Aufnahmeprüfung:Mit 24 ist Schluss

Fast alle Schauspielschulen ziehen eine strikte Altersgrenze und akzeptieren nur Bewerber zwischen 17 und 24 Jahren. Ist das sinnvoll?

Von gianna niewel

Die wenigsten Schauspieler sind Quereinsteiger oder werden auf der Straße entdeckt. Die meisten lernen ihr Handwerk an einer Schauspielschule. Neben etwa 90 privaten Akademien gibt es 13 staatliche Schulen in Deutschland, fünf weitere in Österreich und der Schweiz. Die Zahl derer, die jedes Jahr dort vorsprechen, ist immens, das Auswahlverfahren mehrstufig. Ein Kriterium ist vielerorts das Alter: Oft dürfen Bewerber nicht älter sein als 24 Jahre.

Michael Keller leitet seit den Achtzigerjahren die Abteilung Schauspiel an der staatlichen Ernst-Busch-Hochschule in Berlin. Das ist eine der wenigen Schulen ohne Altersbeschränkung. Um die 23 Studienplätze bewerben sich regelmäßig ungefähr tausend Kandidaten. Im vergangenen Jahr, schätzt Keller, sei etwa ein Drittel der Bewerber zwischen 26 und 30 Jahren gewesen. Manche brächten einen Bachelor in Physik mit oder ein fast abgeschlossenes Medizinstudium. Andere seien gerade erst 15 Jahre alt und reichten das Abschlusszeugnis der Hauptschule ein oder stünden kurz vor dem Abitur.

Fragt man Keller, welche Rolle das Alter während der Ausbildung spiele, muss er nicht lange überlegen: "Wer spät mit der Schule anfängt, kann mehr Biografie in sein Spiel einbringen." Diese Schüler seien jedoch oft weniger spontan, eine gewisse Unberechenbarkeit habe auch ihren Reiz. "Der Vorteil junger Bewerber ist eben diese Naivität, einerseits", sagt er. Andererseits müssten junge Schüler lernen, ihren Spieltrieb zu bändigen. Mit 18 oder 19 Jahren neigten sie zudem dazu, ihre Rolle nicht besonders gründlich zu reflektieren.

Ulrich Bitz lehrt seit 20 Jahren Dramaturgie und Theatergeschichte an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Der Professor sagt: "Wer eine Berufsausbildung abgeschlossen oder eine Zeit lang gearbeitet hat, der hat das Lernen gelernt. Im Schauspiel braucht es harte Arbeiter." Und diese Arbeit fange schon an, bevor das Scheinwerferlicht glüht. Auf Texte von Shakespeare, Ibsen oder Lessing müsse man sich erst einlassen. Unbedarftes Spiel? Er lacht. "Das ist eine verquere Vorstellung von Genie." Als junger Mensch benötige man vor allem Zeit, um herauszufinden, wer man überhaupt ist. 23 oder 24 Jahre hält er für das ideale Alter bei Beginn der Ausbildung.

Die Arbeitsbedingungen im Schauspiel verschlechtern sich, meint Bitz, die Ensembles mittlerer Bühnen würden immer kleiner, feste Stellen seltener. Häufig gäbe es nur eine einzige Chance, und wer unter den Erwartungen bliebe, würde ersetzt. "Ich beobachte genau, was meine Schüler nach ihrem Abschluss machen", sagt Bitz. "Und ich stelle fest: In der Härte des Betriebs geht nichts über Lebenserfahrung." Um nach der Schule zu bestehen, brauche man eine stabile Persönlichkeit, Vielseitigkeit, Biss. Und das sei eben auch eine Frage des Alters.

Kontakt: Unter www.theatertreffen.com gibt es eine Auflistung der wichtigsten Vorsprechtermine. Der Deutsche Bühnenverein informiert über den Beruf des Schauspielers, www.buehnenverein.de Der BFFS vertritt die berufsständischen Interessen der Schauspieler, www.bffs.de

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