Aufschwung in Süddeutschland:Suchen Sie sich aus, wo Sie arbeiten wollen!

Bayern und Baden-Württemberg bieten Jobsuchenden hervorragende Ein- und Aufstiegschancen: In Süddeutschland liegt die Arbeitslosenquote nirgends über dem Bundesdurchschnitt. Die Mittelständler kämpfen um Fachkräfte, ihre Auftragsbücher sind voll. Und selbst Regionen, die ins Hintertreffen geraten schienen, profitieren vom Strukturwandel.

Uwe Ritzer

Vielleicht hat es auch etwas mit Mentalität zu tun, ganz sicher aber mit Struktur und mit einem erfolgreichen Großunternehmen. Dem Autobauer Audi in Ingolstadt geht es seit Jahren prächtig; vor allem der Export läuft wie geschmiert. Das strahlt aus ins Umland. Von Ingolstadt nach Eichstätt sind es nicht einmal 30 Kilometer. Tausende derer, die in der heimeligen Bischofs- und Universitätsstadt Eichstätt samt deren Einzugsgebiet leben, arbeiten bei Audi in Ingolstadt. Das allein erklärt jedoch nicht, weshalb das beschauliche Eichstätt mit seinen vielen Kirchen, seiner barocken Eleganz und der trutzigen Willibaldsburg hoch über dem Altmühltal seit vielen Monaten regelmäßig die niedrigsten Arbeitslosenquoten bundesweit aufweist, mit einer Eins vor dem Komma. Im Oktober waren es sagenhafte 1,1 Prozent. Da staunen selbst Arbeitsmarktexperten.

BMW startet mit Absatzrekord in zweite Jahreshälfte

Nicht nur die großen Autobauer tragen zur guten Arbeitsmarktsituation in Süddeutschland bei.

(Foto: dpa)

Stichwort Mentalität: Die Menschen im Altmühltal gelten als bodenständig und treu. Auch die Unternehmer halten selbst in schwierigeren Zeiten ihr Personal länger, aus Überzeugung, teilweise aber auch aus Angst, bei Bedarf keinen adäquaten Ersatz zu finden.

Stichwort Struktur: Auch wenn im Landkreis Eichstätt sehr viel mit Audi steht und fällt, gibt es hier doch viel mehr Branchen - Fremdenverkehr, nennenswerte Betriebe der Steinindustrie, einen vielfältigen und kleinteiligen Branchenmix. Letzterer erweist sich erfahrungsgemäß als besonders robust, weil es nie allen Branchen auf einmal ganz schlecht geht. Die Region Eichstätt-Ingolstadt ist ein Karriereparadies in Süddeutschland.

Doch auch andernorts sind vor allem in Bayern und Baden-Württemberg die ökonomischen und arbeitsmarktpolitischen Perspektiven so gut wie schon lange nicht mehr. Soweit man das heutzutage sicher sagen kann. Während sich die Schulden-, Euro- und Finanzkrise zur unendlichen Geschichte mit unübersehbaren Folgen auszuwachsen droht, und Wirtschaftsforscher vor einer bevorstehenden Rezession warnen, zucken vor allem viele Mittelständler irritiert die Schultern. Ihre Auftragsbücher sind weit ins Jahr 2012 hinein voll. Sie kämpfen um etwas ganz anderes, ein immer knapper werdendes Gut: Fachkräfte.

Es ist nicht in allen Regionen so, aber in Süddeutschland wandelt sich der Arbeitsmarkt gerade zum ersten Mal seit sehr langer Zeit in einen Bewerbermarkt. Was für die Unternehmen bedauerlich sein mag, ist für die Arbeitnehmer eine riesige Chance. Sie können sich mehr denn je aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Seit Jahrzehnten waren vor allem in Bayern und Baden-Württemberg die Karrierechancen für gut ausgebildete Facharbeiter oder Akademiker mit brauchbaren Abschlüssen nicht mehr so exzellent. Das gilt in erster Linie, aber nicht nur für technische und gewerbliche Berufe.

Wem die Lebenshaltungskosten in prosperierenden Ballungszentren wie München oder Stuttgart inzwischen zu hoch sind, der findet auch in mittleren und kleineren Städten attraktive Jobangebote. Auch dafür bietet die Bundesagentur für Arbeit beweiskräftiges Zahlenmaterial. In keinem süddeutschen Agenturbezirk lag die Erwerbslosenquote zuletzt noch über dem Bundesdurchschnitt. Selbst ländliche Regionen lassen aufhorchen. Im Oktober rangierten beispielsweise in Bayern nicht Oberbayern mit München oder Mittelfranken mit Nürnberg an der Spitze der Bestenliste, sondern Niederbayern und die Oberpfalz mit weniger als drei Prozent Erwerbslosen.

Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer als Treiber

Natürlich ist die Automobilindustrie ein ganz wesentlicher Treiber dieser Entwicklung: Audi in Ingolstadt und Neckarsulm, BMW in München, Regensburg und Landshut, Daimler und Porsche im Raum Stuttgart, um die großen Flaggschiffe zu nennen. Hinzu kommen Zulieferer, von denen sich manche im Laufe weniger Jahrzehnte vom überschaubaren Familienunternehmen zum Weltkonzern entwickelt haben. Nicht selten sitzen sie in der vermeintlichen Provinz. Die Robert Bosch GmbH im schwäbischen Gerlingen zum Beispiel, ZF in Friedrichshafen am Bodensee, der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler in Herzogenaurach bei Nürnberg oder die Firma Brose, ein mit mechatronischen Systemen und Elektromotoren für die Fahrzeugindustrie äußerst erfolgreiches Unternehmen aus dem fränkischen Coburg. Und dann gibt es viele Weltmarktführer aus ganz anderen Branchen. So sitzen mit Adidas und Puma zwei der drei größten Sportartikelhersteller ebenfalls in Herzogenaurach.

Die Zeiten, in denen vor allem die Landwirtschaft Bayern prägte, sind schon sehr lange vorbei. Ebenso wie das benachbarte Baden-Württemberg nahm das Bundesland einen Aufschwung als Standort für Hochtechnologie und Forschung. Luft- und Raumfahrt, Energie, Verkehr und Sicherheit - zahlreiche Zukunftsthemen sind hier angesiedelt. Die Zahl der angemeldeten Patente liegt im Verhältnis deutlich über jener anderer Regionen oder dem bundesrepublikanischen Durchschnitt.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung einher ging ein Ausbau der Infrastruktur; selbst Reizprojekte wie Stuttgart 21 können darüber nicht hinwegtäuschen. Im Buhlen um den akademischen Nachwuchs und Fachkräfte aus anderen Regionen zählt neben alledem auch die hohe Lebensqualität in den meisten Regionen.

Die Startvoraussetzungen für den zunehmend härteren Kampf um Fachkräfte seien also hervorragend, heißt es aus den Landeswirtschaftsministerien in Stuttgart und München unisono. In der bayerischen Landeshauptstadt sind so viele Dax-Konzerne angesiedelt wie in keiner anderen deutschen Großstadt. Experten prophezeien, dass das Bruttoinlandsprodukt in Bayern in den kommenden Jahren im Durchschnitt um 1,2 Prozent steigen wird.

Vom Strukturwandel profitieren inzwischen selbst Regionen, die ins Hintertreffen geraten schienen. Oberfranken zum Beispiel. Oder Nürnberg, die fränkische Halbmillionenstadt, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten vor allem mit den Niedergang von Grundig, AEG und Quelle in Verbindung gebracht wurde. Während selbiger betrauert wurde, stiegen im Schatten der Hiobsbotschaften Unternehmen wie der Autozulieferer Leoni oder der Marktforscher GfK zu Global-Playern auf.

Oft wird übersehen, dass mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zwei der wichtigsten deutschen Bundeseinrichtungen hier ihren Sitz haben, mit tausenden Mitarbeitern auch in Forschung und Wissenschaft. Das benachbarte Erlangen ist indes auf einem guten Weg eine der wichtigsten Medizintechnik-Städte auf dem Kontinent zu werden. All das bedeutet in der Konsequenz hervorragende Einstiegs- und Aufstiegschancen für Berufsanfänger, ehrgeizige Fachkräfte und Akademiker.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: