Arbeitsrecht:Zu alt für den Job

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Fristen für den Ausstieg aus dem Beruf sorgen vor allem bei Älteren für Unmut.

(Foto: AFP/dpa)
  • Im Berufsleben gibt es viele Regelungen, die Arbeitnehmer einer bestimmten Altersgruppe benachteiligen.
  • Dass Beschäftigte wegen ihres Alters unterschiedlich behandelt werden, heißt aber noch nicht, dass es sich um unzulässige Diskriminierung handelt.
  • Viele Streitfälle landen dennnoch vor Gericht.

Von Ina Reinsch

Lars Röder ist im Mai dieses Jahres 29 Jahre alt geworden. Soldat auf Zeit, Sportler und seit vielen Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr. Doch Röder ist zu alt. Jedenfalls für die Berufsfeuerwehr in Magdeburg. Gerne hätte er dort nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr mit einer zweijährigen Ausbildung beruflich neu durchgestartet. Seine Bewerbung scheiterte jedoch an der Höchstaltersgrenze von 28 Jahren. Für Röder, der in Wirklichkeit anders heißt, ein Schlag ins Gesicht. "Man kann doch die körperliche Leistungsfähigkeit eines Menschen nicht vom Papier ablesen", sagt er. "Ich empfinde das als diskriminierend."

So wie Röder geht es vielen Bewerbern. Röder ist mit seinen 29 Jahren einer der ganz Jungen, die sich wegen ihres Alters benachteiligt fühlen. Vor allem aber Arbeitnehmer ab der Lebensmitte klagen darüber. "Zwar sind Stellenausschreibungen heute überwiegend altersneutral formuliert", sagt Timo Hufnagel, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Frankfurter Kanzlei Westend Law. Lediglich bei kleinen, unerfahrenen Betrieben fänden sich hin und wieder noch Formulierungen wie "Junger Mitarbeiter gesucht".

Wer als Chef einen jungen Mitarbeiter will, sortiert heute hinter den Kulissen aus. Den wahren Grund der Ablehnung erfahren Bewerber kaum. "Arbeitgeber drücken sich sowohl im Ablehnungsschreiben als auch auf telefonische Nachfrage hin möglichst neutral aus", sagt Hufnagel. "Sie befürchten, dass der abgelehnte Bewerber Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend macht."

Seit nunmehr fast zehn Jahren schützt das Gesetz Beschäftigte vor Diskriminierung etwa aus Gründen des Geschlechts, der Religion, des Alters oder wegen einer Behinderung. 21 Prozent der Beratungsanfragen, die bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingehen, werden von Menschen gestellt, die sich wegen ihres Alters benachteiligt fühlen, vor allem im Bewerbungsverfahren. "Die Vorschriften des AGG sind aber in allen Phasen des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen, also von der Stellenausschreibung bis hin zur Beendigung", erklärt Hufnagel.

Dass Beschäftigte wegen ihres Alters unterschiedlich behandelt werden, heißt aber noch nicht, dass es sich dabei um unzulässige Diskriminierung handelt. Das Gesetz sieht nämlich Gründe vor, die dies rechtfertigen können. So heißt es etwa in § 10, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig sein kann, wenn sie "objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist". Klingt nicht nur kompliziert, ist es auch.

Daher kam es in den vergangenen Jahren zu einer wahren Flut von Prozessen, in denen die Gerichte beurteilen mussten, was noch erlaubt ist - mit ganz unterschiedlichem Ausgang. So entschied etwa das Bundesarbeitsgericht (BAG) 2010, dass eine Stellenausschreibung, in der ein "junger Mitarbeiter" gesucht wird, eine unzulässige Altersdiskriminierung darstellt. Die Suche nach einem "Junior-Personalreferenten" oder einem Mitarbeiter für ein "dynamisches Team" sei dagegen altersneutral, urteilten die Richter.

Auch Altersgrenzen für die Einstellung in bestimmte Berufe beschäftigten die Gerichte. So hielt der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Einstellungshöchstalter von 30 Jahren für den Feuerwehrdienst in Hessen für zulässig, obwohl die Altersgrenze von Bundesland zu Bundesland variiert. "Solche Altersgrenzen sind vom Grundsatz her zulässig", sagt Pia Alexa Becker, Fachanwältin für Arbeitsrecht in München. "Werden Beschäftigte wegen ihres Alters unterschiedlich behandelt, ist dafür aber immer ein Rechtfertigungsgrund notwendig. Den hat der EuGH hier in der mit dem Alter abnehmenden Belastbarkeit für diesen Beruf gesehen."

"Aufseiten der Arbeitgeber ist ein gewisses Umdenken erkennbar"

Unter Juristen gibt es durchaus kritische Stimmen, die bezweifeln, dass man die Belastbarkeit allein am Alter festmachen kann. Ob Röder allerdings wirklich Chancen hätte, die Altersgrenze von 28 Jahren bei der Stadt Magdeburg zu kippen, hält Becker für ungewiss. Röder möchte auch nicht kämpfen, er hat sich inzwischen für eine Bewerbung in einem anderen Bundesland entschieden.

Zwei Lehrer aus Nordrhein-Westfalen sind dagegen den Weg bis zum Bundesverfassungsgericht gegangen und brachten eine Regelung im Landesbeamtengesetz zu Fall, die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ein Höchstalter von 40 Jahren vorsah. "Diese Regelung hielt das Gericht für grundrechtswidrig, weil sie pauschal auf das Alter abstellt, nicht aber auf Rechtfertigungsgründe wie Eignung, Belastbarkeit oder ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit", so Becker.

Während diese Regelungen eher jüngere Menschen betreffen, erregen Fristen für den Ausstieg aus dem Beruf vor allem bei Älteren Unmut. So sehen viele Arbeits- oder Tarifverträge vor, dass der Job automatisch endet, wenn der Beschäftigte Anspruch auf eine Regelaltersrente hat. "Diese Zwangsbeendigung ist heute nicht mehr zeitgemäß", sagt Bernhard Franke von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Zwar freuen sich viele Ältere nach einem langen Berufsleben auf ihren Ruhestand. "Es gibt aber auch Beschäftigte, deren Altersrente so gering ist, dass sie weiterarbeiten müssen. Andere wollen es gerne, weil sie sich in einer interessanten beruflichen Position befinden." Mehr Flexibilität sei wünschenswert, sagt Franke.

"Altersgrenzen, die daran anknüpfen, dass der Betroffene eine Altersrente beziehen kann, sind rechtlich nicht zu beanstanden", erklärt Anwalt Hufnagel. "Das Arbeitsverhältnis endet automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Sieht der Arbeits- oder Tarifvertrag dagegen keine solche Klausel vor, darf der Mitarbeiter weiterarbeiten. "Das Arbeitsverhältnis endet dann erst mit dem Tod des Arbeitnehmers, durch eine Kündigung oder eine Aufhebungsvereinbarung."

Ältere Regelungen nennen jedoch oft noch die Vollendung des 65. Lebensjahres - das Alter, in dem früher alle in Rente gingen. "Eine solche starre Regelung ist heute unzulässig", sagt Arbeitsrechtler Hufnagel. Denn die Regelaltersgrenze für die Geburtsjahre ab 1947 wurde inzwischen schrittweise auf die Vollendung des 67. Lebensjahres angehoben.

Wenn die Rente nicht zum Leben reicht

Ob die Rente dagegen zum Leben ausreicht, ist nach Ansicht des EuGH nicht entscheidend. So klagte eine Hamburger Reinigungskraft gegen eine Regelung im Tarifvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis automatisch mit Erreichen des Rentenalters endet - für sie ein Dilemma, denn sie erhielt lediglich eine Rente von 228,26 Euro netto. Die Regelung sei jedoch europarechtlich nicht zu beanstanden, so die Richter. Es komme nur darauf an, dass der Betroffene überhaupt Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente habe.

Von Arbeitgeberseite gibt es aber auch positive Signale. So holt etwa der deutsche Autobauer Daimler pensionierte Mitarbeiter zurück ins Unternehmen. In beratender Funktion helfen die "Space Cowboys", wie sie genannt werden, jüngeren Mitarbeitern in Projekten. Beamte können beantragen, ihre Dienstzeit zu verlängern, wenn sie weiterarbeiten möchten. "Aufseiten der Arbeitgeber ist ein gewisses Umdenken erkennbar", beobachtet Anwalt Hufnagel. "Manche entscheiden sich aufgrund der Berufserfahrung inzwischen bewusst für ältere Mitarbeiter."

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