Arbeitsrecht:EuGH soll über Kirchen-Sonderstatus beim Arbeitsrecht entscheiden

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Das Gebäude des Bundesarbeitsgerichtes in Erfurt: Hier wird über die Kündigung eines Chefarztes verhandelt - bereits zum zweiten Mal. (Foto: dpa)
  • Ein katholisches Krankenhaus hat einem Chefarzt gekündigt, nachdem dieser zum zweiten Mal geheiratet hatte.
  • Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte der Kirche gestärkt und den Fall ans Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen.
  • Nun soll sich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg mit dem Thema Kirche und Arbeitsrecht befassen.

Ein Chefarzt lässt sich von seiner Frau scheiden. Er verliebt sich neu, lebt mit seiner Freundin zusammen und heiratet diese schließlich. Was nach dem Plot einer ARD-Vorabendserie klingt, hat in Deutschland bereits sämtliche gerichtlichen Instanzen durchlaufen und wird nun am Europäischen Gerichtshof entschieden. Die juristische Brisanz bekommt der Fall, weil der Chefarzt an einem katholischen Krankenhaus arbeitet.

Den Kirchen wird im deutschen Arbeitsrecht ein umfangreicher Sonderstatus zugestanden. Die Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen müssen nicht nur ihren Job gut machen, sondern auch ein bibeltreues Privatleben vorweisen. Im konkreten Fall bekam der Mediziner von einer Düsseldorfer Klinik nach seiner standesamtlichen Hochzeit 2008 die Kündigung überreicht. Es liege ein "schwerer Loyalitätsverstoß" vor. Die Wiederheirat verletze das Sakrament der Ehe. Das Bundesarbeitsgericht gab allerdings zunächst dem Arzt recht und erklärte die Kündigung für unwirksam. Doch das Bundesverfassungsgericht kassierte dieses Urteil.

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Nach langer Diskussion liberalisiert die katholische Kirche ihr Arbeitsrecht: Sie will Wiederverheirateten und Homosexuellen nicht mehr automatisch kündigen. Aber nicht alle der 700 000 Arbeitnehmer der Kirche werden von der neuen Regelung profitieren.

Von Matthias Drobinski

Karlsruhe stärkte im November 2014 die Sonderrechte der Kirchen als Arbeitgeber. Staatliche Gerichte dürften sich nicht in die Kompetenz des kirchlichen Gesetzgebers einmischen und definieren, wie weit die Loyalitätsforderungen der Religionsgemeinschaft gehen, so das Verfassungsgericht. An diesem Donnerstag mussten sich daher erneut die Bundesarbeitsrichter mit dem Fall befassen.

Im Jahr 2011 hatten die Erfurter Richter argumentiert, dass die Kirchen von ihren Beschäftigten zwar grundsätzlich ein loyales Verhalten verlangen könnten. Die Klinik habe aber protestantischen Kräften nach einer zweiten Heirat nicht gekündigt. Bei dieser Linie ist das Bundesarbeitsgericht nun auch bei der aktuellen Verhandlung geblieben - die Richter ersuchen den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Klärung. Vor allem zeigen sich die Bundesarbeitsrichter daran interessiert, ob an leitende Angestellte je nach Konfession unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe gelegt werden dürfen.

Urteile haben Relevanz für Hunderttausende Kirchen-Mitarbeiter

Auch in einem anderen Fall, in dem es um eine evangelische Entwicklungshilfeorganisation als Arbeitgeber ging, haben die Bundesarbeitsrichter vor Kurzem den EuGH eingeschaltet. Dieser soll klären, ob kirchliche Arbeitgeber die Konfession von Bewerbern als Einstellungskriterium festlegen dürfen.

Der Ausgang beider Fälle dürfte viele interessieren. Die Kirchen sind ein großer Arbeitgeber in Deutschland. Mehr als eine Million Menschen arbeiten allein bei Diakonie und Caritas.

Die besonders strengen Loyalitätsanforderungen, die der Düsseldorfer Chefarzt unterzeichnete, sind in dieser Form allerdings überholt. Die katholische Kirche liberalisierte vergangenes Jahr ihr Arbeitsrecht. Die strengen Auslegung gilt nur noch für verkündigungsnahe kirchliche Berufe.

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Protokoll von Jan Stremmel
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