Arbeitsverbot für deutsche Reiseleiter:Bitte draußen warten

Warum soll ein Deutscher den Job erledigen, wenn es auch einheimische Arbeitskräfte gibt? Deutsche Reiseleiter werden in europäischen Städten immer öfter schikaniert.

Hans-Jörg Heims

Als Juliane Güde vor einigen Wochen auf einem Platz in Madrid Touristen etwas über dessen Geschichte erzählen wollte, wurde sie von der Polizei gestoppt. Sie dürfe das nicht, sondern nur lokale Guides, betonten die Beamten und drohten der Deutschen bei Zuwiderhandlung ein Bußgeld von bis zu 200.000 Euro an. Einer Kollegin von Güde erging es in Palermo ebenso. Als die Reisegruppe die Kathedrale besichtigen wollte, verweigerten Polizisten der Fremdenführerin den Zutritt. Diese durfte nur den Eintritt zahlen und musste dann, streng bewacht, draußen warten. "Man will uns einschüchtern", sagt Güde, die auch Vorsitzende des Reiseleiterverbandes ist.

Sizilien liegt außerhalb der EU

Solche Behinderungen verstoßen gegen die seit 2007 geltende EU-Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen. In Palermo taten die Beamten allerdings so, als liege Sizilien außerhalb der EU und erklärten, die Verordnung sei nicht relevant für die Insel. Angesichts solcher Vorkommnisse hat der Deutsche Reiseverband (DRV) die Bundesregierung aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Freizügigkeit für Reiseleiter in allen EU-Ländern gewährleistet wird. Service und Qualität touristischer Angebote bleiben sonst auf der Strecke, befürchtet der DRV.

Doch so schnell werden sich die Grenzen nationaler Bürokratie nicht schleifen lassen. In Deutschland dürfen sich Fremdenführer frei bewegen. Eine Ausnahme bilden Sehenswürdigkeiten wie der Kölner Dom oder Schloss Neuschwanstein, wo das Hausrecht regelt, dass nur geschultes Personal durch die Einrichtung führen darf. Auch in Großbritannien, Irland, Belgien, Tschechien oder den skandinavischen Ländern können Touristenführer ungehindert ihren Beruf ausüben.

Sie wollen nur Einheimische

Dagegen haben beliebte Ferienziele wie Spanien, Italien, Portugal, Frankreich, Österreich und Griechenland die Ausübung des Jobs als Fremdenführer reglementiert. Und diese Auflagen gelten auch für Ausländer. Nur wer die entsprechende Qualifikation für das jeweilige Land besitzt, darf Sehenswürdigkeiten erklären. Die Papiere zu bekommen, ist allerdings schwierig.

Güde kennt einen Kunsthistoriker, der in Frankreich lebt und studiert hat, bei der Prüfung als Führer für den Louvre aber immer wieder durchfällt. Sie wollten da nur Einheimische. Diese Praxis hat zur Folge, dass eine Reisegruppe während einer Städtetour an jedem Ort auf einen lokalen Führer zurückgreifen und diesen bezahlen muss. Die höheren Kosten trägt der Gast.

Rechtsstreit mit Venedig

Mit Italien wurde zwar inzwischen unter EU-Vermittlung ein Kompromiss gefunden. Demnach dürfen sich deutsche Reiseleiter frei bewegen, wenn sie einen bestimmten Qualifikationsnachweis vorlegen können. Doch beim größten deutschen Veranstalter für Studienreisen, Studiosus in München, der jährlich 350 Reiseleiter durch Europa schickt, beobachtet man mit Sorge, wie die italienischen Behörden die Vereinbarung durch bürokratischen Aufwand und Zusatzkosten umgehen. Teilzeitbeschäftigten, wie es viele Reiseleiter sind, wird die Zulassung sogar verweigert.

Mit der Stadt Venedig hat Studiosus bereits einen Rechtsstreit durch sämtliche Gerichtsinstanzen geführt, weil man ein von der örtlichen Polizei verhängtes Strafmandat gegen einen Reiseleiter in Höhe von 1446,08 Euro nicht akzeptiert hatte. Das Oberste Gericht in Rom entschied schließlich zugunsten der Deutschen. Europäisches Recht habe Vorrang vor regionalen Gesetzen, urteilten die Richter. Nur will sich daran bisher keiner so recht halten.

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