Arbeitsrecht:"Volkswagen will sich in der Öffentlichkeit die Weste reinwaschen"

Betriebsversammlung VW Kassel

VW-Werk in Baunatal (Hessen).

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein VW-Manager muss sieben Jahre ins Gefängnis, weil er auf Anweisung US-Behörden betrogen hat. Nun soll er entlassen werden. Zu Recht? Ein Arbeitnehmeranwalt antwortet - juristisch und menschlich.

Interview von Larissa Holzki

Ein VW-Manager hat in den USA offenbar das getan, was sein Arbeitgeber von ihm verlangt hat: Die Umweltbehörde betrügen. Dafür hat ihn ein US-Gericht nun zu sieben Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Ein zu hartes Urteil, finden viele. Mitarbeiter in Deutschland würden nicht in gleichem Maße verantwortlich gemacht. Aber auch der Autokonzern zeigt sich Medienberichten zufolge hart ob des angeordneten Vergehens: Der Manager wird wohl seinen Job verlieren.

Philip Stühler-Walter steht als Arbeitsrechtler vor Gericht immer auf der Seite der Arbeitnehmer. Er hat aber auch eine rein menschliche Antwort darauf, wie der Konzern sich in dieser Situation verhalten sollte.

SZ: Herr Stühler-Walter, wenn ein Unternehmen von einem Mitarbeiter erwartet, dass er rechtswidrig handelt, darf es ihm dann später dafür kündigen?

Philip Stühler-Walter: Das muss man differenziert betrachten. Der verurteilte Mitarbeiter ist kein Arbeitnehmer im eigentlichen Sinne, er ist Manager. Kündigungsschutzrechtlich wird sich dagegen eher nichts tun lassen, weil er eben mindestens leitender Angestellter ist und Selbstverantwortung trägt. Ich kenne seinen Vertrag zwar nicht. Aber anderenfalls wäre nach meinem Bauchgefühl auch das Urteil wahrscheinlich milder ausgefallen.

Der Manager hat in einem Schreiben an das Gericht geäußert, er fühlte sich von VW hintergangen.

Das ist nachvollziehbar. Volkswagen will sich in der Öffentlichkeit die Weste reinwaschen. Das wird in der Wirtschaft - auch bei anderen Unternehmen - gerne mal auf Kosten eines einzelnen Mitarbeiters gemacht. Der Mann müsste nicht entlassen werden.

Wie beurteilen Sie die Aussage des Managers, er habe nur nach Weisung gehandelt? Ist das glaubwürdig?

Man könnte sogar noch weiter gehen: Hätte sich der Mitarbeiter nicht daran gehalten, die Manipulation zu verbergen, hätte man nach deutschen Recht sogar eine Arbeitsverweigerung und damit einen Kündigungsgrund annehmen können. Im Zweifel hat er arbeitsrechtlich auch eine Loyalitätspflicht.

Das heißt?

Arbeitnehmer in Deutschland dürfen ihren Arbeitgeber nicht bei der Staatsanwaltschaft anzeigen - mit Ausnahme einiger weniger, meist sehr schwerer Straftaten wie zum Beispiel der Vorbereitung eines Angriffskrieges. Aber eben nicht wegen Steuerhinterziehung oder Dieselbetrug. Whistleblowerschutz ist in Deutschland quasi nicht vorhanden.

Ist die Loyalität zum Arbeitgeber auch eine Kulturfrage?

Wir sind in Deutschland schon sehr darauf getrimmt. Die Loyalitätspflicht erstreckt sich sogar auf die Freizeit: Wenn Sie nach einigen Biergläsern am Tresen über ihren Arbeitgeber lästern, kann das Rufschädigung und ein Kündigungsgrund sein. Aber manchmal muss man auch sagen: Liebe Leute, Loyalität hat Grenzen.

Man könnte argumentieren, dass gerade diese Loyalität den Arbeitgeber verpflichtet, jetzt auch zu seinem Angestellten zu stehen. In der Öffentlichkeit wird das zum Teil gefordert. Könnte ein Arbeitgeber wie VW seinem Mitarbeiter zum Beispiel die Geldstrafe ersetzen, zu der er verurteilt wurde? Hier wird schließlich ein Einzelner für das Versagen von vielen zur Rechenschaft gezogen.

Grundsätzlich gilt: Wenn das Unternehmen die Geldstrafe übernimmt, würde es juristisch gesehen die Straftat vereiteln. Nach außen wäre das ein Zeichen dafür, dass der Konzern Straftaten unterstützt, wenn sie für das Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll sind.

Es heißt, der VW-Mitarbeiter könne mit der Kündigung auch seinen Anspruch auf die Betriebsrente verlieren. Außerdem sind der Familie weitere Kosten entstanden, weil die Ehefrau des Verurteilten im Zuge des Gerichtsverfahrens in die USA gezogen sei. Kann das Unternehmen auch dabei nicht helfen?

Was die Unterstützung der Familie und der Frau angeht, das ist eine rein menschliche Frage. Da bin ich der Meinung, man könnte zumindest unter der Hand die ein oder andere Unterstützung leisten. Da wird man rechtlich im Sinne einer Strafvereitlung auch nichts handhaben können.

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