Arbeitsrecht:Muss ein Arbeitnehmer trotz Attest zum Personalgespräch?

Wegen Krankheit nicht zu terminiertem Personalgespräch

Wer vom Arzt als arbeitsunfähig erklärt wurde, muss nicht im Job erscheinen. Aber wie sieht es mit einem Personalgespräch aus?

(Foto: dpa)
  • Wer krankgeschrieben ist, muss nicht zu einem Personalgespräch im Unternehmen erscheinen, so die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.
  • Eine Ausnahme könne aber dann vorliegen, wenn das Gespräch aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und dem Mitarbeiter zuzumuten, so die Richter.
  • Damit hat ein Krankenpfleger mit seiner Klage gegen seinen Arbeitgeber zumindest teilweise Erfolg gehabt.

In den meisten Fällen ist eine Krankheit ärgerlich, aber weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmer eine große Sache: Der Mitarbeiter lässt sich von seinem Arzt eine Arbeitsunfähgikeitsbescheiningung ausstellen, erholt sich zu Hause und erscheint dann nach einigen Tagen wieder gesund bei der Arbeit.

Komplizierter wird die Angelegenheit bei einer längeren Erkrankung oder dann, wenn der Arbeitnehmer immer wieder für Wochen fehlt. Was ist, wenn der Chef seinen Mitarbeiter zum Personalgespräch lädt, um zu besprechen, wie es weitergehen soll? Muss der Beschäftigte dann trotz des Arztattestes erscheinen? Darüber hat an diesem Mittwoch erstmals das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden.

Das Urteil

Erkrankte Beschäftigte können in aller Regel nicht zu Personalgesprächen ins Unternehmen zitiert werden, so die Entscheidung der Richter (10 AZR 596/15). Krankgeschriebene Arbeitnehmer seien im Grundsatz nicht dazu verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen, um dort an einem Personalgespräch mit dem Arbeitgeber teilzunehmen, urteilte der zehnte Senat. Es könne aber Fälle geben, in denen ausnahmsweise eine solche Pflicht bestehe, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Linck. Das Erscheinen des erkrankten Arbeitnehmers in der Firma müsse dann aber aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer gesundheitlich dazu in der Lage sein.

Auch sei es dem Arbeitgeber nicht von vornherein untersagt, mit seinem kranken Mitarbeiter in einem angemessenen Rahmen schriftlich oder telefonisch Kontakt aufzunehmen. Damit hatte die Klage eines Krankenpflegers aus Berlin teilweise Erfolg.

Worum ging es in dem Fall?

Ein Krankenpfleger aus Berlin fiel nach einem Unfall länger aus und wurde danach befristet als Dokumentationsassistent eingesetzt. Im November 2013, kurz bevor sein Einsatz auf dieser Stelle enden sollte, erkrankte er erneut. Das Krankenhaus wollte deshalb mit ihm die weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten in einem Personalgespräch klären. Das lehnte er jedoch mit Verweis auf seine Arbeitsunfähigkeit ab. Daraufhin schickte das Krankenhaus bis Februar 2014 noch zwei weitere Aufforderungen zu Personalgesprächen, zu beiden erschien der krankgeschriebene Mitarbeiter wieder nicht. Zudem verlangte das Krankenhaus ein spezielles ärztliches Attest darüber, dass auch die Teilnahme an einem Gespräch nicht möglich sei - auch dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach.

Die Abmahnung erklärte das Bundesarbeitsgericht nun für unwirksam. Den Antrag auf Feststellung, dass der Kläger generell während seiner Arbeitsunfähigkeit nicht zur Teilnahme an Personalgesprächen verpflichtet sei, lehnten die Erfurter Richter aber ab.

Welche Bedeutung hat das jetzige Urteil des Bundesarbeitsgerichts?

Dem Erfurter Richterspruch kommt eine grundsätzliche Bedeutung zu, da es nach Angaben einer Sprecherin des Bundesarbeitsgerichts die erste höchstrichterliche Entscheidung dazu ist. Dem Urteil zufolge kommt es weiterhin auf die besonderen Umstände in jedem Einzelfall an.

Wie häufig kommen solche Fälle in der Praxis vor?

Bislang landen nicht viele derartige Fälle vor Gericht. Dennoch hat das Bundesarbeitsgericht ein ähnliches Verfahren auf dem Tisch, über das dann der zweite Senat am 15. Dezember entscheiden wird. In diesem Streitfall klagt eine Frau gegen ihre Kündigung - sie war ebenfalls wegen Krankheit nicht zu drei anberaumten Personalgesprächen erschienen. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hielt ihren Rauswurf für unwirksam und erklärte zudem, dass kranke Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet seien, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen.

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