA wollten Tausende haben - 192 sind noch im Rennen. Ein Ex-Astronaut sagt, was sie erwartet.

M. Hoffmeyer

Auf vier offene Astronauten-Stellen bei der europäischen Raumfahrtagentur ESA haben sich Tausende von Kandidaten beworben. Die allermeisten hat das Europäische Astronautenzentrum EAC in Köln in den vergangenen Monaten schon ausgesiebt, den verbleibenden 192 Bewerbern stehen bis zum Frühjahr noch zahlreiche Tests bevor. Die höchste Hürde seien die psychologischen Tests, sagt der EAC-Chef und frühere Astronaut Michel Tognini.

Astronaut, ap

Job im All zu vergeben: 8500 Bewerber waren im richtigen Alter, sprachen gut Englisch und konnten eine wissenschaftliche Ausbildung oder umfangreiche Erfahrung als Testpilot vorweisen

(Foto: Foto: ap)

SZ: Mehr als 9000 Männer und Frauen aus ganz Europa wollen gern Astronaut bei der ESA werden. Wahrscheinlich kamen viele gar nicht für den Job in Frage?

Michel Tognini: Doch, die große Mehrheit hat alle Grundvoraussetzungen erfüllt. Das bedeutet, fast 8500 Bewerber waren im richtigen Alter zwischen 27 und 37 Jahren, sprachen gut Englisch und konnten eine wissenschaftliche Ausbildung oder umfangreiche Erfahrung als Testpilot vorweisen. Wir haben eine Vorauswahl getroffen und im August etwa 900 Kandidaten zu einer ersten Testrunde eingeladen. Dabei ging es unter anderem um visuelle Wahrnehmung, Gedächtnis, psychomotorische Fähigkeiten und Sprachtalent. Jetzt sind noch 192 Bewerber im Rennen, 15 Prozent davon Frauen. Alle sind exzellent, das Niveau ist sehr hoch!

SZ: Wie geht das Auswahlverfahren nun weiter?

Tognini: Bis Dezember läuft die zweite Runde der psychologischen Tests. Die Kandidaten werden von Experten der ESA und von Psychologen befragt, nehmen an Computersimulationen und Rollenspielen teil, machen Gruppenübungen und Verhaltenstests. Nach dieser Runde werden noch 80 Bewerber übrig sein, die dann eine Reihe medizinischer Untersuchungen vor sich haben. Wer Astronaut werden will, muss absolut fit sein. Man darf überhaupt keine gesundheitlichen Probleme haben.

SZ: Warum machen Sie die medizinischen Tests denn nicht vor den psychologischen?

Tognini: Weil die psychologischen Tests die höchste Hürde sind. Ich habe schon absolut brillante Leute mit umfassendem Wissen gesehen, die daran gescheitert sind. Es kommt auf den Teamgeist an. Ein Bewerber kann als Einzelner exzellent sein - das nützt aber nichts, wenn er nicht auch im Team gut ist. Astronauten müssen als Gruppe erfolgreich sein. Nach den medizinischen Untersuchungen werden wir noch einmal intensive Gespräche mit den verbleibenden Bewerbern führen, bevor wir uns für vier von ihnen entscheiden. Wir wollen möglichst viel über ihr Verhalten, ihre Gefühle und ihre Zukunftspläne herausfinden.

SZ: Was treibt die Bewerber an?

Tognini: Ich denke, es ist ganz einfach: Sie sehnen sich nach dem aufregenden Gefühl, in den Weltraum zu reisen, aus dem All die Erde und die Sterne zu sehen, ein Teil der Zukunft zu sein! Langfristig möchten wir unseren Astronauten gern ermöglichen, zum Mond oder zum Mars zu reisen. Aber über diese Pläne ist noch nicht entschieden.

SZ: Warum stellen Sie die Astronauten dann jetzt schon ein?

Tognini: Es fliegen ja regelmäßig europäische Astronauten zur internationalen Raumstation ISS. Die acht Astronauten, die schon bei der ESA arbeiten, werden älter, sodass wir Nachwuchs brauchen. Und unsere vier neuen Astronauten werden bis zu vier Jahre lang trainiert, bis sie einsatzfähig sind. Die Trainingszeit kann man übrigens um mehr als ein Jahr verkürzen, wenn man gute Russischkenntnisse hat. Deshalb sind Bewerber im Vorteil, die schon Russisch können.

SZ: Sprechen die russischen Kollegen auf der ISS denn kein Englisch?

Tognini: Doch, natürlich, aber die ISS wird ab 2010 nur noch mit Sojus-Kapseln angeflogen, und der Kontakt von Sojus zum Boden läuft auf Russisch. Deshalb findet ein großer Teil unseres Astronauten-Trainings in russischer Sprache statt.

SZ: Waren die Anforderungen im Auswahlverfahren eigentlich schon immer so hoch?

Tognini: Ja. Ich habe mich vor 23 Jahren bei der französischen Raumfahrtbehörde beworben. Damals war es auch nicht leichter als heute, Astronaut zu werden.

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