Arbeitszufriedenheit:Ein bisschen Spaß muss sein

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Obwohl nur jeder achte Arbeitnehmer seinen Job gerne macht, ist Arbeitszufriedenheit ein Tabu. Viele fragen sich, wie sie bei steigendem Druck und Stress bis 67 durchhalten sollen.

C. Demmer

Johan Jorry spürt es sofort, ob es ein toller oder ein schwieriger Abend wird. Schwierige Abende beginnen still wie die Bergwelt und ziehen sich dann wie Käsefondue. An tollen Abenden herrscht von Anfang an Champagnerlaune. Immer wieder muss sich der Hausherr räuspern und an die weiß gedeckte Tafel bitten. Einige haben sich längst die besten Plätze mit Aussicht auf die offene Küche reserviert. Ist ja auch spannend zu beobachten, wie der Meister blitzschnell das Gemüse schnippelt, wie er zärtlich die Sauce anrührt. Und wenn mal etwas daneben geht? Jorry lächelt. "Dann wird eben improvisiert, und das bringt Spaß."

Spaß im Büro: Glückliche Mitarbeiter sind die besseren Mitarbeiter. (Foto: Foto: iStock)

Das winzige Darmstädter "Vanille", früher mal eine Weißbinderwerkstatt, ist kein öffentliches Restaurant, sondern ein Veranstaltungsraum für geschlossene Gesellschaften. Seit 1994 bewirtet der gelernte Koch, Sommelier und Maître d'Hôtel einen mindestens acht- bis zehnköpfigen Familien-, Freundes- oder Kollegenkreis mit einem mehrgängigen Abendessen. Kostenpunkt: zwischen 40 und 55 Euro. Was er damit verdient, genügt für ihn, Frau und Kind, reich will und wird Jorry nicht werden. Die Sterne-Küche in Paris hatte der Franzose satt, "so eng, so streng". "Jetzt plane ich das Menü, kaufe ein, stehe am Herd. Und die Gäste schmecken ein kleines Stück Frankreich."

Der schönste Job der Welt

Johan Jorry hat den schönsten Job der Welt. Das sagt er gerade heraus, und es folgt noch nicht mal ein nachgeschobenes "aber". Vorbringen könnte der 40-Jährige einige Einwände: die Sechs-Tage-Woche, die langen Arbeitszeiten, den Verdienst, alles alleine machen zu müssen. "Non, non", wehrt er ab, "macht Spaß, alles selbst zu tun. So spüre ich mich, meine Gäste und was ich für sie tun kann. Das ist eine große Qualität."

Wer sich in seiner Arbeit spürt, den Sinn dahinter versteht, anerkannt wird, Einfluss nehmen und finanziell davon gut leben kann, ist nach Meinung von Arbeitswissenschaftlern mit seinem Job zufrieden. Und tut damit auch seinem Betrieb gut, denn glückliche Mitarbeiter sind die besseren Mitarbeiter: Sie leisten mehr als die unzufriedenen, bleiben länger im Betrieb, werden seltener krank und identifizieren sich stärker mit Firmenzielen, Strategien und Produkten als die Nörgler nebenan.

2,6 Strahlekollegen

"Arbeit soll und darf heute Spaß machen", sagt Professor Fritz Böhle vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München. Dass dies in der Realität nur eingeschränkt machbar ist, weiß der Soziologe aber auch: "Arbeitgeber verlangen von ihren Mitarbeitern maximale Leistung."

Trotzdem gibt etwa jeder achte Arbeitnehmer bei Umfragen an, mit seinem Job zufrieden zu sein. Top-Manager und Selbständige außen vor gelassen - denn deren Arbeitszufriedenheit liegt allen Statistiken zufolge an der Spitze -, sind es laut DGB-Index "Gute Arbeit 2008" genau 13 Prozent aller Lohn- und Gehaltsempfänger. Rein rechnerisch wären das in einem Betrieb mit 20 Mitarbeitern 2,6 Strahlekollegen. Konzerne sollten einige Hundertschaften an hochzufriedenen Mitarbeitern aufbieten können.

Auf der nächsten Seite: Dort, wo die Jobzufriedenheit mit dem Einkommen zusammenhängt, also bei Vorständen und Geschäftsführern, spricht man nicht gern darüber und wenn, dann wie aus dem Lehrbuch der Öffentlichkeitsarbeit abgeschrieben.

Wenn die Chemie stimmt

Meike Boos aus Brühl bei Köln ist gelernte Zahnarzthelferin und alleinerziehende Mutter zweier Söhne. 16 Jahre hat sie im Beruf pausiert, nach der Einschulung des Jüngsten hantierte sie wieder mit Brücken und Inlays. "Grundsätzlich ging das auch ganz gut", erzählt die 46-Jährige, "aber nach einiger Zeit merkte ich, dass mir etwas fehlte."

Was das war, entdeckte sie in ihrem jetzigen Job als Gesellschafterin und Betreuerin einer Schlaganfallpatientin. Wenn Monika etwas zu artikulieren versucht, dann verstehen nur der Ehemann und Meike Boos, was sie sagen will. "Die Chemie zwischen uns stimmt, Monika braucht mich, und sie macht mir die Arbeit leicht", sagt Boos. "Ich bin allein dafür da, dass es ihr den ganzen Tag lang gut geht. Wenn ich sie ansehe, dann strahlt sie mich an, und ich denke: schön. Solche Momente machen meine Arbeitstage wunderbar."

Verbindliches Lächeln, danke der Nachfrage

Von der Art der glücklichen Gesellschafterin und des französischen Traiteurs, der abendlich kleine Gesellschaften glücklich macht, müsste es doch noch mehr geben, oder? Menschen, die von ihrer Arbeit behaupten, sie sei das Beste, was ihnen jemals begegnet ist. Wenigstens aber müsste es solche geben, die außerhalb eines Castings oder einer anonymen Umfrage glaubhaft versichern, sie hätten eine gute Arbeit. Besserverdiener beispielsweise. Welcher Manager ruft Gott und der Welt zu: Ich bin mit meinem Job sehr zufrieden?

Dort, wo die Jobzufriedenheit positiv mit den Einkommen korrelieren könnte, also bei Vorständen und Geschäftsführern, bei Bereichs-, Abteilungs- und Niederlassungsleitern, spricht man nicht gern darüber und wenn, dann wie aus dem Lehrbuch der Öffentlichkeitsarbeit abgeschrieben. Unisono bekunden die in Imagepflege geschulten Führungskräfte die unglaublich spannende Herausforderung ihrer Arbeit, wie viel Spaß sie mache und wie aufregend es doch sei, Dinge gestalten zu können. Zeit fürs Privatleben hätten sie trotzdem noch, verbindliches Lächeln, danke der Nachfrage.

"Ja, aber"

Dergleichen mag freilich nur zu Protokoll geben, wer keinen Boss über sich hat. Beim mittleren Management hingegen folgt dem Bekenntnis der Arbeitszufriedenheit prompt ein umfängliches "aber": die große Verantwortung, die fehlende Zeit für Hobbies und Familie und dann immer dieser Stress. Wenn sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind, soll das niemand wissen. Offenbar ist Jobzufriedenheit für Manager in einer Sandwich-Position ein Tabu.

"Das ist paradox"', sagt der Soziologe Böhle, "wo doch allerorten Mitarbeiterzufriedenheit proklamiert wird." Die mögliche Erklärung: "Bei Umfragen wird stets auch auf die soziale Erwünschtheit der Antwort geachtet. Und es gehört heute offenbar dazu zu betonen, wie belastet, ja überlastet man ist."

Auf der nächsten Seite: Wer im mittleren Management mit seiner Arbeit unzufrieden ist, gilt als nicht leidensfähig.

Risiko Sozialneid

Böhles Kollege Ernst Kistler, Direktor am Internationalen Institut für empirische Sozialökonomie in Augsburg, schlägt eine andere Lesart vor. "Wer sich im mittleren Management mit seiner Arbeit unzufrieden zeigt, gilt heute als nicht leidensfähig und läuft Gefahr, über kurz oder lang draußen zu sein. Und wer sagt, er habe einen tollen Job, riskiert Sozialneid. Den seiner Kollegen und den seiner Mitarbeiter, die ja unter wachsendem Leistungsdruck stehen. Da heißt es dann: Seine Leute klagen über die Arbeitsbelastung, und er jubelt? Diese vermutete Wahrnehmung glaubt sich niemand leisten zu können."

In einer Welt, in der Tempo und ständige Veränderung mit Verbesserung gleichgesetzt werden, muss sich das persönliche Image passgenau einfügen. "Man hat immer weniger Zeit, um durchzuatmen", sagt Böhle und fragt: "Wie soll man da das Rentenalter von 67 erreichen?"

Darüber machen sich Meike Boos und Johan Jorry keinen Kopf. Sie freuen sich, mal mehr, mal weniger, auf jeden neuen Arbeitstag. Wer darüber lächelt, bekommt ein Lächeln zurück.

© SZ vom 6.9.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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